Vor knapp zwei Wochen erschien der Abenteuerband Rittererbe, in dem eine Reihe Abenteuer zum Bornland zusammengefasst werden. Damit erschien auch zum 'Land des schwarzen Bären' eine Abenteueranthologie, und zwar in zeitlich sehr nahem zusammenhang, wenn man die Zeit bei anderen Produkten vergleicht. Vier Abenteuer werden hier angeboten, ein fünftes (Wolfserwachen) wurde wegen Platzmangels ausgelagert und soll selbständig erscheinen, wobei über die genaue Form noch nichts gesagt wurde.
In vielen anderen Anthologien sind zusätzlich auch noch "Szenariovorschläge“ (kurze Beschreibungen, die ein Spielleiter in eigene Abenteuer einbauen kann oder aus denen er eigene Abenteuer machen kann), auch die sind in Rittererbe nicht zu finden.
Das Cover ist sehr schön, ich finde es sogar noch schöner als das zum Regionalband. Es bringt eine gewisse märchenhafte Stimmung, die zu einigen der Abenteuer hervorragend passt.
In Zeichen der Vergänglichkeit wird eine Gruppe Abenteurer geschikt, einem Forscher Vorräte zu bringen und ihm ein wenig bei der Arbeit zur Hand zu gehen. Allerdings hat der Ort, wo er seine Untersuchungen anstellt, eine lange Geschichte, die sich bis in die Gegenwart auswirkt, und die Bewohner sind auch auf Norbarden nicht gut zu sprechen. Auch die Abenteurer können sich bei den abergläubischen Bewohnern leicht unbeliebt machen. Das Abenteuer lebt aber von der Interaktion mit den Charakteren des Dorfes, was für den Spielleiter eine Herausforderung darstellt. Am Ende steht keine 'richtige' Auflösung, jede Gruppe wird für sich selbst den besten Weg finden müssen.
In Bauernfänger gibt es eine ungewöhnliche Gruppe 'Helden‘: unfreie Bewohner eines Bornländischern Dorfes ziehen mit ihrem Bronnjaren aus, eine entführte Mitbewohnerin zu befreien. Allerdings hat der Bronnjar Gesundheitsprobleme, so dass er sie nach kurzer Zeit (und einem Überfall) alleine weiterziehen lassen muss. Die Situation der Dörfler wird hier anschaulich wiedergegeben, es wird sogar an den Geleitbrief gedacht, mit dem ein Unfreier im fernen Land nachweisen kann, dass er nicht schollenflüchtig ist. Der Bronnjar ist auch nicht so ein Schinder, wie er (leider) oftmals stereotyp gesehen wird, so dass sich hier am Ende für die Helden ein böses Dilemma ergibt. Für Spieler, die noch keine unfreien Bornländer als Charaktere haben (und wer hat so etwas – wenn nicht mit 'gesucht' als Schollenflüchtling), werden auch ein paar Beispielcharaktere mitgeliefert.
Das dritte Abenteuer ist Schleier der Unwissenheit, in dem wieder eine 'normalere' Heldengruppe einen Festumer Magier (mit ausgeprägter Insektenphobie) nach Ouvenmas begleitet, wo sich ein Abenteuer um Norbardisches Brauchtum, Ouvenmaser Künstler, Diebstähle und Insekten ergibt, an das man sicher lange zurückdenken wird – wenn es dem Spielleiter gelingt, die vielen verschiedenen NPCs einigermaßen deutlich und unterscheidbar 'rüberzubringen. Die Liste der wichtigen NPCs, die alle mit Leben erfüllt werden wollen, ist lang, und in einigen Szenen begegnet man den meisten von ihnen auf einem Haufen. Nichts für Spielleiter-Anfänger. Allerdings hat das Abenteuer auch einige schöne Szenen, bei denen man unwillkürlich an so manche 'kriminelle Verwechslungskomödie' erinnert wird, die aber auch vorsichtig dosiert sein wollen, denn im Endeffekt hat das Abenteuer alles andere als einen komischen Hintergrund.
Die Braut des Bronnjaren zuletzt spielt wieder in einem Dorf, in dem der Bronnjar soeben beschlossen hat, eine bestimmte Tochter des Dorfes zu ehelichen. Als die Braut dann verschwindet, werden die durchreisenden helden gebeten, sie wiederzufinden; eine Aufgabe, für die man tief in die Geschichte des Dorfes eintauchen muss.
Die Abenteuer sind, jedes für sich, recht schön und interessant, aber sie weisen doch recht viele Parallelen auf. Bauernfänger und die Braut klingen von der Einleitung her so ähnlich, dass es schon seltsam wirkt. Zeichen und Schleier bieten eine große Anzahl NSCs, die der Spielleiter darstellen muss, ein Phänomen, das in etwas geringerem Maße auch für die Braut gilt. Außer Schleier spielen alle Abenteuer auf dem Lande, und auch Ouvenmas bietet, da keine freie Stadt, nur einen Anklang an ein 'Stadtabenteuer'. Die Norbarden werden, wenn sie thematisiert werden (Zeichen und Schleier), vom Volk sehr misstrauisch und abergläubisch gesehen – ein so negatives Norbardenbild der Bornländer überraschte mich denn doch.
Irgendwie hat man daher beim Lesen der Abenteuer wiederholt einen 'Das kenne ich doch‘-Effekt. Man fragt sich unwillkürlich, ob das Bornland auf eben diese Art Abenteuer festgelegt ist – ich hätte zum Beispiel gerne etwas gesehen, das in einer wirklich 'freien Stadt' wie Festum oder Neersand spielt, oder auch einen Bronnjaren, der im Abenteuer eindeutiger als Wohltäter (oder als bösartiger Menschenschinder) erkennbar wäre.
Dennoch sind die 18 Euro für den Band sicher kein 'rausgeworfenes Geld; wenn die Gruppe sowieso ins Bornland kommt (oder eine Bornländische Gruppe geplant ist), kann man mit den Abenteuern sicher eine ganze Menge anstellen. Die Anforderungen an den Spielleiter sind aber sicher höher als bei den meisten anderen Abenteueranthologien, worüber man sich im klaren sein sollte. Dafür sind die Abenteuer dann aber auch vielschichtiger, und bieten den Spielern die Möglichkeit, durch ihre Entscheidungen tatsächlich etwas zu verändern. Alles in allem also: Daumen hoch.
Hersteller | Ulisses Spiele |
Autor |
Christian Hellinger, Daniel Heßler, Ingolf Karkosch, Kathrin Lieb, Christina Weimann |
Spieler |
2-6, RPG |
Denken |
n/a |
Glück |
n/a |
Geschicklichkei |
n/a |
Preis ca. |
18 € (Buchpreisbindu |
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Rittererbe ist zum Beispiel erhältlich über den Pegasus-Webshop
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