Auferstanden aus Ruinen

Thalassa und der Bettlerkönig

Nein, hier geht es nicht um eine Aufarbeitung der jüngeren deutschen Geschichte. Viel jünger als diese Gesschichte (und damit auch als diese ehemalige ostdeutsche Nationalhymne) ist der Band Thalassa und der Bettlerkönig von Midgard.

Der Hardcoverband hat das bei Midgard für Regionalbände übliche Format von ca. 200 Seiten – die hier wohl ziemlich genau eingehalten werden, von der Seitennummerierung ausgehend. Auf dem Cover sieht man ein paar Succubi in einer Ruinenstadt – ein Cover, das so in den USA sicher nicht verkauft werden dürfte. Dort ist man ja bekanntlich arg verklemmt, was unbekleidete weibliche Oberkörper angeht…

Bleiben wir bei den Äußerlichkeiten: der Vorsatz ist kräftig dunkelgrün, Am Buchende ist hier eine Kartentasche eingeklebt mit einer Karte von Nyktoros, einer nicht nur von den Namen und der Landkarte her an das klassische Griechenland erinnernde Halbinsel im Südwesten von Chryseia, also im Südosten von Vesternesse. Abgesehen von dieser schönen Farbkarte und dem Umschlag ist das ganze Buch schwarzweiß, und enthält noch mehrere Schwarzweißkarten im laufenden Text. Allerdings ist ihre Anzahl – wie auch die der Illustrationen – recht klein, wenn man den Band mit Produkten anderer Rollenspiele vergleicht.

Auch zeichnen sich die Stadtteilkarten dadurch aus, dass sie zwar die Position bestimmter Etablissements / NSCs wiedergeben, aber nur die allerwichtigsten Straßen und keine Indikation geben, wie es in diesem Stadtteil genauer aussieht. Das ist sicherlich zum Teil der bewegten Geschichte und der Größe Thalassas geschuldet, wirkt aber eher störend. Besonders auffallend wird das natürlich durch diue Tatsache, dass der erste Stadtplan – das 'alte Thalassa' sogar einzelne Häuser wiedergibt (allerdings handelt es sich hierbei auch um eine deutlich kleinere Ansiedlung). Ebenfalls ein wenig störend wirken die Grundrisspläne der Häuser, die mich unwillkürlich an meine allerersten gekauften Rollenspielabenteuer erinnerten – und damals gab es gerade von Midgard wiederum hervorragend gezeichnete Grundrisse. Ohne alles Interieur, nur "Rechtecke auf weiß mit Raumnamen“, wirken die Grundrisse doch arg steril und klinisch.

Ganz und gar nicht steril und klinisch sind dagegen die Beschreibungen des Bandes. Der Hintergrund Thalassas – ehemalige Hauptstadt der Seemeister, durch einen Vulkanausbruch und den Krieg, in dem diese untgergegangen sind, nahezu komplett zerstört, jetzt nur noch wenige Bevölkerungs-„Taschen“ in einer Ruinenlandschaft, regiert von einem Bettlerkönig, aber hauptsächlich in Anarchie… – wirkt stimmig und wird auch gut im Buch umgesetzt.

Ein paar kleine Unklarheiten, die nach der Lektüre des Bandes entstehen könnten, werden im entsprechenden Thread im Midgard-Forum aufgeklärt, so dass auch hier alles gut ist.

Was mich vor allem beeindruckt hat: die schiere Menge der Abenteueraufhänger, die sich aus dem Text ergeben. Viele Sachen werden mit Conjuntivus potentialis angedeutet, oder bewusst offen gelassen, und man beginnt unwillkürlich, sich Notizen zu machen, was man wo mit seinen Spielern anstellen kann – sogar, wenn man keine laufende Kampagne auf Midgard hat.

Die Illustrationen finde ich stimmig und gelungen, und kann dem Vorwurf aus o.g. Thread, dass sie arg comichaft scheinen, nicht zustimmen. Eher sind sie etwas zu selten. Um noch einmal auf den Kommentar zum Titelbild zurückzukommen: auch das Bild auf S. 101 würde in den USA wohl hochgezogene Augenbrauen hervorrufen, aus demselben Grund. Nett die Begründung, wieso auf dem Bild eine Fischverkäuferin gerade ihr Oberteil in 'unschickllicher' Weise lupft – aber wenn man die dazugehörige Erklärung liest, sit alles stimmig und glaubhaft. Mehr will ich hier nicht verraten, um hier nichts vorzeitig auszuplaudern, was mancher Spielleitetr evtl. noch in seiner Runde themastisieren will.

Mir sind such beim Lesen nur wenige Schreib- und Setzfehler aufgefallen, und sicher keine solch genierlichen Sachen wie der Buchrücken des Nihavan(d)-Bandes. In dieser Beziehung können manch andere Hersteller sich eine Scheibe bei den Midgard-Werken abschneiden. (und dieses Blog wohl auch…)

Alles in allem ist Thalassa und der Bettlerkönig ein Hintergrundband, der auch für nicht-Midgardspieler sehr brauchbar ist – viele der Ideen kann man nahezu unverändert in andere Fantasy-Kampagnen übernehmen -, und für Midgard-Spielleiter fast schon ein Muss ist. Für unter 30 Euro gibt es genug Material, dass man jahrelang spielen könnte.

Hersteller Verlag für F&SF Spiele
Autoren Carsten Wille, Christoph Tinius, Dirk Richter (Ed.), Rico Nieling, Gerd Hupperich und Jürgen E. Franke (Ed.)
Spieler RPG
Denken RPG
Glück RPG
Geschicklichkeit RPG
Preis ca. 29,95 €

 

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