Wiedersehen mit jungen Bekannten

Drakensang: Am Fluss der Zeit


Vor gut anderthalb Jahren erschien Drakensang (DraSa), und am 19. Februar erschien offiziell der 2. Teil / das Prequel. Inzwischen hat auch mich ein Rezensionsexemplar erreicht, so dass ich mich etwas schlauer machen konnte als es nur mit der Demo, die kurz vorher erschienen war, möglich war.

Drakensang: Am Fluss der Zeit (AFdZ) spielt zeitlich gut 20 Jahre vor dem ersten Teil, und das Spiel berücksichtigt das auch. Wie bereits aus den Ankündigungen zu erfahren, begegnet man nicht nur einem bärtigen Forgrimm und Ardo, sondern man kann auch Ardo vom Eberstamm begleiten – und auch mit vielen anderen Personen aus dem ersten Teil feiert man ein Wiedersehen. Hierzu später mehr.

Rein technisch scheint sich nichts getan zu habenm, wenn man die Anforderungen als Basis nimmt. Wenn Drakensang auf dem Rechner funktionierte, sollte auch AFdZ problemlos laufen. Das einzige, was mir auffiel, war eine Neigung zu leichten Rucklern, wenn man in Nadoreth (der größten Gegend des Spiels) ist und im Hintergrund noch mehrere andere Programme laufen hat.
Dennoch hat sich einiges getan, wenn man einmal genauer nachsieht. Nicht nur sind die Texturen und Effekte noch schöner (obwohl der Winter bei mir zuhause bereits zu Ende war, verursachte das Schneegestöber in Hammerberg mir doch eine Gänsehaut: es sah richtig kalt aus). Endlich hat die Benutzung von Fackeln bzw. einem FlimFlamFunkel in Ruinen und Zwergenbingen einen deutlichen Effekt darauf, was man am Bildschirm erkennen kann. Einzig, dass das Licht sich mit dem Gruppenführer bewegte, auch wenn der den Fackelträger/Magier ein Stück zurück liess, um beispielsweise eine Kiste zu öffnen, irritierte ein wenig. Aber manches Geheimnis sieht man als Spieler erst, wenn die Gegend vernünftig beleuchtet ist, was einen Schritt voraus bedeutet verglichen mit DraSa, wo auch ohne Licht die Beleuchtung bereits überall akzeptabel war.
Ein viel weniger leicht auffallendes, aber sehr nettes Detail ist, dass durch die Gestaltung der Orte wesentlich weniger Nachladepausen auftraten als bei DraSa: Nadoreth hat gefühlt eine ähnliche Größe wie Ferdok im ersten Teil, man kann es aber komplett durchwandern, ohne einmal nachladen zu müssen. Dies liegt daran, dass die Straßen wesentlich verwinkelter sind, und man ganz einfach nicht so weit blickt, die Engine also auch nicht mehr rendern muss. Auf der RPC 2009 wurde kolportiert, dass Ferdok ursprünglich bereits so verwinkelt geplant gewesen sei, aber dann kurz vor Arbeitsabschluss die offizielle Beschreibung in 'Am großen Fluss' erschien, womit man Ferdok noch einmal umbauen musste, und die Stadtviertel und Ladeschirme notwendig wurden.
Anders als im ersten Teil, wo nur sehr wenige Bereiche nach dem Verlassen noch einmal aufgesucht werden konnten, bleiben dieses Mal auch ziemlich alle Gebiete (mit Ausnahme der ersten Insel, wo ein Nachtlager aufgeschlagen wird) wieder besuchbar, und manche Queste erfordet auch, dass man noch einmal zurückkehrt. Auch werden durch diese Rückkehr oftmals weitere kleine Questen eingeschaltet, so dass es sich immer lohnt, die Orte noch einmal abzulaufen.
Weniger groß als im ersten Teil ist die Wahl der Begleiter: abgesehen von zeitweise questenbedingten Begleitern, die man nicht steuern kann, hat man nur vier von fünf möglichen Begleitern zur Auswahl, von denen man maximal drei mitnehmen kann. Verwirrend ausgedrückt? Also: es gibt grundsätzlich fünf mögliche Begleiter, zwischen zwei von diesen muss man sich ziemlich früh im Spiel entscheiden (der andere fällt dann komplett aus), ohne dass man sofort merkt, dass man bereits die Entscheidung getroffen hat. Diese 'kleine Auswahl' ist allerdings wohl auch darauf zurückzuführen, dass die Begegnungen anders als bei DraSa vollvertont sind. Wer will, kann also alle NPC-Gespräche (und Sprüche der Begleiter auch im Gespräch) vollständig anhören. Man kann aber auch die Tonausgabe unterbrechen, wenn man schneller liest als die Stimmen reden. Trotzdem bringt diese Vollvertonung einen deutlichen Atmosphäregewinn.
Das Abenteuer ist deutlich weniger episch als DraSa, was mir persönlich gut gefiel. Keine großkalibrige Weltenretteraktion, auch wenn auch diesmal das Schicksal eines Reiches in der Schwebe hängt. Aber es sind gerade diese etwas kleineren Abenteuer, die meiner Meinung nach DSA zu dem gemacht haben, was es ist. Und ob man für einen Händler eine Reihe Pakete ausliefert, die Gruftasselplage der Mühle bekämpft, oder sich in einer alt-bosparanischen Ruine mit Untoten, Wasserspeiern und Dämonen geschliffene Fachdiskussionen liefert, bleibt doch immer das, was ich als DSA-Feeling kennen gelernt habe, erhalten.



