Erntedank

Fruit Fair

Nein, ich habe mich nicht in der Jahreszeit vertan. Fruit Fair ist ein Brettspiel des Amerikanischen Herausgebers Wattsalpoag, von dem auch das früher besprochene Nomads of Arabia stammt. Wattsalpoag versucht, in den USA sog. 'German Games' zu produzieren, also Spiele mit Tiefgang, die länger als nur eine Viertelstunde dauern.

In Fruit Fair geht es um ein Phänomen, das in den USA allerdings wesentlich ausgeprägter anzutreffen ist als bei uns: Leistungsschauen der lokalen Bauern. Was bei uns in ziemlich elitärem Rahmen stattfindet, hat in den USA eher die Atmosphäre eines Volksfestes, mit – je nach Gegend – Chili- und Burger-Wettessen, Kirmes, Feuerwerk, Schützenfest, und so weiter.

Das Spiel besteht aus den folgenden Teilen:

  • 54 Karten, und zwar 24 Obstkarten, 10 Pflücker, 10 Gärtner, 10 Extra-Arbeiter
  • 80 Stück Obst (je 20 Kirschen, Äpfel, Pflaumen und Zitronen)
  • 5 Marker für die Zugreihenfolge mit den Zahlen 1 bis 5
  • 4 Marker für Spezialitäten (Zahl, Waschbär, Wanderarbeiter, Pickup)
  • 3 größere Marker für Waschbär, Wanderarbeiter und Pickup
  • 25 Preismarker, je 5 in rot, grün, blau, silber und gold
  • Ein Spielbrett

Die 'Früchte' sind einfache Hartplastik-Halbkugeln, wie sie auch bei Nomads of Arabia verwendet wurden – und sie sind auch nicht beser zu handhaben. Dazu hatte ich ja bei den Nomads bereits etwas geschrieben, und das gilt auch hier.

Die Regeln werden in Englisch ausgeliefert, sind aber auf der Webseite von Wattsalpoag auch auf Deutsch herunterzuladen.

Das Spielbrett stellt eine – oder besser vier – Pflanzungen dar, in denen Obstbäume wachsen. Allerdings: die Bäume sehen alle gleich aus, und wenn nicht Früchte aufgemalt wären, würde man sie nicht unterscheiden können. Irgendwie scheint Naturkunde nicht mehr 'in' zu sein (ich denke hierbei auch an Ochsen soxen).

Zu Spielbeginn befinden sich genau fünf Früchte (sechs bei fünf Spielern) von jeder Sorte in den Bäumen. Von den Karten erhält jeder Spieler ein Set: jeden Baum einmal, zwei Pflücker und zwei Gärtner. Außerdem beginnt jeder Spieler mit zwei zufälligen Früchten. Die Reihenfolge im ersten Zug itst zufällig.

Jede Runde besteht aus fünf Phasen. In der ersten bestimmt jeder Spieler mit den Baum- und Arbeiterkarten verdeckt, wie er seine Arbeiter einsetzen will. Dann frisst der Waschbär zwei verschiedene Früchte – dies ist in der ersten Runde ebenfalls zufällig, wird aber später von einem Spieler bestimmt – hierzu später mehr. Der Waschbär kann natürlich nur Obst fressen, das sich auch im Baum befindet.

In der dritten Phase pflücken und Pflanzen die Arbeiter so, wie sie in der ersten Phase zugeteilt wurden, und zwar in der Zugreihenfolge, die durch die Folgemarker bestimmt wird. Ein Pflücker nimmt eine Frucht vom entsprechenden Baum, wenn sie da ist. Nur wenn keine Frucht da ist, kann der Spieler stattdessen eine seiner eigenen Früchte gegen eine beliebige andere austauschen, die entweder bei einem Spieler oder in der Reserve liegt – Früchte im Baum sind hierbei tabu. Pflanzer legen eine Frucht der entsprechenden Sorte in die Schubkarre auf dem Spielfeld – diese Früchte können erst in der nächsten Runde geerntet werden. Ein Wanderarbeiter kann eine zusätzliche beliebige Frucht pflücken, der Truck kann verwemdet werden um die Arbeiter im Nachhinein noch umzusortieren. Wenn alle Spieler gepflückt und gearbeitet haben, werden die neuen Früchte für die nächste Runde ausgelegt.

