Die Amizaras-Chronik 1 – Aschamdon
Auf der RPC fand man voriges Jahr einen Stand, der von den Besuchern ein wenig links liegen gelassen wurde – und auch mir wäre er beinahe nicht aufgefallen. Ein kleiner Verlag stellte ein einzelnes Buch aus, das allerdings von der Aufmachung her sehr ansprechend war. Nun ja, ein Buch zum Lesen ist vielleicht für den Rollenspieler an sich kein so ungewohntes Phänomen – den Computerspielern auf der RPC vielleicht eher – aber auf der RPC ging offensichtlich das Interesse der Besucher aus nach "Erlebbarerem“. Was schade ist, denn auch dieses Buch muss man erleben.
Inzwischen habe ich mir das Buch zu Gemüte geführt, und muss sagen: Huiiii. Der Wälzer – denn mit weit über 700 Seiten darf man den Begriff wohl wirklich verwenden – hat es in sich, Und das nicht nur, was die Aufmachung angeht.
Aber fangen wir vorne an.
Schon der Einband ist ungewöhnlich – zwar ein normaler Kartoneinband (ja, es ist ein Hardcover), mit einem Marmormuster und einer achtstrahligen "Brosche“. Auf einem schwarzen vertikalen Seitenbalken der Name des Autors – Valerian Çaithoque – und der Titel des Buches, wobei auf dem Frontcover nur der Name und nicht der Name der Serie steht. Das war wahrscheinlich unter anderem der Tatsache geschuldet, dass man (laut Aussage der Vertreter auf der RPC) nicht sicher war, ob der zweite Band es überhaupt schaffen würde. Andererseits ist das Buch mit 24,80 Euro sehr günstig, und angesichts der Dicke und der Aufmachung sicher nicht überteuert.
Neben hervorragender physischer Arbeit ist auch das Lay-Out sehr ansprechend. Der Text ist durchsetzt mit Bildern – Strichzeichnungen hervorragender Qualität -, die mehr tun als nur den Text illustrieren. Teilweise erweitern sie den Text, geben kleine Rätsel wieder, und vertiefen das Erlebnis noch. In einer ganz einfachen Fassung (mehr wäre allerdings in einer Totbaumversion ja auch gar nicht möglich) ist es ein echtes multimediales Erlebnis.
Worum geht es in dem Buch: zuallererst um zwei Geschichten, die ineinander verschränkt erzählt werden.
Da ist zum einen die Geschichte von Rafaela, die 1944 mit 16 Jahren ihren Vater in einem Bostoner Gericht umbringt, weil es aussieht als würde er der Anklage, ihren Bruder umgebracht zu haben, entkommen. Dies hat ihr ein gewisser Aschamdon eingeredet, der sie Jahre später aus dem Irrenhaus, in das sie eingewiesen wurde, holt, damit sie für ihn ein Artefakt von einem Orden stiehlt. Sie wird Ordensschwester und begegnet in der Ordensburg (unterhalb von Rom!) unter anderem einer Menge Leute, die eigentlich tot sein müssten. Als sie dann schließlich das Artefakt erlangt und Aschamdon gibt, bietet der ihr an, ihr das Wissen um das ewige Leben zugänglich zu machen, wenn sie weiter für ihn arbeitet…
Zum anderen ist da im Jahr 2002 der – zu Beginn – Unsympath und Egomane Atila. Der ist Kunsthändler und eigentlich nur hinter dem Geld her. Wäre da nicht Liya – ein Mitglied desselben Ordens, dem Rafaela das Artefakt abgeluchst hat -, die verschwunden ist: ein gewisser Sarasthoas schickt ihn auf eine Suche nach einem Artefakt, begleitet von Liyas Schwester und einigen anderen seltsamen Typen.
Beide, sowohl Rafaela als auch Atila, werden hierbei gesteuert von sogenannten Ariach, man könnte ihre Rolle in der Welt grob verallgemeinernd als Proto-Engel beschreiben. Sie sind anscheinend die Basis, auf der sich die Engelsgeschichten entwickelt haben – und sie sind sich alles andere als einig. Zwei Fraktionen kämpfen hierbei gegeneinander, wobei die eine Seite auch den Orden leitet. Hieraus sieht man bereits, dass wohl Aschamdon und Sarasthoas nicht auf derselben Seite stehen. Allerdings ist die Lage anscheinend noch komplizierter, denn auf beiden Seiten gibt es auch noch Ariach, die die Erde vor einem noch größeren Unheil bewahren wollen, und irgendwie scheint das Artefakt damit zusammen zu hängen.
So weit die Geschichten.
Das Buch liest sich nicht ganz einfach: Kapitelweise verlagert sich die Geschichte zwischen den beiden Protagonisten hin und her, und die Kapitel enden auch noch oft an spannenden Stellen – den klassischen Cliffhangern. Wenn dann eine Exposition durch ein Gespräch mehrere Kapitel kostet, ist das dem Lesefluss nicht immer förderlich. Allerdings sind die Cliffhanger gut gewählt, und hierdurch schaden die Perspektivenwechsel auch nicht wirklich.
Interessant ist die Entwicklung, die die beiden Protagonisten durchmachen: während Rafaela zu Beginn eher Sympathieträgerin ist und den leser für sich einnimmt, wird sie im laufe der Zeit mehr und mehr von ihrem Auftrag und später von der Aussicht auf ewiges Leben beherrscht. Der Unsympath Atila hingegen wächst einem im Laufe der Zeit ans Herz, auch weil Liya wohl die harte Schale seines Herzens geknackt hat.
Die Welt, die in dem Roman beschrieben wird, ist in sich auch sehr interessant, und wenn man sich durch die Exposition gearbeitet hat – und soo schlimm ist diese auch nicht: ich persönlich fand die seitenlangen Landschaftsbeschreibungen zum Beispiel im Herrn der Ringe wesentlich schlechter zu lesen -, findet man eine Welt, die von grauen Eminenzen im Hintergrund gelenkt wird. Man fragt sich unwillkürlich, welche geschichtlichen Wendungen von welcher der Seiten in Gang gesetzt oder verhindert wurde. Allerdings bleibt einem am Ende das Gefühl, dass man nur einen kleinen Teil der Geschichte kennt.
Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen: wie bereits gesagt ist Aschamdon der erste Teil einer Reihe. Der zweite Teil mit dem Titel Sarathoas ist bereits für später in diesem Jahr angekündigt – und ich meine, irgendwo etwas gehört zu haben, dass es wohl eigentlich eine Trilogie werden soll, kann das aber im Augenblick nicht belegen.
Was ich aber belegen kann, ist, dass der Verlag auf der RPC am Stand E-075 gemeldet ist, wo man nicht nur signierte Exemplare des ersten Bandes, sondern auch Gutscheine für eine verbilligte Ausgabe des zweiten Bandes und eine '’verlorene Illustration’' erhalten kann. Ich finde, ein Stand, den man auf jeden Fall anlaufen sollte.
Und wer sich ein eigenes Bild machen will: auf der Webseite kann man auch eine Leseprobe downloaden (PDF).
[…] mal eben zwischendurch’ durchgelesen. Die Aufmachung ist wie auch beim ersten Band (Rezension hier) wunderschön. Das Team um den Autor, der unter dem Pseudonym Valerian Çaithoque schreibt, hat […]