Siezgelegenheit

Flamebait

In einem kleinen Forum nicht weit von hier (ich lasse 'mal die Namen weg, denn wer das Forum kennt, weiss, wovon ich spreche, wer es nicht kennt, hat wahrscheinlich mit den Systemen des Forumsbetreibers doch nichts am Hut) wird 'mal wieder geputzt. Nicht nur, dass die Moderatoren bei Beleidigungen und Flames einschreiten (was ja auch nur gut und richtig ist), nein, auch kleine sprachliche Schnitzer und Kraftausdrücke werden jetzt – teilweise längere Zeit im Nachhinein – durch die Moderatoren editiert.

Einmal abgesehen davon, dass das natürlich erst einmal rein rechtlich fragwürdig ist, auch wenn die neueren Forumsmitglieder seit einiger Zeit beim Registrieren die Regeln gesehen haben, ist die plötzliche Durchsetzung der Regeln in so unerwarteter Weise doch eher kritisch zu sehen. Und wenn die Aussage durch das Weichspülen sinnentstellend verändert wird, könnte das zu üblen Konsequenzen führen.

Sinnentstellend? Man kann durch das Weichspülen auch beleidigend werden. Hier ein rein theoretisches Beispiel: Man nehme nur an, jemand hat geschrieben "Frei nach TicTacToe – Auf die Schnelle wird das hier 'ne Riesenwelle. Ich find das Scheiße“. Und die 'weichgespülte Version' endet dann ohne weitere Veränderungen auf "Ich find das gar nicht gut“. Was bei entsprechender Regelung (Das S-Wort streichen) ohne weiteres vorkommen kann. Nur muss der Originalposter sich dann später anhören, dass er ja noch nicht mal TicTacToe halbwegs richtig zitieren kann. Kann man da nicht vielleicht sogar eine Gegendarstellung verlangen? (IANAL) 'Durch das Posting wird der Eindruck erweckt, ich könne nicht richtig zitieren. In Wirklichkeit hatte ich aber mit den Worten … richtig zitiert.' Wer weiss, vielleicht will ja jemand noch Minister werden, und hat Angst, für falsches Zitieren geguttenbergt zu werden…


Was mich aber wirklich amüsierte, war die 'Regelauslegung' "Nichts, was man nicht auch in einem Vorstellungsgespräch sagen würde.“ 


Was ist daran so amüsant, mögen sich manche fragen – auch ohne nur mit Schlips und Hemd zu posten, wie es in einem anderen Forum geschlussfolgert wurde, kann das nur zu Verwirrung führen. Ich habe in meinem Leben bereits eine Reihe Vorstellungsgespräche mitgemacht, sowohl in Deutschland und den Niederlanden als auch bei den Amerikanischen Streitkräfte in Deutschland. Und alle drei genannten Kreise hatten ganz andere Bedingungen für die Gespräche.


Irgendwie ungewohnt, so eine Siezgelegenheit – denn auch heute noch dürfte es in Deutschland üblich sein, den potentiellen Arbeitgeber bzw. dessen Vertreter zu siezen. In anderen Ländern – tja , in den USA gibt es den Unterschied zwischen Sie und Du nicht, und man redet das Gegenüber so an, wie es sich vorgestellt hat: hat er/sie den Nachnamen verwendet, benutzt man ihn auch, wenn der Vorname zur Vorstellung verwendet wurde, reicht der. In NL ist das 'je' (Du) sogar die Regel, und für ein 'U' (Sie) wird man hierzulande schief angesehen. Aber in Deutschland… Und wenn mir in einem deutschen Forum geasagt wird, dass ich mich wie bei einem Vorstellungsgespräch verhalten solle, muss ich das doch als 'in einem deutschen Vorstellungsgespräch' auslegen, oder nicht? Wobei fraglich ist, ob ich in so einem Forum überhaupt noch posten will, wenn ich weder französische Generäle (Cambronne), noch Deutsche Literaturklassiker (Goethe – nur echt wenn 'im' geleckt wird…), noch bestimmte Bibelstellen (Jes 23,16) zitieren kann, ohne dass mir die Zitate dann abgeändert werden.


Wenigstens ist das eine Regel, die der Poster der Regelauslegung selbst bricht: er redete noch wenige Stunden vorher in einer anderen Diskussion selbst sein Gegenüber mit 'Du' an…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert