Echsen stürzen

Dragonfall01Dragonfall

Für Rollenspieler ist die RPC vielleicht das größte Ereignis des Jahres, denn die SPIEL ist ja auch für Brettspieler. Außerdem findet man auf der RPC auch Stände und Rollenspiele, die man auf der SPIEL vergebens sucht – und umgekehrt. Während Nackter Stahl wieder durch RPC-Abwesenheit glänzt, steht auch dieses Jahr wieder der Klein(st)verlag Neferatu Games auf der RPC, den ich auf der SPIEL nicht gesehen habe.

Neferatu Games ist Herausgeber eines Rollenspiels mit dem Namen Dragonfall, das einen gleichnamigen Bruder auf dem Tabletop hat. Hier geht es aber erst einmal um das Rollenspiel. Laut Homepage des Verlages ist das besondere an Dragonfall die Magie, die alles und jeden durchzieht, so dass grundsätzlich auch jeder die Möglichkeit hat, Magie zu erlernen und nicht nur speziell begabte Leute (wie beispielsweise bei DSA). Absolut neu ist das ja nicht gerade – die ersten Systeme, die so etwas boten und an die ich mich erinnern kann, waren Magie und Macht und Mächte, Mythen, Moddermonster, aber auch modernere Systeme bieten vergleichbares. Was ist also so besonders an der Magie und dem Regelwerk von Dragonfall?


Zunächst einmal ein paar Basis-Besonderheiten. Dragonfall ist zwar auch als gedrucktes Werk erhältlich – wenn es auch nicht leicht zu finden ist -, aber, was noch wichtiger ist: es gibt das Regelbuch auch als Download auf der Homepage. Nicht 'nur' eine Kurzregel als Schnellstarter-Regel, sondern als komplettes Regelwerk.

Ein anderer Unterschied, der für jemanden, der schon häufiger Rollenspiele gespielt hat, auffällt, ist, dass für den Hauptwürfelmechanismus zwei zwölfseitige Würfel benötigt werden. Ob eine Aktion gelingt (ein Test in der Nomenklatur der regeln), bestimmt sich mit 2W12 plus Werte (Attributswerte, Talentboni, Situationsboni etc.) gegen einen Wert, den meist der Spielleiter festlegt. Im Kampf wird entsprechend vergleichend gewürfelt: Angriffstest gegen Verteidigungstest. Wenn man trifft gibt es einen halbwegs festen Wert als Schaden: Stärke plus Waffenwert, plus ggf. Boni, und Rüstung vermindert den Schaden.

Auch die Initiative ist interessant geregelt: grundsätzlich hat jeder Spieler für den gesamten Kampf denselben Initiativewert (2W12 plus Reaktionsbonus), der angibt, wann in einer Runde man an der Reihe ist. Man kann dann zwei Aktionspunkte verwenden, wobei ein Angriff, eine normale Bewegung etc. einen Punkt, besondere Aktionen wie ein Rundumschlag beide Punkte verwenden. Wer bestimmte andere Aktionen durchführen will (einen Trank trinken, einen Gegenstand an jemanden geben etc.) muss seinen Initiativewert um einen bestimmten Wert verringern, kommt also in allen weiteren Runden desselben Kampfes entsprechend später an die Reihe. Ausnahme ist es, wenn man auf eine Aktion eines anderen Spielers warten will – dann kehrt man nach der Abwarterunde auf den vorherigen Initiativewert zurück.

Zauber muss man erlernen, bevor man sie sprechen kann, und bezahlt die Nutzung mit Manapunkten. Welche Zauber man lernen kann, hängt von der eigenen Affinität zu den Elementen ab. Mehr zu den Elementen später, hier soll es ausreichen, dass diese Affinität im Laufe der Zeit verändern kann, und dass manche Rassen auf der Welt mit manchen Elementen besser zurecht kommen. Grundsätzlich ist es aber bei jedem Charakter auch möglich, dass er für kein einziges Element genügend Affinität hat – mit Ausnahme der Grauelfen, die schon in den Basiswerten eine ausreichende Affinität für kleine Luftzauber haben.

Die Charaktererschaffung verläuft über ein Kaufsystem: man zahlt für die Rasse (mit bestimmten Grundwerten einschließlich elementaren Basisaffinitäten), und kauft dann weitere Attribute, Fertigkeiten, Vor- und Nachteile und eventuell Berufe, Zauber, Sprachen etc. hinzu. Bei den Sprachen ist anzumerken, dass es keine 'allgemeine Verkehrssprache' gibt, sondern je nach Region völlig unterschiedliche Sprachen und Schriften, zu denen auch Schriftbildbeispiele im Regelwerk zu sehen sind.

Was die Rassen betrifft, kann man aus sechs Möglichkeiten wählen: Menschen, Arimas (Zyklopen), die bereits genannten Grauelfen, Goblins, Staubmenschen und Wüstentrolle. Eine Klasse (einen Beruf) zu wählen ist nicht verpflichtend.

