2019: The Arctic
Eines der letzten Gebiete, dessen Reichtum an Bodenschätzen bislang nahezu unangetastet geblieben ist, ist die Arktis. Langsam aber sicher beginnen jetzt die Gesellschaften, die Bodenschätze ausbeuten, damit, sich für die Arktis zu interessieren. Hierbei werden sie aber nicht nur durch das schlechte Wetter behindert, sondern oft auch durch die hohe Politik, denn das Gebiet rund um den Pol ist teilweise umstritten, teilweise sind die Besitzverhältnisse auch nicht so deutlich, wie man sich das wünschen könnte.
Um die hierdurch zu erwartenden Auseinandersetzungen um die Bodenschätze – sowohl aus wirtschaftlicher wie aus politischer Sicht – geht es im Spiel 2019: The Arctic, das von dem polnischen Verlag Sinonis hergestellt wird, und in Deutschland neuerdings auch vom Schwerkraft-Verlag importiert und vertrieben. Die deutsche Ausgabe entspricht laut Schwerkraft-Verlag bis in die Einzelheiten der Originalausgabe (wird vom selben Hersteller hergestellt), der einzige Unterschied ist die Sprache der Spielanleitung. Wir haben unser Rezensionsexemplar schon etwas länger, unserer Rezension liegt also die englische Version in zweiter Auflage zugrunde – die genau wie die deutsche Ausgabe verbessert hergestellte Spielfiguren hat.
In der Schachtel – auf der in unserer Version kein Firmenname steht – findet man folgende Teile:
- ein Spielplan
- 32 Rohstoffmarker in hellblau, dunkelgrün und orange
- ein Startspielermarker
- ein Rundenmarker
- ein Marker 'geltendes Recht‘
- 50 Geldmarker (40 à 1$, 10 à 5 $)
- Lobbyisten- und Punktemarker in weiß (7), schwarz (7), dunkelbraun (5) und hellbraun (5)
- Förderplattformen in denselben Farben (16 bzw. 12 Stück)
- 51 Schiffsfiguren in sechs Farben für die Länder / Straatenbünde, die in der Arktis Einfluss ausüben
- 55 Staatsmarker in denselben Farben
Die Spielregel kann auch beim Schwerkraft-Verlag heruntergeladen werden. Die Marker sind – mit Ausnahme der Bohrplattformen, der Staatsmarker und des Geldes – aus Holz (Pöppel-ähnliche bzw. kleine Holzwürfel). Bohrplattformen, Staatsmarker und Geld sind Pappchips, die man vor dem, ersten Spiel aus einem Stanzbogen herausdrücken muss – so weit sie nicht schon vorher herausgefallen sind. Die Verpackung macht ein wenig einen Indie-Eindruck, aber das gesamte Materialist hochwertig.
Das einzige Problem mit den Teilen war in der Farbgebung: das 'dunkelbraun' wirkt, vor allem, wenn man nicht einen schwarzen Pöppel / eine schwarze Plattform daneben hält, eher wie schwarz. Eine andere, deutlicher kontrastierende Farbe wäre sehr schön gewesen.
Unserem Exemplar lagen außerdem zwei Spickzettel mit Rundenreihenfolge und Spielende-/Siegbedingungen bei.
Die Übersetzung der Spielregel ist ebenfalls gelungen, und sie beinhaltet sogar schon die FAQs und Errata, die zur englischen Version erschienen sind.
Wer vom Thema her ein militaristisches Spiel, eine Konfliktsimulation oder ähnliches erwartet, wird überrascht sein. Die Spieler spielen nämlich nicht die verschiedenen Staaten und -bünde, sondern Wirtschaftsunternehmen, deren Ziel die Ausbeutung der Polregion ist, und die versuchen, die Politik so zu beeinflussen, dass ihre Gesellschaft das meiste Geld gewinnen kann.
Zum Spielbeginn werden die einzelnen Staaten auf dem Spielbrett eingesetzt (Schiffe, Staatskasse etc.), anschließend setzen die Spieler ihre Lobbyisten auf den Staaten ein. Da der Startspieler hierdurch einen kleinen Vorteil hat, zahlt er an den letzten Spieler der Runde eine Dollar aus der eigenen Kasse, so dass der Startspieler mit neun, der letzte Spieler mit elf Dollar startet.