Dabei hilft natürlich auch, dass man sowohl mit offiziellen DSA-NPCs wie auch mit NPCs, die man in DraSa kennen gelernt hat, wieder zusammentrifft. Forgrimm hat zwar noch seinen Bart, aber er ist deutlich derselbe Zwerg, den man schon bei Drakensang lieben (oder hassen – scheinbar mag ihn nicht jeder) gelernt hat. Auralia ist deutlich jünger, aber ebenso deutlich wieder zu erkennen. Man hat die Gelegenheit Farfara sein Rapier wieder zu beschaffen, damit man es ihm dann in Drakensang in Moorbrück abnehmnen kann… Laurelin und Gwendala haben sich kaum verändert, so ist das nun mal bei Elfen. Auch Archon Megalon scheint bereits damals (kurz nachdem er angeblich bei einem Brand in Havena ums Leben gekommen war) so alt gewesen zu sein wie zu Drakensang-Zeiten. Das hat natürlich auch Nachteile: wenn man Drakensang gespielt hat, ist man in Versuchung eine gewisse Neisbeck vor der Zeit umzubringen; das geht natürlich nicht. Aber man erfährt ein wenig mehr, wie sie zu ihrem Reichtum gekommen ist. Parzalon ist auch wieder zu sehen (siehe etwas tiefer links) – die Parzalon-Fanclubs wird’s freuen -, und Bredo Bento sieht viele Jahre jünger aus – ihn scheint seine Einbeerensucht vor der Zeit gealtert zu haben (siehe Bild oben links).
Der DSA.typische Humor ist auch in großen portionen verteilt werden, was der Stimmung nur gut tut. Om man 'Ma Becker' und ihre Jungs jagt, ein Liebestrung 'geschüttelt, nicht gerührt' wird, ein … jemand … sich als 'Klint Ostwald' vorstellt – es gibt immer wieder etwas zum Schmunzeln. All dies folgt natürlich auch dem großen Rollenspielvorbild, in dem es ebenfalls vor Anspielungen strotzt. Und auch für Kenner der Nordlandtrilogie gibt es Leckerbissen, wie die Goblingöttin Kaysetoost…
Die Spielwelt reagiert auf die Aktionen der Helden. Nicht nur, dass der Zeitungsjunge in Nadoreth seine Schlagzeilen an die aktuelle Geschichte, aber auch an die Entwicklung im Spiel anpasst („Frau küsst Kröte – widerlich“), auch die Bürger Nadoreths passen ihre Geschichten im Laufe der Zeit an, wie schon im ersten Teil. Richtig nett sind aber im Nachhinein sogar die Reaktionen der Staffage, also der Passanten, die einem nichts zu sagen haben. Hatte ich mich noch bei der Demo beschwert, dass die Kommentare doch sehr eintönig seien, muss ich mich hier berichtigen. Zum einen haben die Nadorether auch beim ersten Besuch einige zusätzliche Abfuhren gelernt, aber was noch schöner ist: wenn man später, entsprechend erfahrener, noch einmal Passanten anspricht, reagieren diese zwar immer noch unwirsch, aber wesentlich höflicher. Es sind diese Kleinigkeiten, die dem Spiel Atmosphäre verleihen.
Auch die Begleiter entwickeln sich. Cuanu und Forgrimm, die sich zu beginn kaum leiden können, lernen im Laufe der Zeit miteinander auszukommen, und die Sticheleien werden weniger boshaft und entwickeln sich zu freundlichen Frotzeleien.