Aber das wichtigste ist wohl doch die Welt, die zum Regelsystem gehört. Eine Welt, die sich aus der Magie entwickelt hat, nachdem diese sich in die großen Energien aufgespalten hatte: Feuer, Wasser, Luft, Erde, Leben, Tod, Ordnung und Chaos. Ja, acht Elemente, von denen je zwei Gegensatzpaare bilden. Jede dieser Energien wird verkörpert durch einen Drachen. Zu jeder Energie gibt es eine Existenzebene, zusätzlich und mitten zwischen diesen ist die materielle Ebene, wo die Abenteuer angesiedelt sind. Die Ebenen (auch die materielle) sind gegeneinander normalerweise gut abgeschottet, nur wenn zwei Gegensatzebenen mit der materiellen eine Linie bilden, entstehen Risse, und die entsprechenden Drachen können in die materielle Ebene gelangen, wo sie sich dann bekämpfen.

Eigentlich waren die Elementarmagier Diener des Ausgleiches, aber im Laufe der Zeit haben sie sich ihren Elementen zugewandt, und führen nun oftmals Stellvertretergefechte für die Drachen. Und wie wohl jeder, der die Tropen des Genres kennt, erwartet, führten diese dann auch zu einer Katastrophe, von der die Welt sich noch nicht wieder erholt hat. Und als letzte Verkörperung und Macht der Elemente gibt es noch die Steine der Macht, die ebenfalls unglaublich mächtig sind.

Wer sich jetzt fragt, wo Licht und Dunkelheit in dieser Kosmologie stehen: Es gibt auch eine Licht- und eine Schattenebene, die für den Ablauf von Tag und Nacht sorgen – Sonne und Mond sind auf dieser Welt also unbekannt. Licht ist entstanden aus einer Mischung von Ordnung und Leben, Schatten aus Chaos und Tod.

Die Bewohner der Welt wissen von all diesem und ihrer Geschichte nur wenig – dass es die achtz Elemente gibt, ist Allgemeinwissen, aber Drachen, Elementarmagier, Steine der Macht … das ist ziemlich unbekannt, die Effekte werden eher Göttern zugeschrieben und die Geschichten als Legenden und Märchen angesehen, wenn sie denn überhaupt bekannt sind.

Abenteuer soll es zu diesem System auch geben. Auf der Webseite werden je nach Seite zwei oder drei Abenteuer genannt, die man sich downloaden können soll, aber im Endeffekt werden zwei dieser drei Dateien dann nicht gefunden, nur ein Abenteuer steht tatsächlich zur Verfügung. Eigenarbeit ist hier also angesagt.

Die Materialien, die in der PDF-Datei geliefert werden, sind allerdings grundsätzlich komplett genug, um damit eine Kampagne zu spielen.

Kleiner Schönheitsfehler: auf den Charakterbögen werden die Elemente als großer Kreis dargestellt (was grundsätzlich durch die Gegensatzpaare ein schöner Ansatz ist), aber leider nur mit ihren Symbolen, die teilweise an keltische Knotenkunst erinnern und nicht sonderlich intuitiv sind. Hier werden die meisten Spieler sich wohl etwas eigenes zusammenbasteln wollen.

Von diesem Schönheitsfehler abgesehen, ist Dragonfall aber sein brauchbares System, das vor allem durch die Welt ein Alleinstellungsmerkmal hat – das leider kaum kommuniziert wird. Sowohl die PDF-Version als auch die Druckversion (die zum Beispiel auch über die Redaktion Phantastik erworben werden kann) bieten eine gute Grundlage für viele spannende Abenteuer in einer sehr magischen Welt. Und für Tabletopper hat es noch den zusätzlichen Vorteil, dass es ein dazu passendes Tabletop-System gibt.

Zur RPC erscheint übrigens eine neue Auflage des Spiels. Der auffälligste Unterschied ist, dass die Magier angepasst wurde, wodurch die neue Version nicht mit der alten vollkompatibel ist. Im Endeffekt scheinen die Magieattribute aber durchgängig um 3 Punkte vermindert worden zu sein. Die Zeichnungen sind teilweise auch ersetzt worden – die neuen Illustrationen sehen zugegebenermaßen auch deutlich besser aus als die alten. Auch wurden einige Texte vorsichtig angepasst, sie lesen sich hierdurch deutlich flüssiger. Schließlich wurde auch noch eine Regel eingefügt, wie man einen Schild offensiv einsetzen kann.

Der unten genannte Preis ist der, der auf der RPC gelten soll. Wer gerne rollenspielt, dort ist und das Geld übrig hat, erwirbt mit dem Regelwerk nicht nur einen Regelsatz, der durch die weite Verwendung von Magie viele Spieler interessieren dürfte, sondern auch eine Weltbeschreibung, die – ebenfalls durch die Magie – etwas außerhalb des üblichen liegt.

Hersteller Neferatu Games
Autor Steffen Hörer, Frank Manis, Thomas Viereckel
Künstler Frank Manis, Jörg Manis, Nina Schottmüller
Spieler Rollenspiel
Denken Rollenspiel
Glück Rollenspiel
Geschicklichkeit Rollenspiel
Preis ca. 15 € (Buchversion, Gratis-Download)

Ein Kommentar

  1. Frank Manis sagt:

    Vielen Dank für die ausführliche Rezension. Alles wichtige ist gesagt ;)

    Wer also Lust hat Dragonfall zu spielen kann dies auf der RPC in Köln die nächsten Tage tun (Stand Halle 5.2 A-36).

    Ansonsten stehen euch alle Regeln ihr benötigt auf unserer Homepage zur Verfügung.

    Viele Grüße Frank

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