Anschließend beginnt das Spiel, das aus bis zu neun Runden besteht. In jeder Runde passieren die folgenden fünf Phasen in derselben Reihenfolge:
Zuerst wird der Startspielermarker nach links weitergegeben. So ist der Spieler, der beim Einsetzen Startspieler war, in der ersten Runde als letzter an der Reihe.
In der zweiten Phase wird ein Schiff von China in die Arktis geschickt.
In der dritten Phase darf jetzt jeder Spieler, beginnend mit dem Startspieler, nicht aktive (eingesetzte) Lobbyisten in die Länder schicken. Hierfür werden zunächst die Lobbyisten auf einer Investitionsleiste eingesetzt, je nach Position kostet dies oder bringt sogar Geld: je später der Lobbyist aktiv werden kann (und je höher hierdurch die Gefahr, dass das gewünschte Land nicht erreicht werden kann), desto günstiger ist es. Hierbei kann man auch für das Privileg zahlen, die chinesischen Aktionen zu bestimmen – dies kostet aber, und es gibt nur zwei Slots hierfür, von denen nur der Lobbyist zum Zuge kommt, der den höheren Geldbetrag bezahlt hat.
Nachdem alle ihre Lobbyisten eingesetzt und bezahlt haben, werden sie in die Einflusssphären der Staaten übergesetzt, wobei die teuersten Lobbyisten zuerst zum Zuge kommen. Da in jedem Land aber nur drei Lobbyisten überhaupt aktiv werden können (vier in der EU, wenn Norwegen beitreten sollte), kann es sein, dass man nicht mehr dorthin kann, wo man seinen Lobbyisten einsetzen möchte.
Jetzt wird zunächst China aktiv: Wenn niemand Geld bezahlt hat, um auf China Einfluss zu nehmen, ziehen alle Schiffe Chinas ein Feld Richtung Pol. Wenn jemand bezahlt hat, kann er die Schiffe nach Belieben bewegen oder eine Förderplattform bauen – eine legale, wenn China den Sektor kontrolliert, ansonsten eine illegale, wenn China zumindest ein Schiff in dem Sektor hat. Dieser Bau kostet natürlich Geld.
Anschließend werden alle anderen Staaten aktiv, in der Reihenfolge Russland – Norwegen – EU – Kanada – USA. Hierbei führen die Lobbyisten in der Reihenfolge, in der sie auf dem Länderfeld stehen, eine Aktion aus:
- Mit einer Diplomatie-Aktion kann man den Konfliktstatus eines Staates verändern: einen Konflikt eröffnen, ändern oder beenden, die Stimme(n) im Arktischen Rat umverlegen, für den Eintritt Norwegens in die EU arbeiten oder einen Mitbewerber diffamieren (der verliert dann einen Siegpunkt).
- Ein Staat kann Schiffe bauen, abhängig von seiner Produktionskapazität und seinem Etat-
- Ein Lobbyist kann eine Fördergenehmigung erwerbe, mit der in einem kontrollierten Bereich eine Förderplattform gebaut werden kann – hiermit können die Staaten finanziert werden, wenn die Steuern nicht ausreichen.
- Ein Staat kann seine Schiffe bewegen. Wenn sie hierbei in einen Sektor kommen mit Schiffen eines Staates, mit dem der Staat in Konflikt liegt (durch den eigenen erklärten Konflikt, oder den Konflikt des anderen Staates), können sie sich gegenseitig eliminieren (1 gegen 1). Außerdem ist für die zentrale Polarregion ein permanenter allgemeiner Konflikt gegeben. Außerdem darf ein Schiff illegale Förderplattformen und Förderplattformen anderer Staaten, mit denen der eigene in Konflikt liegt, zerstören.
- Eine Aktion ist es, den Staat Steuern einnehmen zu lassen
- Zuguterletzt kann ein Lobbyist Unruhen unter den Bürgern anstiften, durch die die Förderung von Rohstoffen unmöglich wird.
- Schließlich kann ein Lobbyist auch auf eine Förderplattform gehen, um diese gegen Angriffe zu schützen – bis zum Ende der Staatsaktionen dieses Staates in der nächsten Runde, dann kehrt er zum Spieler zurück.
Eine Aktion, die ein Staat (beispielsweise wegen Geld- oder Platzmangels) nicht ausführen kann, darf auch nicht gewählt werden.
Ein Lobbyist auf Position 2 oder 4 eines Staates kann auch seine Position beibehalten, statt aktiv zu werden. Ein Lobbyist auf Position 1 oder 3 darf aber auf Position 2 versetzt werden, wenn diese frei ist.
