Wenn man sich heutzutage umschaut, hört man die 'alten' Glaubenskriege um 'das bessere System' heutzutage beinahe gar nicht mehr. Stattdessen tobt seit einiger Zeit der Krieg 'Old School' gegen 'New School‘, wobei die Begriffe von den Anhängern der 'Old School' ursprünglich geprägt wurden, heute aber auf beiden Seiten Verwendung finden. Die einen werfen der Old School vor, ewiggestrig und verknöchert an den alten Zöpfen festzuhängen, während in der Gegenrichtung gerne Worte wie 'Willkür-Spielleiter‘, 'Fluff' und ähnliche verwendet werden. Aber über diesen Gegensatz will ich jetzt gar nicht schreiben.
Schließlich erscheint heute beim Uhrwerk-Verlag die Druckausgabe von Dungeonslayers (4), nachdem bereits einzelne Exemplare auf den internationalen Spieltagen zu bewundern waren. Das taschenbuchgroße Werk enthält alles, was man zum Spielen braucht – und mehr. Und es ist eindeutig Old School.
Wie definiert sich diese 'Old School' eigentlich? Auch wenn es da sicher so viele Definitionen gibt wie Spieler, dürften sie in einigen Punkten übereinstimmen: ein kurzes Regelwerk mit wenigen, aber deurlichen Regeln, eine Ausrichtung der Regeln auf den Kampf, und wenig bis keine 'Stimmungstexte' in den Regelbüchern. Wenn man sich zum Beispiel das originale D&D ansieht, oder auch das erste Spielerhandbuch von AD&D, sieht man, was gemeint ist – oder auch das Regelwerk von Dungeonslayers.
Mit nur 160 Seiten in DIN A5 ist das Regelwerk eindeutig kurz, und von diesen Seiten sind nur 10 Seiten Regeln (Proben, Kampf, Magie und Heilung) und 16 Seiten Charaktererschaffung. Hinzu kommen noch 30 Seiten mit Zaubersprüchen (wie der Name bereits andeutet, ist es als Fanatasy-System entworfen), 21 Seiten Talentbeschreibungen, etwas über 40 Seiten Spielleitertipps, drei kurze Abenteuer, eine Spielwelt-Kurzbeschreibung, und Anhänge (Beutetabellen, Miniaturen. Völkerbaukasten für eigene Fantasy-Völker), Feuerwaffen, Index und ein kopierbarer Charakterbogen. Es fällt hierbei auf, dass die Talentbeschreibungen mehr Platz einnehmen als die Kampfregeln, was ein wenig der 'Old School' zu widersprechen scheint.
Das Buch ist im Regelteil – abgesehen von den Beispielen, die die Details gut erhellen – gänzlich frei von Fluff- (Stimmungs-)Texten. Es liest sich dadurch ziemlich trocken, aber dennoch nicht langweilig – dafür sind die Regeln zu kurz. Auf wenige Begriffe heruntergebrochen, stellen sie sich wie folgt dar:
Ein Charakter hat drei Attribute, sechs Eigenschaften, Kampfwerte, eine oder zwei Klassen, und Talente. Die Attribute (Körper, Agilität und Geist) sind jeweils an zwei Eigenschaften (Körper: Härte und Stärke, Agilität: Bewegung und Geschick, Geist: Aura und Verstand) zugeordnet. Die Werte werden mit einem Kaufsystem ermittelt, wobei 20 Punkte auf die Attribute verteilt werden dürfen (Wertebereich 4-8), und dann noch einmal 8 Punkte auf die Eigenschaften (Null ist möglich). Je nach Volk und Klasse (man könnte auch sagen: Rasse und Beruf) gibt es dann noch einen Bonus.
Klassen gibt es grundsätzlich drei: Krieger, Späher und Zauberwirker, wobei letztere unterteilt werden in Heiler, Zauberer und Schwarzmagier. In ihren speziellen Bereichen (Heilung und Defensive bzw. Schaden und Offensive) sind Heiler und Schwarzmagier dem Zauberer leicht überlegen, dafür ist der Zauberer aber eben ein Allrounder.
