Dice Run
Als ich dieses Jahr über die SPIEL ging, kam mir an einem Stand ein Spiel bekannt vor, sowohl vom Namen her als auch, als ich es mir näher ansah, vom Spielinhalt. Es war ein Spiel, das ich vor vielen Jahren, noch bevor Roachware entstand, für das Clubmagazin eines niederländischen Spieleclubs besprochen hatte, und dessen Herausgeber ungefähr zu jener Zeit von der Bildfläche verschwand, als Roachware ans Netz ging. Die Rede ist von Dice Run vom italienischen Herausgeber Kidult. Kidult ist, wie mir versichert wurde, inzwischen Geschichte, aber das Spiel hat eine neue Heimat gefunden.
Die Neuausgabe sieht äußerlich ganz anders aus als die ursprüngliche Version, und auch die Regeln sollen an ein paar Stellen angepasst worden sein, so dass ich mich natürlich fragte, was sich denn geändert habe. Die ursprüngliche Version war ein überraschend taktisches Spiel mit Würfeln, das ein Fahrradrennen simulierte, wobei die verschiedenfarbigen Würfel Fahrer darstellten. In der neuen Version ist es offensichtlich gedacht, ein Autorennen zu simulieren (wie der Untertitel "Gentlemen start your Dice!“ andeutet), allerdings muss ich zugeben, dass das Bild des Fahrradrennens – oder auch eines Wettlaufes, wie im Regeltext beschrieben – den Spielverlauf besser beschreibt.
Die Kidult-Schachtel hatte das Format eines großen Kosmos-Spiels (quadratische Dose, ziemlich hoch), enthielt aber viel Luft, Die neue Dose ist nur noch 21,5 cm × 13,5 cm × 4 cm groß, dennoch passt alles hervorragend hinein, was beweist, wie viel Luft in der Kidult-Schachtel steckte. Das Material besteht aus
- einem Regelheft, mit Regeln in Englisch, Italienisch, Französisch und Deutsch
- 110 Karten (76 Aktionen, 4 Etappenkarten, 30 Zielvorgaben)
- 30 Würfel, je sechs in den Farben rot, orange, grün, blau und lila
Die Würfel bestehen aus solidem Hartplastik mit gerundeten Ecken und haben mit 16 mm Kantenlänge ganz normales Spielwürfelformat. Die Spielkarten haben einfache Kartenqualität, steckten aber bei Auslieferung in Plastikverpackungen, die etwas schwierig zu öffnen waren. Bei schlechter Beleuchtung kann es passieren, dass man rot und orange auf den Karten nicht leicht unterscheiden kann, wenn man nur eine der beiden Farben auf der Hand hat. Die Karten zeigen nämlich entweder einen weißen Würfel mit einer Zahl, einen farbigen Würfel ohne Zahlen oder viele Würfel, mit einer Andeutung, was die Karte tun kann. Die Etappen-Karten zeigen einen Pokal und eine Punktzahl, aber nicht die Nummer der Etappe. Die Zielvorgaben zeigen einen Würfel mit Farbe und einer Zahl.
Die Spielregel ist vernünftig übersetzt, und ist gut verständlich. Man kann sie on-line hier ansehen (Flash-Anwendung).
Zu Spielbeginn werden erst einmal alle Würfel gewürfelt und in einem Pulk ausgelegt. Jeder Spieler erhält vier Zielvorgabenkarten, die übrigen Zielvorgabenkarten werden als Punktindikatoren verdeckt bereit gelegt. Von den 76 Aktionskarten erhält jeder Spieler drei, die übrigen Karten werden gemischt und in fünf ähnlich große (aber nicht gleichgroße) Stapel ausgeteilt. Auf die Stapel 2, 3, 4 und 5 kommt je eine Etappenkarte, dann werden die Stapel wieder so zusammengesetzt, dass die Stapel in derselben Reihenfolge aufeinander liegen – Stapel 5 ist also der unterste, Stapel 1 der oberste.
Jetzt nimmt sich jeder Spieler aus dem Würfelpulk zwei Würfel, mit denen er würfelt, der höchste Wurf wird der Startspieler. Die gewürfelten Würfel kommen mit den neuen Ergebnissen zurück in den Pulk. Hierbei kann man eventuell seine Chancen schon beeinflussen, indem man bestimmte Würfel wählt…
Ab jetzt verläuft das Spiel im Uhrzeigersinn.
Wer am Spiel ist, spielt eine Karte aus und bewegt (meist) Würfel vorwärts, wodurch der Startpulk in mehrere Gruppen verteilt wird. Dann zieht man eine neue Karte nach (mit einer Ausnahme).
Karten mit Farbwürfeln bewirken, dass alle Würfel der angegebenen Farbe einen Pulk nach vorne rücken. Karten mit einem weißen Zahlenwürfel bewirken, dass alle Würfel mit derselben Augenzahl einen Pulk nach vorne rücken. Die beginnt beim vordersten Pulk (wodurch eventuell ein weiterer Pulk gebildet wird), dann werden die entsprechenden Würfel des zweiten Pulks in den ersten bewegt, dann die aus dem dritten in den zweiten… Wird hierdurch ein Pulk komplett aufgelöst, schließt der nächste Pulk sich direkt an.