In der nächsten Phase produzieren dann alle Plattformen, die nicht durch Bürgerunruhen daran gehindert werden, Rohstoffe. Jeder Sektor produziert nur eine bestimmte Art Rohstoffe. Diese können jetzt auch verkauft werden – oder in Siegpunkte umgewandelt, wobei es mindestens doppelt so viele Siegpunkte gibt als bei Spielende für das hieraus gewonnene Geld. Aufbewahren kann man die Rohstoffe leider nicht.
Nun werden die Lobbyisten entweder wieder in Aktivitätsliste zurückgesetzt (je nach ihrer Aktion auf Position 1 oder 3), oder gehen an die Spieler zurück.
Phase 9 ist die Abschlussphase. Zum einen wird ein möglicher Beitritt Norwegens in die EU abgewickelt, zum anderen wird nachgesehen, ob im Arktischen Rat die Gesetzeslage sich ändert: Beherrscht ein Staat alle Sektoren nördlich seiner Küste, kontrolliert er Sektoren durch Mehrheit der Schiffe im Sektor oder darf ein Staat gar keine Kontrolle ausüben? Wenn sich die Situation ändert, wird auch die Legalität/Illegalität von Förderplattformen neu untersucht. Hierbei werden viele der Plattformen zerstört, allerdings gibt es auch die Möglichkeit, unter bestimmten Umständen eine neue Förderlizenz zu erwerben.
Das Spiel endet nach der 9. Runde, oder wenn China vorher bereits die Kontrolle über die Polregion übernimmt. Bei Spielende wird zunächst die Staatskasse (oder ein Teil davon) an die Spieler mit Lobbyisten im Staat ausgeschüttet. Anschließend gibt es abschließende Siegpunkte. Für das Geld im Firmenvermögen, für Lobbyisten, die in dem Staat aktiv sind, der den Pol beherrscht, sowie Punkte für Förderplattformen, für die es eine einigermaßen unübersichtliche Tabelle gibt – ich wüsste aber auch nicht, wie man diese anders strukturieren könnte. Es gewinnt, wer die meisten Siegpunkte hat. Bei Gleichstand teilen die Spieler sich den Sieg.
Das Spiel ist eindeutig ein Worker-Placement-Spiel, wer diese nicht mag, wird auch an 2019 nicht viel Spaß haben. Der minimale Vorteil, den der Startspieler hat, wird durch die Verschiebung des Dollars vor allem im Drei-Personen-Spiel gut ausgeglichen. Da es keine Zufallsmechanismen gibt, hängt alles von der guten Planung und Einschätzung der Mitspieler ab: wenn man vorhersieht, was ein Mitspieler tun wird, kann man seine eigenen Aktionen eventuell darauf abstimmen.
Man sollte auch sowohl seine eigene Kasse als auch die Kassen der Staaten im Auge behalten, und sich nicht scheuen, vorzeitig Siegpunkte einzufahren, wenn man gerade einen finanziellen Überschuss hat und Waren zum Verkaufen. Die hierdurch gewonnenen Punkte können den unterschied zwischen Sieg und Niederlage bedeuten – aber noch ungünstiger ist es, wenn man keine Geld hat und es eigentlich bräuchte.
Die Partien dauern ca. 2 bis 3 Stunden, man kann das Spiel also schon als abendfüllend bezeichnen. Hierbei ist es ziemlich unabhängig von der Spielerzahl, weil im 2-Personen-Spiel mehr Lobbyisten pro Spieler zur Verfügung stehen.
Mir hat 2019 ganz gut gefallen, und der Preis ist IMHO auch akzeptabel. Auch jemand, der bislang noch keine Worker-Placement-Spiele gespielt hat, wird mit den Regeln recht gut zurecht kommen, so dass das Spiel auch für Gelegenheitsspieler recht gut geeignet ist, wenn sie sich von der Spieldauer nicht abschrecken lassen.
€dit 28.09.15: Anscheinend hat der Hersteller umfirmiert. Unter Sinonis findet sich jetzt ein EDV-Berater, der Hersteller scheint unter dem Namen seines ersten Spiels,Alchemicus, zu firmieren.
Hersteller | Alchemicus, deutsche Version von Schwerkraft |
Autor | Andrzej Kurek |
Künstler | Radosław Jaszczuk, Sandra Kochanowska |
Spieler | 2-4 |
Denken | 8 |
Glück | 0 |
Geschicklichkeit | 0 |
Preis ca. | 45 € |
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