ABNEY PARKs Airship Pirates
Was kommt dabei heraus, wenn jemand auf die Idee kommt, ein Rollenspiel zu schreiben, das auf einem Hintergrund basiert, der aus Songinhalten einer – oder vielmehr der Steampunk-Band schlechthin basiert? Die Antwort findet sich in den gut 300 Seiten dieses Buches (in englischer Sprache), und wenn man da einmal drin versinkt, kommt man so schnell nicht wieder heraus, so sehr vermag einen dieses Setting zu fesseln (so ging es zumindest mir – und deshalb kommt diese Rezi auch spät, aber sie kommt!).
Man muß wirklich etwas weiter ausholen um zu erklären, wie so etwas überhaupt zustande gekommen ist. "Captain“ Robert Brown und seine Band "Abney Park“ haben im Prinzip ein eigenes Musikgenre gegründet, nämlich den Steampunk. Was soll das eigentlich sein? Im Rollenspiel ist das Genre ja zumindest grob umrissen – aber Musik? Ja. In den musikalischen Cocktailshaker gehören eine ordentliche Ladung Goth, dazu ein ordentliches Maß Industrial, ein Schuß Punk, ein Spritzer Folk – gut schütteln und unter Dampf setzen. Und aus den Inhalten dieser Musik, die Szenen aus einer Welt beschreibt, in der "die Geschichte ein wenig durcheinander gekommen ist“, ist das Rollenspiel Airship Pirates entstanden. Man spielt Charaktere, die quasi über den Dingen in einer sehr viktorianischen Welt stehen – das wortwörtlich, denn die Spieler sind für gewöhnlich eine Piratencrew der ein oder anderen Art und fliegen mit einem Luftschiff durch die Gegend, während unter ihnen ein bizarres Ungetüm von Gesellschaft vor sich hin brodelt…
Klingt abgedreht? Ist es auch – schließlich gibt es über den Wolken auch komplette Städte (und eine ganze Reihe Airship Pirates stammen auch von da), möglicherweise stammt man aber auch vom Boden, wo man die Wahl hat, Neoviktorianer, Neobeduine oder "Misbegotten“ (sprich: Mutant) ist. Und last but not least kann man auch einen "Automaton“ spielen, also ein Konstrukt irgendeiner Art. Das Regelwerk selbst besticht durch Einfachheit – sowohl was den Charakterbau als auch das eigentliche Spiel angeht; auf großartige Herumrechnerei wird zugunsten von atmosphärischem Spiel, schneller Spielbarkeit und cinematischem Stil verzichtet. Es wird deutlich empfohlen, die gesamte Crew eines Airships mit allen Spielern zusammen zu basteln, damit sich die Charaktere auch möglichst gut ergänzen. Immerhin sollten derartige Piraten auch eine offizielle Beschäftigung haben, denn es gibt genügend Leute, die Piraterie für… nun, sagen wir mal, unsympathisch halten, und deshalb besser nicht wissen sollten, was die Spielercharaktere so treiben.
Zur Charaktererschaffung: Es ist ein recht einfacher Baukasten, man verteilt Punkte als Boni (werden nachher zu Würfeln) – die 6 Attribute würde ich mal mit Stärke, Geschicklichkeit, Ausdauer, Ausstrahlung, Geistesschärfe und Willenskraft übersetzen. Dann gibt es Skills – angenehm überschaubar wenige, wo auch nach Konzept Punkte verteilt werden, Dann bekommen Charaktere noch Vor- und Nachteile, Fate Points (erlauben cinematische Aktionen – vor allem um Gevatter Tod mal wieder auszurichten, daß er zu früh ist), und das ist auch schon alles. Wenn man etwas erreichen will, zählt man Attribut + Skill zusammen, würfelt diese Anzahl Würfel… klingt bekannt? Ja… man will Erfolge, und das sind interessanterweise Einsen und Sechsen. Alles andere ist uninteressant. Die Sechsen können allerdings explodieren… Die Anzahl der Erfolge bestimmt wie erfolgreich die Aktion war. Und je nach Schwierigkeit gibt’s ggf Bonuswürfel, oder schwarze Würfel – wenn diese Erfolge zeigen, annullieren sie statt dessen Erfolge (allerdings können sie zum Glück nicht explodieren). Klingt simpel? Ist es auch, wenn man es einmal verstanden hat, geht vor allem schnell und ist schön flexibel.
Der nächste Schritt ist dann noch der gemeinsame Entwurf des Airships – auch da gibt es viel zur Auswahl, und auch hier wird ein Baukastensystem verwendet. Und dann kann es im Prinzip auch schon losgehen – Volldampf ins Chaos, wenn der Spielleiter es denn so will. Die Welt ist bizarr, um es harmlos auszudrücken – es ist ein Cocktail aus vielen faszinierenden Elementen, mit oftmals eher tragischen Charakteren, gerne ein wenig morbide, schön grau gehalten, mit einem Haufen Dampf, Luftschiffen und verrückter Maschinerie dazwischen, und einem Atmosphäremix: Piraten mit ein wenig Weird Science, einem Touch Endzeitstimmung und einem Hauch Wildwestromantik. Was man damit im Endeffekt für Plots, Kampagnen etc spielt ist natürlich den Spielern überlassen, und die Welt komplett aufzureißen, würde deutlich zu weit führen, aber wenn man bedenkt, daß es Zeitreisen gibt, die Geschichte eben deswegen ein wenig anders verläuft, auch, was gewisse Machtverhältnisse angeht, kann man sich schon sehr verschiedene Szenarien vorstellen. Sicher eher etwas für Freunde des etwas schrägen Rollenspiels, aber das sollte einem schon beim Spieltitel, spätestens aber bei der Musik, die das alles schuld ist, klar werden.
Was außerdem angenehm auffällt ist das Layout und die schöne, stimmungsvolle Artwork. Man findet sich recht gut im Buch zurecht, und nicht ohne Grund hat es eine ganze Reihe Preise (zB "Best Core Rulebook 2011″ von Diehard GameFANS, oder "Best RPG 2012″ Award von der UK Games Expo) abgeräumt. Schön: Im Appendix finden sich Referenzen der verschiedenen Artwork – wer also da mal ein wenig nachforschen will, da habt ihr die Anregungen, genauso natürlich wie die akustischen Anregungen seitens Abney Park… Die Aufmachung zieht sich gut durchs ganze Regelwerk, dass es wirklich angenehm ist, darin herumzuschmökern. Auch die Beispielcharaktere sind interessant gestaltet (da habe ich bei vielen renommierteren Spielen ganz anderes erlebt…) – kurzum, man bekommt eben Lust aufs Spiel. Okay, wer mit dem Genre nun gar nichts anfangen kann… aber der wird das Buch auch gar nicht erst lesen, oder? Es ist zwar zu erwarten, daß auch Airship Pirates eher ein Nischenspiel wird, und man wie immer nach eine Spielleiter suchen wird (weil man will doch spielen, oder?) Immerhin hab ich es zumindest auf einer Con schon einmal angeboten gesehen… Kennen wir woher. Nur, was uns im Spiel erwartet… das wissen doch nur die Spielleiter, oder…? In diesem Sinne… Volldampf voraus!
Hersteller | Cubicle 7 |
Autor | Peter Cakebread, Ken Walton (und schuld ist Abney Park) |
Spieler | RPG |
Denken | RPG |
Glück | RPG |
Geschicklichkeit | RPG |
Preis ca. | € 34 (Hardcover, u.a. bei Amazon)
€ 19,31 (PDF bei DriveThrough) |
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