>Das ganze Spiel ist deutlich offener. Wenn man eine Queste erhält oder eine Gegend betreten kann, heisst das nicht, dass man schon alle Gegner besiegen kann – während das in DraSa vor allem für 'Mutter Ratzinski' und Ulwine Neisbeck galt (man letztere aber auch mit viel Glück erledigen konnte, wenn man die Aufgabe erhielt), gibt es hier zahlreiche Gegner und Endgegner, vor denen man sich zunächst hüten sollte. A propos Mutter Ratzinski: auch hier gibt es wieder eine Rattenjagd, und man hört von der traurigen Familiengeschichte selbiger.
Geld ist seltsamerweise deutlich knapper als bei DraSa, obwohl das Kräutersammeln einfacher wird: wenn man zum "Farmen“ in kräuterreiche Gegenden geht, stellt man fest, dass diese nach eine gewissen Zeit nachwachsen, und nicht, wie bei DraSa, erst, wenn man die Zone verlässt und wiederkommt. Bei den Kaufwaren herrscht ein auffallender Mangel an zwei Dingen: Heiltränke und Alkohol. Erstere kann man beschränkt selber herstellen (in Ermangelung von Alkohol allerdings in erster Linie als Einbeerensäfte – gut, dass die Spielercharaktere gegen Einbeerensucht immun zu sein scheinen), der Mangel an Alkohol kann dahingegen manchmal jedoch arg stören. Trotzdem kommt man nicht umhin, die auch hier wieder vielfältig umherstehenden Fässer und Kisten zu zerschlagen – wobei sich immer noch niemand dafür interessiert. Es gibt aber auch wieder eine Menge Kosten und sogar Fässer, die man öffnen und wieder verschließen kann.
Notwendig sind die aber nicht: es gibt für die Aufbewahrung von gerade nicht nötigen Utensilien, die man aber nicht verkaufen will, eine 'persönliche Reisekiste‘, die zuerst im Haus des Lehrmeisters steht, und später auf dem Schiff und im Haus des Lehrmeisters (eine Dimensionstechnik, die in späteren jahre wieder verloren scheint), so dass man nicht den Effekt 'Das bräuchte ich, liegt aber in Ferdok im Stadthaus' hat, der in DraSa manchmal ärgerlich war.
Schiff? Ja, ein Großteil der Reisen erfolgt an Bord der Thalaria, dem Schiff aus dem letzten Patch zu Drakensang. Es geht fleißig flussauf- und -abwärts, und ohne Schiff wäre das doch eine arge Wanderei. Dennoch sollte man gut zu Fuss sein, denn die Gegenden sind ziemlich groß und wollen zumindest einmal erwandert werden. Wenn man das tut, werden sogenannte 'Schnellreisepunkte' freigeschaltet, zwischen denen man innerhalb einer Zone – nun eben schnell reisen kann, ohne die dazwischen liegenden Meilen ablaufen zu müssen. Dennoch lohnt es, immer wieder einmal tatsächlich herumzulaufen, damit man auch die dazwischen liegenden neu hinzugekommenen Sidequests findet.
Das Spiel ist schneller ausgespielt als DraSa, was nicht nur an der kleineren Epik liegt. Es ist zwar nicht so tief (lang), aber deutlich breiter. Je nachdem, welchen Beruf der eigene Charakter gewählt hat, ergeben sich nicht nur zu Spielbeginn, wenn die Ausbildung abgeschlossen werden muss, sondern auch später gelegentlich alternative Wege. Es lohnt also, das Spiel mit verschiedenen Charakteren mehrfach zu durchlaufen, weil man manches mit Charakter X gar nicht sieht. So trifft man als kämpferischer Charakter in der Ausbildung auf ein paar Schmuggler – die die, ähem, sozial aktiven Charaktere in einer anderen Aufgabe verfolgen sollen (und Zeuge werden, wie diese von Wölfen überfallen werden), während die Magier erst nach dem Wolfsüberfall auf die Schmuggler stoßen und ihre Leichen finden.