Die Kampfwerte werden nach recht einfachen Formeln aus den Attributen und Eigenschaften errechnet und auf dem Charakterbogen in eine Leiste mit Symbolen eingetragen, die einigermaßen selbsterklärend sind. In der Illustration sind das in Reihenfolge: Lebenskraft, Abwehr, Initiative, Laufen, Schlagen, Schießen, Zaubern und Zielzauber. Diese Werte können auch durch Ausrüstung, Magie etc. verändert werden.
Außerdem hat jeder Charakter ein (Menschen zwei) Talent(e), das abhängig von der Klasse aus einer kurzen Liste gewählt werden kann. Sie ähneln stark den Sonderfertigkeiten beim Schwarzen Auge – man kann viele zwar in mehreren Stufen erwerben, aber man hat sie oder man hat sie nicht.
Wenn man dann im Abenteuer Erfahrungspunkte gesammelt hat, kann man nach einiger Zeit Stufen aufsteigen. Die Tabelle der Stufenaufstiege sieht für den Experten bekannt aus: es ist grundsätzlich dieselbe, die zu Beginn bei DSA benutzt wurde. Also eine mäßig quadratisch steigende Kurve, nicht die steile Quadratfunktion von D&D. In einer neuen Stufe erhält man einen Talentpunkt (gleichbedeutend mit einem neuen talent oder einem neuen Rang in einem vorhandenen Talent), und zwei Lernpunkte. Für Lernpunkte kann man Eigenschaften, Lebenskraft, Sprachen, Schriften – oder auch Talentpunkte kaufen, wobei sich hier das Sparen lohnen kann, denn je nach Klasse kosten manche Steigerungen drei Lernpunkte, andere nur einen. Zauber erlernt ein Zauberweber beim Erreichen einer neuen Stufe 'automatisch' – man muss also nicht wie bei AD&D würfeln, ob man den Zauber kapiert -, man muss allerdings über eine Quelle für den Zauber verfügen. Insgesamt erhält man so viele Zauberstufen hinzu wie man soeben als neue Stufe erhält – ein fünftstufiger Zauberer könnte also zum Beispiel einen zweit- und einen drittstufingen Zauber erwerben, oder fünf erststufige, oder…
Neben den Klassen gibt es auch sogenannte Heldenklassen, die am ehesten den Prestigeklassen bei D&D 3 entsprechen. Jede Klasse (Heiler, Zauberer und Schwarzmagier getrennt) erhält die Möglichkeit, ein von drei spezifischen Prestigeklassen zu wählen. Dadurch wird das Steigern zwar schwerer, aber man erhält Zugang zu interessanten Talenten, die die Basisklasse nicht erreichen kann.
Proben und Kämpfe sind leicht abzuhandeln, wobei ein 'Unterwürfelmechanismus' wie bei DSA verwendet wird, gleichzeitig aber dennoch so hoch wie möglich gewürfelt werden sollte. Bevor jetzt die Fragezeichen erscheinen: so hoch wie möglich, aber kleiner oder gleich dem Zielwert.
Der Zielwert ist meist Eigenschaft plus Attribut (plus ggfs. Modifikatoren), der Würfel ist ein W20. Bei vergleichenden Proben wird der Würfelwert verglichen, wenn beiden die Probe gelungen ist. Wenn nur einem die Probe gelang, hat der gewonnen, wenn keinem die Probe gelang, kann es zu einer neuen Runde kommen. Und ja, Einsen und Zwanzigen zählen auch als Patzer bzw. automatische Erfolge.
Im Kampf zählt der Würfelwurf auch gleichzeitig als Schaden. Es sieht also so aus: erst würfelt der Angreifer, ob er trifft. Wenn die Probe Erfolg hatte, zeigt der Würfel gleich auch den Schaden an (so dass jemand, der eine höhere Fertigkeit hat, auch Chancen hat, mehr Schaden zu machen). Der getroffene würfelt dann eine Abwehr, bei Erfolg darf er die Augen des Abwehrwurfes vom Schaden abziehen. Achja: wenn die 'Zielzahl' über 20 kommt, wird mehrfach gewürfelt: der erste Wurf ist nur interessant, wenn es ein Patzer ist (alles andere trifft), der zweite geht dann auf Zielzahl -20, der dritte ggfs. auf Zielzahl -40 etc. Da de Schaden / Erfolg vom Würfelwert abhängig ist, muss allerdings jeder Wurf gewürfelt werden, auch wenn er (als zweiter einer Reihe) gar nicht schiefgehen kann.