Dann ist Erntefest. Hier kann man Preise oder zusätzliche Arbeiter im Tausch gegen gesammelte Früchte erwerben. Zusätzliche Arbeiter bleiben den Rest des Spiels bei einem, Preise zählen in der Endabrechnung (viele) Punkte. In der letzten Phase werden dann die Spezialmarker verteilt – die kleinen Marker bleiben auf den Bäumen liegen. Der Marker '1' legt die Zugreihenfolge der nächsten Runde fest: wer das meiste Obst von diesem Baum hat, ist erster etc. Der Baum mit dem Wanderarbeiter bsimmt, wer in der nächsten Runde Wanderarbeiter einsetzen kann. Wer die meisten Früchte vom Baum mit dem Waschbärmarker hat, erhält den großen Waschbärenmarker und darf in der nächsten Runde die bestimmen, weche Früchte der Waschbär frisst. Der Baum mit dem Pickup-Marker bestimmt genauso, wer den Pickup in der nächsten Runde zur Verfügung hat. Zuguterletzt werden danach die Marker der beiden Bäume, von denen der Waschbär zu Rundenbeginn gefressen hatte, ausgetauscht.

Das Spiel endet, wenn nur noch fünf oder weniger Preismarker auf dem Spielfeld liegen. nach einer weiteren Runde werden die Punkte der Preismarker addiert, und die Zahl der noch auf der Hande befindlichen Früchte addiert. Wer die meisten Punkte hat, gewinnt, bei Gleichstand gewinnt der mit der höchsten Goldmedaille, dann der mit der höchsten Silbermedaille etc.

Das Spielmaterial ist – mit Ausnahme der Früchte – sehr angenehm zu verwenden und stabil. Das Spielbrett ist sogar auf der schweren Seite. Die Karten hätten etwas stabiler sein dürfen, sind aber nicht unnötig labberig. Alles in allem ist die Produktionsqualität gut.

Die Tiefe des Spiels erschließt sich einem erst beim zweiten, dritten Spiel. Wenn man die Mechanismen intus hat, beginnt man zu erkennen, wie man zwei, drei Runden im voraus planen kann um möglichst gute Ernten einzufahren. Hierbei hilft, dass man planen kann, welche Früchte welchen Bonus in der nächsten Runde geben werden, aber eben nur eine Runde im voraus, weil der Waschbär das ganze wieder durcheinander wirbelt. Man ist also etwas mehr auf das Reagieren auf die aktuelle Situation angewiesen als auf langfristige Planungen – kann aber in der einzelnen Runde den Mitspielern üble Streiche spielen, indem man die Bäume, in denen diese wohl ernten wollen, vorher leer macht, oder indem man ihnen die Früchte wegnimmt, die sie für bestimmte Spezialaktionen benötigen. Dennoch ist es eine gute Mischung von Ärgerspiel und Planspiel. Man sollte nur die ersten Ernten wirklich für zusätzliche Arbeiter verwenden, der Vorteil, den man hierdurch hat, wird durch die eventuell zusätzlich erworbenen Preise nicht aufgewogen.

Fruit Fair ist das zweite Spiel von Wattsalpoag, das ich gesehen habe, aber der Verlag scheint ein Händchen dafür zu haben, Spiele mit einem 'Deutschen Touch' zu produzieren. Fruit Fair könnte ich mir ohne weiteres bei einem Deutschen Spielehersteler vorstellen, ohne dass ich einen kulturellen Schock erhielte. Die Regeln und Mechanismen sind einfach, aber wenn man es einige Male gespielt hat, merkt man, dass man viel mehr anstellen kann als einfach nur pflanzen und ernten. Und wenn man sich gegenseitig im Wege steht und dem anderen die Früchte vor der Nase wegerntet, kommt richtig Stimmung auf.

Hersteller

Wattsalpoag Games

Autor

Kris Gould

Sprache

Englisch

Spieler

3-5

Denken

5

Glück

4

Geschicklichkeit

1 (um die Obststeine nicht fallen zu lassen bzw. unter dem Sofa wieder hervorzuholen)

Preis ca.

28 €

Das Spiel ist in Deutschland nicht leicht zu finden, ich habe es aber nach einigen Suchen bei PlayMe entdeckt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert