Masters of Venice
Man hat es nicht leicht als Handelsherr. Alles, was man tut, verändert die Preise, und die Konkurrenz schläft nicht. Wo auch immer man hingeht, es ist wie beim Hasen und dem Igel: 'Ich bin schon da!' Da macht es richtig Spaß, wenn man selber einmal das den anderen zurufen kann.
Das ist die Situation im Brettspiel Masters of Venice‘, in dem man genau so einen Handelsherren in Venedig spielt. Beginnend mit einem kleinen Startkapital ist das Ziel, der einflussreichste Spieler am Tisch zu werden. Hierfür gibt es eine Hauptstrategie: billig einkaufen und teuer wieder verkaufen.
Die große Spieleschachtel ist gut gefüllt. Im einzelnen findet man hier:
- den Spielplan
- eine Gondelfigur
- fünf Geschäftstafeln mit Angebotsleiste, Waren- und Aktienpreisliste
- einen Gondelmarker
- je 10 Anteilscheine von jedem der fünf Geschäfte und von zwei Frachtbüros
- 6 Begünstigungen (Unterstützungsscheine der Kirche)
- ein Stoffbeutel für die Warenmarker
- je 15 Warenmarker (Holzwürfel) in grau, braun, rot, gelb, grün und schwarz für die verschiedenen Warensorten
- 15 Gerüchtskarten
- 5 Spielfiguren
- 10 Spielmarker
- 10 Markierungsstifte
- 6 Charakterkarten
- 21 Auftragskarten der Gilde
- Münzen (insgesamt 132 Stück in verschiedenen Nennwerten)
- die Spielregel (in Englisch und Deutsch, jeweils ein Heft mit 12 Seiten)
Das Material ist brauchbar: die Spielfiguren sind zwar einfache Plastikpöppel, wie sie vor vielen Jahren die Standardfiguren im Monopoly waren, und die Markierungsstifte sind ebenfalls aus Plastik – aber, da sie genau in die Löcher auf den Geschäftstafeln passen müssen, dürfte das bei ihnen sogar günstig sein, da Plastik in der Regel weniger Produktionsvarianz aufweist :)
Das meiste andere Spielmaterial sieht ganz einfach schön aus, und man erkennt sofort, was es darstellen soll. Leider gibt es hierzu eine Ausnahme: der Spielplan selber ist zwar wunderschön im venezianischen Stil gehalten, und bietet auch für alles genügend Platz, aber durch die ganzen Details wirkt er auch ziemlich unübersichtlich.
Das Spielmaterial selber ist in Englisch gehalten, sollte aber mit Basiskenntnissen Englisch keine Probleme machen – abgesehen von den Bezeichnungen der verschiedenen Läden handelt es sich größtenteils um Flufftexte, die zwar die Aktionen gut in den Hintergrund einbinden, aber keine weiteren Auswirkungen zeitigen.
Das Spiel beginnt nach dem Aufbau (jeder Spieler erhält 150 Dukaten sowie eine Aktie eines Händlers) mit einer Bietrunde: vom Startgeld (15) Dukaten bietet jeder Spieler verdeckt einen Betrag, mit dem die Spielreihenfolge für die nächsten drei (Handels-)Runden festgelegt wird. Diese Reihenfolge wird auf dem Spielbrett festgehalten, damit man nicht im Eifer des Gefechts jemanden überspringt – und wie in einem Handelsspiel üblich, kann die Teihenfolge der Spieler sehr wichtig sein. Und das, obwohl die meisten Aktionen auf 'gemeinsamen Feldern' ausgeführt werden: nach dem aktiven Spieler dürfen auch die anderen 'ran.
Wer das höchste Gebot hat (bei Gleichstand entscheidet der jeweils zugeteilte Anteilsschein, bei späteren Bietrunden der gesamte Aktienbesitz), darf sich als erster eine Rolle wählen: der Händler darf besonders viel Handel treiben, der Gildenmeister hat größere Auswahl bei Gildenaufträgen, der Steuereintreiber kassiert immer eine zusätzliche Dividende etc. Wer das niedrigste Gebot gemacht hat, erhält allerdings nicht die Wahl, sondern zwingend den Gondoliere: er darf einmal in den drei Runden die Spielreihenfolge unterbrechen und sich selbst an die aktuelle Position setzen für eine Aktion. Außerdem erhält er zusätzliche Gerüchtekarten. Allerdings ist der Preis hierfür höher als nur 'Du bist immer zuletzt dran‘: für das abgegebene Gebot kann man auch Warenwerte verändern, und zwar relativ günstig. Der Gondoliere hat aber eben das niedrigste Gebot abgegeben…
Nach jeder Bietrunde folgen drei Handelsrunden. Dargestellt wird das durch einen Kanal mit insgesamt 16 Feldern, auf denen viermal eine Gondel abgebildet ist: wenn die Gondel erreicht wird, ist eine Bietrunde angesagt. In jeder Handelsrunde entscheidet sich jeder Spieler zunächst, wo er auf jeden Fall etwas tun will, und stellt auch das wieder verdeckt auf seiner Bietscheibe ein. Das darf allerdings nicht derselbe Ort sein, wo er sich gerade befindet.
Aktionen finden 'in Spielerreihenfolge und nach Orten getrennt' statt. Das heißt, es wird erst der Ort abgehandelt, an dem sich der erste Spieler der Bietreihenfolge befindet. Hier dürfen zunächst die Spieler, die sich hierhin begeben wollte, handeln und danach ggfs, die übrigen Spieler wieder in der Bietreihenfolge. Man hat also am gewählten Ort nur einen zeitlichen Vorteil, und das dann am selben Ort in der nächsten Runde sicher nicht. Die einzigen Orte, die man nur verwenden kann, wenn man sie auf der Scheibe eingestellt hat, sind die Kirche (wo man Begünstigungen kaufen kann, mit denen man Preise verändern kann ohne Waren oder Anteile zu kaufen oder zu verkaufen) und die Frachtbüros, wo man zusätzliche Waren in den Kreislauf einbringen kann.
