Abysslabyrinth (Abenteuer für Arcane Codex)
Nackter Stahl ist ein ungewöhnlicher Verlag. De facto ein Klein(st)verlag, brauchen die gedruckten Werke sich rein vom äußerlichen her dennoch nicht vor Produkten großer Verlage zu verstecken. Dennoch bietet der Verlag seine Produkte auch als PDFs an – zu Teil lange vergriffene und zu Mondpreisen gehandelte Dinge wie das Arcane Codex Kompendium, aber auch im Druck erhältliche Dinge, begonnen mit dem Grundregelwerk zu Arcane Codex über alle möglichen Settingbände bis hin zu Abente8uern und Soundtracks für Arcane Codex.
Und so ist Anfang September bereits die PDF-Version des Abenteuerbandes Abysslabyrinth erschienen, deren Gegenstück in "totem Baum“ (also gedruckt) bislang noch nicht gesichtet wurden – ich persönlich hoffe ja, dass die Papierversion ab Donnerstag auf der SPIEL erhältlich ist.
Die PDF hat insgesamt 32 Seiten – das sind zwei Umschlagseiten, eine Reklameseite (Innenumschlag vorne), etwa 26,5 Seiten Abenteuertext, eine Seite Zusatzregeln für Warlocks, eine halbe Seite mit einem neuen Zauber und einem magischen Gegenstand und eine Seite mit Karten. Das ganze ist komplett farbig – mit vielen dunkel unterlegten Textblöcken und zum Abenteuer passenden Illustrationen -, was es natürlich für den Druck weniger geeignet macht: die dunklen Textblöcke sind in Schwarzweißdruck bei der typischen Rollenspiel-Schummerbeleuchtung nur schlecht zu entziffern, in Farbe wahrscheinlich etwas besser, aber das kostet natürlich mehr. Leider hat die PDF auch keine Lagen, mit denen man beispielsweise die Textblöcke und die Pergament-Hintergrundstruktur ausschalten könnte für eine druckerfreundlichere Version.
Das Abenteuer kommt zusammen mit einer Reihe vorgefertigter Charaktere, die sich untereinander zumindest teilweise bereits kennen. Die Beziehungen der Charaktere untereinander sind – vorsichtig gesprochen – problematisch. Auch gibt es einige Details, die das Selbstbild von Arcane Codex als 'Rollenspiel für Erwachsene' unterstützen.
Ob es wirklich nötig ist, dass einer der Charaktere einen anderen sexuell ausbeutet? Vom Hintergrund wie beschrieben her mag es ja vielleicht passen, aber ich fand es leicht … grenzwertig
Die Charaktere haben teilweise in ihrem Hintergrund auch schon stehen, dass sie bereits sich für das Abenteuer entschieden haben und angereist sind – aus Gründen, die auch stimmig und verständlich sind -, daher verwundert es dann ein wenig, dass das Abenteuer mit einer Anheuerungsszene beginnt. Aber das ist nicht die einzige Ungereimtheit in dem Abenteuer.
So begegnet man in diesem Abenteuer einer neuen Dämonenart – laut Abenteuertext 'eine bis dahin unbekannte Art –, aber mit einem Wissen(Dämonen)-Wurf kann man aus ihren Hinterlassenschaften auf den Dämon schließen, und in einer späteren Szene mit einem Wissen-Wurf sogar einen Schadensbonus erhalten, weil "der Charakter … nützliche Informationen über den Dämon“ kennt.
Am Ende des Abenteuers wird auch noch der Warlock vorgestellt, allerdings nur mit Werten, mit denen man so einen Charakter als NPC spielen kann. Das dürfte aber bei diesem Charakter auch OK sein, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass er so manchen AC-Spieler auch als SC reizen könnte.
