Kalesia
Es gibt einige Dinge, auf die man sich jedes Jahr wieder freut. Für mich sind das zum einen besondere Conventions, die ich in mein Herz geschlossen habe – AdventureCon, NordCon -, die SPIEL, der Jahresurlaub. Und das Miglior Gioco Inedito der Lucca Comics & Games, das jedes Jahr im November während der Börse gekürt wird. Nächstes Jahr wird der Wettbewerb schon zum zehnten Male ausgeschrieben (und das Thema ist dann auch "X“, dieses Jahr war es übrigens "Das Ende der Welt“). Der Preisträger wird immer im Folgejahr von der dV Editrice hergestellt und verkauft, in diesem Jahr war es also der Preisträger von 2011: Kalesia
Die Bedingungen für die Teilnahme sind ziemlich strikt, nicht nur, was das Einsenden der Spiele betrifft, sondern auch, was das Spielmaterial betrifft: nicht mehr als 110 Spielkarten und eine Regel mit maximal 10.000 Zeichen oder 6 DIN-A4-Seiten. Das ist dann auch das Format, dem das Siegerspiel vom vorigen Jahr unterliegt.
Neben den Regeln (in Englisch und Italienisch) findet man also folgende Karten:
- 25 Waldkarten, nummeriert von 1 bis 25
- 25 Besitzkarten (Vorderseite Zentaur, Rückseite Nixe/Meerjungfrau
- 5 Allianzkarten (2 × Zentaur, 2 × Nixe, 1 × Wald)
- 55 Waffenkarten (je 20 Zentauren und Nixen mit Werten von 1 bis 4, 15 Wälder mit Werten von 1 – 3)
- ein mittlerweile schon kennzeichnend zu nennender Kartenhalter, der der Schachtel Halt gibt
Die regeön kann man sich übrigens auch auf Englisch hier von dV Giochi herunterladen.
Im Spiel versuchen die drei Parteien (es sind immer alle drei Parteien betroffen, auch wenn es nur zwei Spieler gibt) ein Waldstück zu erobern indem sie als erste einen Bauplatz für einen Tempel, bestehend aus drei Waldstücken in gerader Reihe, erobern. Der Wald versucht hierbei, sich der Eindringlinge zu erwehren – wenn er seinen eigenen Tempel errichten kann, ist es besser, aber wenn am Ende, wenn alle 25 Waldstücke verteilt sind, niemand einen Tempelbauplatz hat, gewinnt er auch.
Zu Spielbeginn werden die 25 nummerierten Waldkarten gemischt und als Quadrat ausgelegt. Jeder Spieler erhält von dem Waffenkarten 11 Stück, wenn es weniger als 5 Spieler sind, werden die übrigen Karten unbesehen weggelegt. Außerdem erhält jeder Spieler verdeckt eine Allianzkarte, mit der ihm eine der drei Parteien zugewiesen wird, und die er verdeckt halten muss. Einen Startspieler gibt es nicht.
Beginnend mit Waldstück 1 aufsteigend, werden jetzt die einzelnen Waldstücke umkämpft. Ein Kampf läuft so ab, dass jeder Spieler von der Hand zwei Karten verdeckt auslegt, wenn alle Spieler zwei Karten gewählt haben, werden die Karten umgedreht. Es werden die Punkte der Zentauren-, Nixen- und Waldkarten getrennt aufsummiert und verglichen, die Partei, die die Mehrheit hat, gewinnt das Waldstück und ersetzt zum Zeichen des Besitzes die Karte durch eine Besitzkarte, die mit der entsprechenden Seite nach oben gelegt wird. Wenn der Wald die Mehrheit hat, oder wenn es ein unentschieden gibt, gewinnt der Wald und die Karte wird umgedreht – hier ist ein Wald ohne Zahl zu sehen. Die verwendeten Karten verbleiben beim jeweiligen Spieler und werden vor ihm abgelegt, sind also im Kampf um das nächste Waldstück nicht verfügbar.
Bis hierher klingt das ganze ja noch wie ein ziemlich langweiliges, extrem glücksabhängiges Spiel, aber das Herzstück des Spiels folgt jetzt: Nach vier Kämpfen hat jeder Spieler noch drei Karten in der Hand. Diese Karten werden nicht im nächsten Kampf eingesetzt, sondern an den jeweils linken Spieler weitergegeben, so dass man selbst auch die drei Restkarten des rechten Spielers hat. Zu diesen Karten werden dann die im Kampf verwendeten wieder auf die Hand genommen, bevor der nächste Kampf beginnt.