Man wählt also seine Orte, kauft Waren und verkauft sie wieder – oder erfüllt die Gildenaufträge, die man auf der Hand hat. Bei Warenverkäufen und Gildenaufträgen muss man allerdings noch im Auge behalten, ob genug Nachfrage besteht, notfalls muss man diese erst erhöhen.
Wenn Waren verkauft werden, erhält nicht nur der Verkäufer Geld, sondern außerdem jeder Anteilseigner des Ladens bzw. des Frachtbüros eine Dividende. Die Höhe ist natürlich abhängig vom Verkaufspreis.
Wenn die sechzehn Runden um sind, wird abgerechnet. Noch vorhandene Waren werden mit einem Strafzoll von 50% ihres Wertes veranschlagt, jeder nicht erfüllte Gildenauftrag kostet 2 Siegpunkte. Erfüllte Gildenaufträge liefern Punkte, wobei die Gildenaufträge mit der Erfüllung von Einzelaufträgen immer wertvoller werden. Außerdem wird der Wert der Aktien berechnet, sowie der dfes Bargeldes. Für jeweils 100 Dukaten gibt es in beiden Kategorien einen Siegpunkt. Bei Gleichstand entschiedet der Bargeldwert, dann der Wert der Anteile; sollte das ach beides gleich sein, teilen die Spieler sich den Sieg.
Das ganze ist ein nicht ganz einfaches Handelsspiel – man muss es schon ein paarmal gespielt haben, bevor man die ganzen Feinheiten begreift. Auf der Webseite des Herstellers gibt es eine sehr nützliche Übersichtskarte (PDF) zur Zugreihenfolge und den Aktionen zum Download, die sollte man auf jeden Fall nutzen.
Wichtig ist aber in erster Linie, dass man den richtigen Zeitpunkt erwischt. Wenn man am Ende des Spiels auf Waren sitzen bleibt, ist das ärgerlich – wenn man die aber verkauft, verkaufen andere womöglich vor einem ihre Anteile in den Läden, und dann gehen die Kurse runter bevor man selber verkaufen konnte. Wenn man aber zu früh seine Anteiel verkauft, gehen einem womöglich hochinteressante Dividenden durch die Lappen.
Dadurch, dass man auch an Orten etwas tun kann, die man selber nicht gewählt hat, ist die Ortswahl nicht so tödlich entscheidend wie in manchen anderen Spielen, aber es kann schon sehr ärgerlich sein, wenn man an bestimmten Orten eben nur relativ spät in der Runde nach allen anderen dran ist. Andererseits kann man so seine Position ausnutzen: ich verkaufe im Laden meine Waren, während Spieler B noch keine hat, und kann dann, wenn B seine Waren kauft, selber auch neue Waren anschaffen.
Auch wichtig ist eine Regel, die mancher Anfänger des Spiels gerne ignoriert: man kann auch Siegpunkte gegen Gold tauschen – jeder Siegpunkt bringt 50 Duaten. Das klingt nach einem schlechten Geschäft, denn bei der Endabrechnung bringen je 100 Dukaten erst einen Siegpunkt, ist aber dennoch ein wichtiges Finanzierungselement: die 50 Dukaten, gerade wenn man sie früh im Spiel hat, können ohne weiteres durch halbwegs geschicktes Handeln auf 500-700 Dukaten anwachsen (der Wertzuwachs des ansonsten vorhandenen Geldes bereits herausgerechnet), was sich ganz einfach rechnet. Dividendenzahlungen sind zwar nett und schön, es macht aber oft mehr Sinn, das Geld wieder in Waren zu investieren.
Betriebswirte würden sagen: dieses Spiel stellt die Bedeutung des Cash-Flow für ein Unternehmen in eindrucksvollem Maße dar. Und sie hätten recht. Statisches Geld (Anteilsscheine oder gar unverzinste Siegpunkte) sorgen nur in sehr kleinem Maße für Unternehmensgewinne, das Hauptresultat kommt aus Ausgaben und Einnahmen.
Das Spiel erschließt sich nicht jedem sofort: wer erwartet, nach einer kurzen Einführung bereits zu wissen, worauf es ankommt, wird schwer enttäuscht werden. Bei vielen 'klickt' es erst beim zweiten, dritten Spiel – plötzlich erkennt man, worauf es ankommt (oder ankommen kann: es gibt viele verschiedene Wege, die man einschlagen kann, die ähnlich gut sind, und die von den jeweiligen Spielumständen abhängen).
Durch die Komplexität ist Masters of Venice sicher kein Spiel für jedermann, aber wer Freude hat an Handelssimulationen (Merchants of Venus, 18xx …) hat hier eine interessante Alternative. Man muss nur entsprechend Zeit mitbringen: eine Partie dauerte bei uns eher im Bereich von 3-4 Stunden, während der Verlag eher von 2-3 spricht.
Die Zahl der Spieler ist tatsächlich ziemlich frei: zu fünft macht das Spiel eben viel Spaß wie zu zweit – beim Spiel zu zweit erhält jeder Spieler zwei Charakterrollen, wobei der niedriger bietende immer noch den Gondoliere als eine der beiden Rollen erhält.
Hersteller | R&R Games |
Autor | Frank DiLorenzo |
Spieler | 2-5 |
Denken | 10 |
Glück | 6 |
Geschicklichkeit | 0 |
Preis ca. | € 27,00 |
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