Cthulhus Ruf #4
Seit dem Ende der Cthuloiden Welten, deren letzte Ausgabe vor nunmehr zwei Jahren erschien, ist als Ersatz das Fan-Magazin Cthulhus Ruf in die Bresche gesprungen. Mit ebenfalls zwei Ausgaben pro Jahr – Erscheinen jeweils zur RPC und zur SPIEL – bietet der Ruf eine ähnliche Mischung an Hintergrundmaterial, Rollenspieltipps und Abenteuern wie die Cthuloide Welten, so dass man in dieser Hinsicht von einem würdigen Nachfolger sprechen kann.
Rein äußerlich hat der Ruf ein unverwechselbares Design: der Umschlag ist eine Din A3-Seite, die um die Zeitschrift 'herumliegt‘, so dass das Magazin von der Seite aus betrachtet wirkt wie ein "Quality Newspaper“ aus England (die Boulevardzeitungen in Großbritannien haben ja ein kleineres Format als die 'seriösen Zeitungen' wie die Times und der Guardian) und würde in einem Stapel dieser Zeitungen wahrscheinlich sogar sozusagen unsichtbar werden. Der Haupttitel der Zeitung ist Der Nebel steigt auf, was sich in erster Linie auf das Hauptthema des Bandes bezieht: Material für das Gaslicht-Setting von Cthulhu, dessen Settingsband ursprünglich zur SPIEL erscheinen sollte, der aber inzwischen verschoben wurde und jetzt spätestens zur RPC erscheinen soll.
Der Inhalt hat es auch in sich und ist wie gewohnt sehr gut geraten.
Unter dem Vorwort der Redaktion findet man ein paar Todesanzeigen, die verstorbene Spielercharakteren von Lesern gewidmet sind – wer eine entsprechende Todesanzeige für einen eigenen Ex-Charakter drucken lassen will, kann sich jederzeit mit der Redaktion in Verbindung setzen.
Anschließend gibt es die Kolumne Die Flüstertüte, in der diesmal ein Gastautor seine eigene Meinung zu einem Thema kundtut. Diesmal ist es Andreas Melhorn, der den Spieltisch als soziales Gefüge betrachtet – und hierbei auch mit ein paar Vorurteilen aufräumt, die immer wieder gehört werden. Der wichtigste Punkt seiner Ausführungen dürfte aber der letzte sein: "Vertrauen ist alles“ – ein Plädoyer sowohl dafür, dem Spielleiter zu vertrauen, als auch an den Spielleiter, dieses Vertrauen nicht zu überstrapazieren.
Anschließend gibt es das erste von einer ganzen Reihe von Szenarios, Szenarioschauplätzen und Szenarioideen. Im schottischen Schloss geht es um eben ein solches, auf dem es sehr handfest spukt. Das Abenteuer ist schön offen gehalten und bietet sogar mehrere grundverschiedene Lösungsansaätze. Als Setting kann man sowohl das klassische Cthulhu der 1920er Jaher als auch Gaslicht verwenden.
Für die heutige Zeit ist Twinkle Twinkle gedacht, ein Abenteuer, das in den USA der Jetztzeit spielt und die Spieler über verwirrende Träume auf eine sehr gefährliche Mission aufmerksam macht. Das Abenteuer ist auch für Cthulhu-Neulinge geeignet, könnte aber nei Misslingen eine geplante Kampagne ziemlich abrupt beenden – wenn die SC die Mission nicht bestehen, gibt es zu ernste Konsequenzen für die Welt…
Für Chtulhu Gaslicht ist der One-Shot Die Prophezeiung von Simon Lee gedacht. Durch das Auftreten von Oscar Wilde persönlich und die Tatsache, dass das Abenteuer um die Uraufführung seiner "Salomé“ geht, ist es auch zeitlich nicht leicht zu verschieben. Als One-Shot gibt es vier Fertigcharaktere, die auch hervorragend zum Abenteuer passen. Leicht zu überleben ist das Abenteuer allerdings nicht.