Sobald eine Partei drei Waldstücke in gerader Linie (waagerecht, senkrecht oder diagonal) erobert hat, endet das Spiel, diese Partei hat gewonnen.
Schnell merkt man, dass der reine Zufallsfaktor, der die ersten vier "Stiche“ kennzeichnet, durch das Weitergeben der übrigen Karten stark abnimmt. Wenn man genau aufpasst und mitzählt, weiss man nämlich schon vor dem fünften Stich alle Karten des linken Nachbarn, denn das sind die Karten, die er ausgespielt hatte und die Karten, die man ihm selber gegeben hat. Nach 8 Stichen kann man den zweiten Nachbarn ebenfalls komplett kennen, und so weiter. Aber auch, wenn man nur eine ungefähre Ahnung hat, was ein Mitspieler (noch) auf der Hand hat, wird es hierdurch ziemlich taktisch: versuche ich, meiner eigenen Partei in dieser Runde ein Waldstück zu erobern, oder versuche ich lieber im nächsten Stich, die Gegenseite daran zu hindern, einen Tempel zu bauen? Was mache ich mit den Waffenkarten meiner Gegenparteien, die ich auf der Hand habe? Spiele ich sie selber in Runden, in denen es um nichts geht (und habe ich sie dann nach dem nächsten Mal, dass Karten weitergegeben werden, immer noch am Hals), oder bewahre ich sie, um die meinem linken Nachbarn zu geben? Oder würden diese Karten ihm besonders gut in den Kram passen?
Und wer den Zufallseinfluss der Kartenverteilung verringern will, kann auch für jeden Spieler einen Kartensatz mit allen vier verschiedenen Zentauren-, allen vier verschiedenen Nixen- und den drei verschiedenen Wald-Kampfwerten zusammenstellen, um so ein Ungleichgewicht durch die fehlenden Karten auszuschalten.
Dadurch, dass man (fast) immer auch Karten der Gegenparteien spielen muss, wird auch nicht schnell deutlich, wer für welche Partei kämpft – besonders ärgerlich ist es, wenn man nicht mitgezählt hat und für das Waldstück, wo man einen Tempel selbst errichten könnte, Karten der Gegenseite spielen muss.
Bei nur zwei Spielern werden Allianzkarten aller drei Parteien gemischt, und jeder Spieler erhält eine, es kann also auch sein, dass beispielsweise die Zentauren gegen den Wald spielen. Aber auch dann kann es natürlich sein, dass die Spieler gezwungen sind, Waldstücke für die Nixen zu reservieren, und mit Pech sogar so, dass die Nixen gewinnen. Bei vier Spielern werden zwei Zentauren- und zwei Nixen-Allianzkarten gemischt – der Wald erhält ja bei Gleichstand, und gewinnt, wenn keiner der anderen gewinnt. Bei drei und fünf Spielern werden alle drei Parteien durch Spieler vertreten. Dennoch ist das Spiel in allen Versionen ziemlich ausgeglichen – was natürlich nicht wegnimmt, dass ein Zweipersonenspiel mit Pech durch die Kartenverteilung entschieden werden kann (z.B., wenn alle 20 Waffenkarten einer Seite und nur zwei andere Karten in dem Mix geraten). Meist entspinnt sich aber um einige Schlüsselpositionen im Wald ein heftiges Gefecht, und manchmal ist die Überraschung groß, wenn man erfährt, mi wem man zusammengespielt hat.
Kalesia ist ein wunderschönes Spiel, das ich am ehesten unter die Bid-n-Bluff-Spiele einordnen würde, obwohl es auch von vielen anderen Spieltypen etwas hat. Auf jeden Fall ist es wieder ein Beweis dafür, dass das Gioco Inedito aus Lucca immer ein hervorragendes Spiel ist – bis heute hat mich noch keines der Spiele enttäuscht, die ich testen durfte.
Hersteller | dV Giochi |
Autor | Kong Chan |
Künstler | Melissa Spandri |
Spieler | 2-5 (bis 10 möglich mit zwei Spielen) |
Denken | 8 (9 in der Variante) |
Glück | 5 (3 in der Variante) |
Geschicklichkeit | 0 |
Preis ca. | 9 € |
Anm.: Der Preis wurde durch dV auf der SPIEL genannt, wer das Spiel erwerben will, wird ziemlich suchen müssen. Ich hoffe ja, dass es irgendwann in das reguläre Sortiment von dV übernommen wird.
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