Auch im Laufe des Abenteuers kann man wiederholt verschiedene Lösungswege versuchen. Schleicht man sich mit dem Phexjünger Cuano durch die Keller in die Festung, oder geht man mit Forgrimm und dem Kopf durch die Wand? Vermittelt man zwischen Elfen und Piraten, oder bekämpft letztere, oder findet man noch einen anderen Weg? In der Regel werden die Konsequenzen hieraus auch recht gut umgesetzt, wenn man von einem kleinen Patzer absieht: nachdem man einige Trolle bestochen hat und weitergeht, macht ein Gruppenmitglied einem Vorwürfe, der Kampf sei doch unnötig gewesen – was eigentlich nur getriggert werden sollte, wenn man die Trolle einfach weggehauen hätte.
Alles in allem ist das Spiel erfreulich bugfrei. Nicht völlig – und sogar ich bin in einen hineingerasselt, während ich bei DraSa nicht einen erlebt habe: ein Endgegner, der sich mehrfach zurückziehen musste und wiederkommen, hatte anscheinend keine Lust mehr sich weiter vermöbeln zu lassen. Er tauchte einfach nicht wieder auf, so dass meine Gruppe herumstand und verzweifelt auf den nächsten Angriff wartete – aber auch nicht weiter konnte, weil der Gegner erst noch den Ausgang frei räumen musste. Dies und einige andere Bugs, die im übrigens hervorragenden Forum von DTP zu Drakensang gesammelt wurden, sollen in kürze mit einem Patch gefixt werden. Als besonderen Bonus hat DTP in der Programminstallation bereits ein Update-Programm eingeschlossen, so dass die Patches leicht zu installieren sein sollten.
Mal sehen, ob dann auch der seltsame Effekt verschwindet, dass meine Helden auf Brücken Schatten durch die Brücke hindurch werfen, während die Brücke selber lichtdurchlässig zu sein scheint :)
Grundsätzlich gilt auch hier der Merksatz aller Computerspieler: Save early, save often. Man kann 'schnellspeichern‘, wobei aber immer derselbe Speicherstand überschrieben wird, oder händisch über das Menu speichern, wobei man dem Spielstand auch einen sprechenden Namen geben kann. Gibt man einem Speicherstand einen neuen Namen, wird er automatisch als neuer Spielstand abgespeichert, ansonsten wird nach Nachfrage der alte Spielstand mit demseben Namen überschrieben.
Wie auch schon der erste Teil, benutzt auch AFdZ SecuROM als Kopierschutz, wobei es auch hier wieder ein paar 'Stopper' gibt, mit denen Raubmordkopien 'abgestraft' werden sollen, so zum Beispiel, wenn bestimmte Charaktere, nachdem sie im Kampf K.O. gegangen sind, nicht wieder aufstehen, sondern erst von einem NPC-Heiler geheilt werden wollen. Leider scheint allerdings auch diesmal wieder SecuROM manchmal etwas übereifrig, wenn man die Kommentare im Forum richtig deutet. Mich hat es den Zwölfen sei Dank nicht erwischt, auch wenn ich aus Arbeitsgründen ein 'kritisches Programm' (einen CD-Emulator für Software-Testzwecke) auf dem Computer haben muss. In einem solchen Fall helfen die Leute von DTP (ebenfalls über das Forum) allerdings auch gerne und schnell aus.
Von den ursprünglichen vier Versionen, die man erwerben konnte, sind drei noch verfügbar. Die 'Personal Edition' (ca. 90 €), die man Ende letzten Jahres bestellen konnte, war strengstens limitiert und wurde in der Zeit ausverkauft. Es gibt aber eine 'Collectors Edition' (ca. 60 €), die äußerlich schon mehr hermacht, und eine 'Standard Edition' (ca. 40 €), die sich nur in der Verpackung und kleinen Goodies von der CE unterscheidet, sowie eine Downloadversion (ebenfalls ca. 40 €), die natürlich keine DVD oder Spielanleitung auf Papier oder ähnliches anthält. Wenn (gerüchteweise verlauteten Mai und August als mögliche Termine, aber genaueres ist noch nicht bekannt) die internationalen Versionen (Englisch, Französisch, Polnisch…) erscheinen, hat man ja vielleicht noch eine Chance… Auch wenn man sich auf die Downloadversion oder die SE beschränkt, ist es m.E. dennoch eine gute Wahl. Am Fluss der Zeit muss sich nicht vor der internationalen Konkurrenz verstecken. Im Gegenteil.

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