Interessanter wird das ganze durch die Sonderkarten: hiermit kann man eine Farbe oder Zahl frei wählen, zwei Würfelgruppen den Platz tauschen lassen, die Spitzengruppe unterteilen, die Würfel der letzten Gruppe auf den 2. Platz bringen, Würfel einer Gruppe und einer bestimmten Augenzahl auf den Wert auf der untersten Seite umdrehen, einen Würfel aus der Spitzengruppe in die letzte legen – oder zwei Würfelgruppen durch einen Extra-Abstand trennen. Hierfür wird die Aktionskarte als 'virtuelle Gruppe' zwischen zwei Pulks gelegt und eine Vorwärtsbewegung aus der hinteren der beiden Gruppen bewegt die Würfel erst einmal in die virtuelle Gruppe – die hierdurch echt wird, so dass die Karte weggelegt werden kann.
Wer am Zug ist, kann alternativ auch eine seiner Zielvorgabenkarten verwenden, um alle Würfel der Farbe und der Augenzahl vorrücken zu lassen – diese Karte wird dann offen gelegt und für die Wertung der laufenden Etappe verwendet, man kann diese Aktion also erst wieder ausführen, wenn die nächste Etappe beginnt. Auch erhält man hierbei keine neue Aktionskarte. Schließlich darf man eine Karte verdeckt vor sich ablegen, um eine ganze Gruppe einmal neu zu würfeln – das darf man erst wieder tun, wenn ein anderer Spieler dasselbe getan hat – man legt dann selber die verdeckte Karte abn und der andere legt eine vor sich aus, um dies anzuzeigen.
Sobald eine Etappenkarte gezogen wird, wird gewertet. Jeder Spieler wählt eine seiner Zielvorgabenkarten – wer eine offen liegen hat, muss diese nehmen – und erhält Punkte: für jeden Würfel derselben Farbe in der Spitzengruppe einen, für jeden Würfel mit derselben Zahl in der Spitzengruppe einen, und für jeden Würfel mit derselben Farbe und Zahl einen Punkt extra (also insgesamt drei für diesen Würfel). Wer die meisten Punkte hat, erhält die Etappenkarte (mit 3, 4, 5 oder 6 Siegpunkten), der zweite erhält zwei Zielvorgabenkarten als Siegpunkte, der dritte erhält noch einen Siegpunkt. Das Rennen geht weiter, ohne dass die Würfelpulk verändert werden.
Wer nach der vierten Etappe die meisten Siegpunkte hat, hat gewonnen.
Wer jetzt denkt, dass das Spiel stark glücksabhängig ist, wird überrascht sein. Man hat zwar durch die wenigen Handkarten meist nicht allzu viele Optionen, was man tun kann, aber man kann doch überraschend gut planen, welche Würfel man in der Spitzengruppe haben will – zumindest, so weit die anderen Spieler das nicht wieder zu durchkreuzen versuchen. Auch die Option, durch Preisgabe des eigenen Ziels für eine Etappe zwei Züge durchführen zu können, bietet ein nicht zu unterschätzendes taktisches Element. Je nachdem, welche Zielvorgaben-Karten man hat, kann man sogar versuchen, mehrere Etappen hintereinander (mit verschiedenen Zielvorgabenkarten) zu dominieren – oder eine Zielvorgabenkarte für die letzte, wertvollste Etappe einzuplanen.
Dennoch ist das Spiel auch für Gelegenheitsspieler sehr nett, und auch diesen mach das Spiel in der Regel viel Spaß. Die Altersangabe auf der Schachtel (14+) darf jedoch als leicht überhöht angesehen werden. Wir waren in der Regel nach einer halben bis einer Stunde durch die Rennen durch.
Der auf der Messe kommunizierte Preis von 25,90 Euro wäre zwar nicht ganz niedrig, aber dem Material durchaus angemessen – er läge immerhin auch zehn Euro unter dem, was man (noch bei Amazon für die Originalausgabe bezahlen würde. Gefunden haben wir die neue Ausgabe bislang nur bei italienischen Versandhändlern, die aber auch nach Deutschland verschicken. Von Oliphante stammt auch die aktuelle Preisangabe.
Offiziell ist das Spiel ab drei Spieler, mit kleinen Änderungen lässt es sich aber auch hervorragend zu zweit spielen (mehr hierüber bei Boardgamegeek).
Hersteller | Kaleidos Games |
Autoren | Spartaco Albertarelli |
Künstler | Chiara Vercesi |
Spieler | (2)3-6 |
Denken | 7 |
Glück | 5 |
Geschicklichkeit | 0 |
Preis ca. | 19,90 € |
Update: Preis und Bezugsquelle Olipahnte angepasst.
[…] der auf der SPIEL seinen Stand unter anderem teilte mit Kaleidos, die das alte Kidult-Spiel Dice Run wieder aufgelegt hatten. Außerdem betätigt Oliphante sich auch als Vertrieb und […]