Der nächste Artikel steht unter dem Namen 'Fragmente des Grauens'. Hierbei geht es meist um eine vorgegebene Situation – in diesem Fall ein historisch reales Zugunglück am Gare Montparnasse, das auch bei Wikipedia wiederzufinden ist – und von dessen Wikipedia-Artikel auch mehrere komplette Sätze im Artikel wiederzufinden sind. (Ein Verweis auf diesen Artikel hätte mich nicht nur wegen der Lizenz erfreut, sondern auch, weil es die Tatsache unterstützt hätte, dass die zugrundeliegende Geschichte tatsächlich geschehen ist.) Zu diesem Ereignis gibt es drei Beispiele, wie man dieses Unglück in der Gaslicht-Zeit als Abenteuer für Chtulhu verwenden kann.
Im nächsten Artikel geht es um die Transsibirische Eisenbahn – eine der berühmtesten Eisenbahnlinien der Welt und mit weit über 9.000 km auch die längste. In Form eines Fahrberichts eines Mitglieds der Janus-Gesellschaft wird hier recht eindrucksvoll beschrieben, wie so eine Fahrt erlebt wurde. Und obendrein gibt es eine Reihe Abenteuerideen rund um die Reise und ihre Stationen. Russland – und vor allem der Norden des Landes – wurde bislang ja noch nicht beschrieben, so dass dieser Bericht auch als Settingbeschreibung gute Dienste tut.
Das Leben des Anderen ist eine Tatortbeschreibung für Cthulhu Now, die direkt in ein kleines Abenteuer überleitet. Ein nettes kleines Abenteuer auf zwei Seiten, das man als Spielleiter beliebig ausbauen kann.
Cthulhu Niemandsland – also der Erste Weltkrieg – ist das Setting für Der Graben. Dies ist eine Settingbeschreibung, die einen Schützengraben irgendwo an der Westfront beschreibt, und die beliebig an dieser eingesetzt werden kann. Zu jedem Teil der Beschreibung gibt es neben der allgemeinen Beschreibung einen Nichtspielercharakter, dem man begegnen kann – und ein "Mythoselement“, das durch den Nichtspielercharakter erreicht wird. Man sollte natürlich nicht alle Vorschläge auf einmal einbauen wollen, aber jeder einzelne Vorschlag ist ziemlich stimmig und für eine Kampagne im Weltkrieg geeignet.
Zuletzt findet man noch den "Charakter der Ausgabe“ – dieses Mal geht es um einen Bettler im Nebel. Auch dieser ist wieder für eine Gaslicht-Kampagne gedacht und sehr stimmungsvoll – und die Lehre, die man aus den Abenteuern, die sich um den Bettler entwickeln, ziehen kann, ist: Sei vorsichtig, was Du Dir wünscht, es könnte in Erfüllung gehen…
Als "Sonderbeilage“ gibt es noch ein kleineres Heft aus der Reihe Cthulhus Ruf Archiv (inzwischen – seit Heft 2 – eine feste Einrichtung, also nicht mehr wirklich eine Sonder-Beilage) zum Thema "Kurioses London“. In Form eines Reiseführer-Hefts mit handschriftlichen Anmerkungen entwickelt sich hier ein Bild von London in den 1880er Jahren, mit besonderem Schwerpunkt auf eher ungewöhnlichen Orten und Ereignissen, zusammen mit Andeutungen, aus denen ein Spielleiter wiederum viele Ideen für eine Gaslicht-Kampagne ziehen kann, die die Stadt nicht zu verlassen braucht um kosmischen Schrecken zu erleben.
Hinzu kommt noch eine Sammelmappe, in der wieder einmal zwei Exemplare des Ruf aufbewahrt werden können.
Alleine mit dem Ruf kann ein Spielleiter eine Gruppe viele Spielsitzungen lang beschäftigen. Die sechs Euro, die das Heft kostet, sind also wieder sehr gut angelegt. Meine Daumen gehen für den Ruf jedenfalls wieder nach oben.
[…] Inhalt der Ausgabe Durchgeblättert von purpltntcl Rezi und Erfahrungen eines Autors von Seanchui Rezi von […]