Worum geht es aber in dem Abenteuer? Eine Prinzessin, die Tochter des Grafen von Gryffenmark in Vargothia, wurde entführt, und die SC verdingen sich als die Leute, die die Prinzessin suchen und zurückholen sollen. Dabei erfahren sie einiges über die Geschichte der Gryffenmark, des Entführers und einiger anderer Gestalten, bis sie schließlich dem Entführer gegenüberstehen und ein Angebot erhalten, das anzunehmen ihnen wohl ebenso schwer fallen dürfte wie es abzulehnen.
Im Endeffekt haben sie die Wahl, gegen den Gegner zu kämpfen, was zumindest einigen von ihnen wahrscheinlich das Leben kosten wird, oder ein Abkommen zu treffen: Wir tun Dir nichts (und versprechen, es auch in Zukunft nicht zu tun), und Du gibst uns die Grafentochter zurück und versprichst, die Gryffenmark in Zukunft in Ruhe zu lassen.
Und natürlich ist es nicht die Grafentochter, was man aber hier (anders als in manchen anderen Abenteuern anderer Systeme, mit gutem Grund fast nicht erkennen kann…
Auch der Weg zum Hauptquartier, der durch das titelgebende Abysslabyrinth führt, ist alles andere als leicht zu finden. Man hat nur die Wahl, mit viel Glück und extrem guten Charakterwerten loszuziehen, oder eine sehr gut versteckte Karte zu entdecken, deren Bedeutung zu dem Zeitpunkt, da man sie sieht, nicht ersichtlich ist (und von der es schon fraglich ist, ob man sie überhauot als Karte erkennt). Leider ist das Labyrinth auch nur ansatzweise beschrieben – den Großteil des Abenteuers bestreitet die Beschreibung der Situation in Gryffenmark, der Rest wird eher von der Beschreibung des "Turms“ des Endgegners eingenommen. Das Labyrinth selbst wird in einer knappen halben Seite beschrieben.
Alle Teile werden aber gekennzeichnet von einer Eigenschaft, die schon in den vorgefertigten Charakteren zum Ausdruck kommt: Das Abenteuer ist nichts für neue Charaktere. Die Fertigcharaktere prunken mit Kampf- und Magieschulen im Bereich von 6. bis 8. Stufe, und haben auch dazu passend hohe (also ebenfalls erkaufte) Fertigkeiten. Und selbst diese haben, wenn sie sich nicht sowieso untereinander zerfleischen, im Endkampf – wenn es zu einem kommen sollte – nichts zu lachen.
Bei all diesen Kritikpunkten ist die Frage sicher nicht unangebracht, ob mir überhaupt etwas an dem Abenteuer gefallen hat. Und seltsamerweise hat mit der Band als ganzes sogar gut gefallen. Der Abenteuerhintergrund ist – wenn auch Arcane-Codex-typisch brutal und düster – stimmig und man versteht, wieso der Bösewicht tut was er tut.
Warum er allerdings an Stelle des Endkampfes anbietet, die Gryffenmark in Zukunft in Ruhe zu lassen, bevor er seine Rache vollendet hat, ist mir nicht so ganz klar – allerdings dürfte das Angebot so zweifelhaft sein, dass es doch kaum jemand anzunehmen bereit sein dürfte.
Wer eine fortgeschrittene Runde hat, oder wer einmal mit richtig starken Charakteren spielen möchte – und für wen das AC-typische Gore-n-Sex kein Grund ist, die Abenteuer zu verweigern – hat hier sicher ein interessantes Abenteuer in der Welt des Arcane Codex, das sich mit ein klein wenig Mühe auch in die meisten anderen Fantasy-Welten übertragen lässt.
Hersteller | Nackter Stahl |
Autoren | Stefan Speiser, Mario Leipelt |
Künstler | Patrick Soeder |
Spieler | Rollenspiel |
Denken | Rollenspiel |
Glück | Rollenspiel |
Geschicklichkeit | Rollenspiel |
Preis | 12,00 € (Buch), 6 € (PDF)* |
Abysslabyrinth als PDF bei DriveThruRPG
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