Das waren schon die Kampf- und Probenregeln. Die Liste der Zaubersprüche ist nett, und ich hatte auch nicht den Eindruck, dass da ein Zauber überpowert wäre.
Der Teil für den Spielleiter ist interessant zu lesen, und dürfte auch für erfahrene Spielleiter hin und wieder zu Aha!-Effekten oder zu Erinnerungen 'da müsste ich auch ofter dran denken' führen. mir hat er jedenfalls sehr gut gefallen. Hier findet man dann auch Regeln, wie magische Gegenstände hergestellt werden können, Monsterwerte und so weiter.
Die Abenteuer sind nette Kurzabenteuer. Im ersten soll man für einen Wirt Ratten jagen, die seine Vorratskammer überfallen, im zweiten einen Händler auf der Reise begleiten. Beide Abenteuer sind mit jeweis vier Seiten (zwei A4-Seiten) kurzt und knackig, bieten aber trotzdem nette Wendungen, auch wenn 'erfahrene' Abenteurer sie vielleicht vorhersehen können. Das letzte Abenteuer ist dann ein 'klassischer' Dungeoncrawl, es geht in eine ehemalige Burg, in der jetzt Räuber oder so hausen sollen. Auf acht Seiten ist ein kompletter Dungeon mit einigen netten Überraschungen errichtet.
Die Welt (Caera), die als Abenteuerwelt angeboten wird, ist ziemlich klein – man fühlt sich, was die Ausdehnung und das 'Aufeinander' verschiedener Kulturen betrifft, unwillkürlich an Aventurien oder die Known World erinnert. Die scheinbar grenzenlosen Weiten beispielsweise der Forgotten Realms hat man hier nicht – aber dafür als Spielleiter auch nicht so sehr das Problem, die Charaktere von Punkt A nach Punkt B zu bringen. Reisen sind dahingegen eher kurz, was den Eindruck der Old School noch einmal verstärkt. Eine halbe Tagesreise vom Dorf liegt der Dungeon mit dem Schwarzmagier — so haben doch wahrschienlich viele einmal angefangen…
Für unter 18 Euro erhält man das Regelwerk als 'Totbaumversion'. Die vorherige Version (3.5) ist auf der Webseite auf Englisch, Spanisch, Französisch und Italienisch zu downloaden, diese Version steht unter einer CC-BY-NC-SA-Lizenz. Die Charaktererschaffung weicht ein wenig ab, aber grundsätzlich scheinen die Versionen kompatibel zu sein. Außerdem findet man auf der Dungeonslaysers-Webseite Zusatzmaterial (zu V. 3.5) zu Feuerwaffen, Alchimie und Schmiedearbeiten – größtenteils in v4 eingebaut -, einen Charakterbogen, Karten und Tabellen zu Caera, 13 'normale' und ein weihnachtliches Abenteuer (als 'Dungeon 2 Go‘, also kurz, so dass sie idR an einem Abend durchgespielt werden können), und weiteres Material.
Was mir ein wenig aufgefallen ist: der ansonsten bei einem Namen wie 'Dungeonslayers' zu erwartende aufgesetzte Humor fehlt angenehmerweise völlig. Wenn man von dem Namen des Systems absieht (und den wohl ungewollten Seitenhieb mit der neuen Version als DS4, sowohl gegen das optisch nahezu gleich aussehende DSA als gegen die ebenfalls vierten Versionen von DSA und D&D, die zur Zeit aktuell sind), ist es wirklich ein 'klassisches' Dungeoncrawl-System, das durch die breite internationale Unterstützung und Fanbasis sicher alle Chancen hat, größer zu werden – verdient hat es das alle Mal. Es hat sogar in meinen Augen einen Vorteil gegenüber beispielweise LabyrinthLord: es klammert sich nicht so sehr an (A)D&D, dass es versucht, das System nachzubauen, sondern ist ein eigenständiges System, das gut ausgewogen scheint und Lust macht, wieder einmal einen Dungeon zu plündern…
Hersteller | DungeonSlayers und Uhrwerk-Verlag |
Autor | Christian Kennig |
Spieler | RPG |
Denken | RPG |
Glück | RPG |
Geschicklichkeit | RPG |
Preis | € 17,95 |
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