Eine Schatztruhe voller Magie

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Serpent’s Tongue – Magi’s Chest

Vorweg eine Erklärung: Roach und ich haben eigentlich einen Grundsatz: Wir besprechen alle Spiele, die man uns dazu gibt, solange es eben Spiele sind – nur bei einem Wort haben wir bisher die Grenze gezogen: "Trading“. Nun habe ich hier ein Spiel, in dem dieses Wort zwar nicht direkt vorkommt, aber der Aspekt ist zumindest grenzwertig vorhanden. Warum, das erkläre ich weiter unten, aber der Aspekt ist meiner Meinung nach (glücklicherweise!) zu vernachlässigen, zumindest insoweit, dass nicht die dickere Brieftasche über die Gewinnchancen entscheidet, wie das sonst bei Trading Games leider der Fall ist. Von daher nun zur Besprechung von „Serpent’s Tongue“.

Zuerst einmal – in Serpent’s Tongue lernt man quasi das Zaubern. Aber nicht nur indem man irgendwelche Karten spielt – nein, das ganze ist mit allem drum und dran, mit einer eigenen Sprache und Schrift, Gesten usw., die man auch lernen muss, denn der Mitspieler muss jeweils anerkennen, ob ein Zauber entsprechend gelungen ist. Dieses Ambiente wird durch die opulente Ausstattung noch unterstützt.

SerpentsTongueIn der Magi’s Chest findet der zukünftige Magier:

  • 2 Luxus-Codices mit Kunstledereinband, in die die Seiten eingebaut werden müssen
  • Die Seiten für die beiden Codices mitsamt Kunststoffhüllen zum befestigen der Sprüche
  • 108 Karten mit Sprüchen, Ritualen und einigen Artfeakten, Tarot-Größe
  • 1 Fokusjuwel
  • 64 Marker aus stabilem Karton
  • 2 Energiemesser die jeweils noch zusammengebaut werden müssen (Karton + Kunststoff)
  • 1 Sanduhr (30 Sekunden)
  • 1 W10
  • Das Regelbuch (in Englisch)

Einen Walkthrough – zur Einführung – gibt es als herunterladbare PDF-Datei auf der Webseite des Spiels unter Scenarios and Walkthroughs.

Zunächst einmal hat man natürlich ein wenig Arbeit, da man sowohl die Energiemesser zusammenschrauben muss, als auch die Codices bestücken – und zwar werden die Seiten (sehr schön gestaltet, erinnern an diverse alte Pergamente, wie zusammengesammelt, nicht wie ein einzelnes Buch) in kleine transparente Kunststofftaschen gesteckt, bevor sie eingeheftet werden. In diese Taschen werden später die Spruchkarten, die man in seinem Codex nutzen möchte, eingesteckt.

Hierzu darf ein Magier bis zu 27 Sprüche in seinen Codex einfügen. Keiner darf mehr als dreimal vorkommen, Davon dürfen maximal 2 Stufe 4 haben, bis zu 5 Stufe 3, und die übrigen 20 Stufe 1 oder 2. Man darf höhere Stufen durch niedrigere ersetzen.

Außerdem darf jeder Magier eine Spezialisierung wählen, und ein Artefakt mitnehmen, wenn gewünscht. Eine Spezialisierung bringt unterschiedliche Vorteile, wenn man beispielsweise Magie eines bestimmten Typs verwendet, Artefakte können sehr unterschiedliche Effekte haben.

Die Zaubersprüche gehören grundsätzlich zu einer der sechs Sphären Quantum, Soul, Mind, Bio, Matter oder Forces. Einige Begriffe kommen dem geneigten Leser nun möglicherweise bekannt vor, wenn er das RPG Mage (White Wolf) kennt – das ist auch gar nicht weiter verwunderlich, denn auch hier geht es ja um Magie. Es gibt verschiedene Arten von Zaubern – Angriffs- und auch Verteidigungssprüche unterschiedlichster Couleur, Verbesserungen, Verwandlungen, Bannzauber, und auch Komponenten, die benötigt werden, um mächtigere Zauber zu wirken. Diese müssen erst im Spiel sein, um den Zauber, der sie erfordert, überhaupt sprechen zu dürfen.

Ach ja – "Sprechen“ ist hier wortwörtlich gemeint. Jeder Zauber hat eine bestimmte Silbenfolge einer extra dafür entwickelten Sprache als Formel, die gesprochen wird, dazu gibt es auch noch eine Geste mit der Hand (und wie die Hand gehalten wird, wird von der Sphäre des Zaubers bestimmt). Das Ganze trägt sehr zum Flair des Spieles bei, das wirklich schon Rollenspielelemente beinhaltet, und wenn man sich in die Rolle seines Magiers hineindenkt, fällt das sicherlich auch weit leichter. Immerhin ist man ja nicht irgendwer, sondern ein Magier, der sich mit seinesgleichen (oder diversen übernatürlichen Kreaturen) misst, und irgendwann wird man auch die Elemente der verwendeten Sprache beherrschen (Aussprachehilfen usw. finden sich allesamt im Regelbuch, ebenso das Alphabet).

Nun, wie tritt man also gegeneinander an? In einem klassischen Duell erhält jeder Spieler einen Energiemesser, der auf Essenz 10 gestellt wird (die Werte Harmonie und Resonanz zunächst auf 0), und man hat das Ziel, die gegnerische Essenz auf 0 zu bringen – wie auch immer, die Wege sind mannigfaltig.

Wenn genug Material vorhanden ist, ist auch ein Teamspiel problemlos möglich, und wer gerade keine lebenden Gegner hat, kann sich mit Kreaturen (die per Chipzug gesteuert werden) messen (und so auch ausprobieren, ob der Codex, den man sich zusammengestellt hat, funktioniert). Codex zusammenstellen – Zauberbuch – das klingt auch von anderer Seite her bekannt? Sowohl Magic (das TCG von WotC) als auch Mage Wars (von Pegasus) fallen einem da ein, auch hier ist eine Verwandtschaft zu erkennen, aber es ist wieder ein ganz anderes Spielerlebnis (es würde mich aber wenig wundern, wenn Leute, denen das eine Spaß macht, auch das andere gefällt).

Insgesamt ein sehr atmosphärisches und hochwertiges Spiel, vor allem die opulente Ausstattung (insbesondere die Codices und die großformatigen Karten mit wirklich herausragender Artwork) sind ein echter Hingucker, und geben auch das entsprechende Flair wieder – es kommt zwar aus Amerika, aber der insbesondere finnische Einfluss ist durchaus positiv spürbar.

Wo also ist hier der oben erwähnte Faktor "Trading“? Nun, die 108 Karten in der Kiste sind bei weitem nicht alle. Einige sind ganz bewusst doppelt oder gar dreifach vorhanden (weil sie auch mehrfach gebraucht werden); aber es gibt noch weitere Karten, und diese eben – in Boostern.

Allerdings – und jetzt kommt der Punkt, wo sich Serpent’s Tongue doch positiv von den TCGs die ich sonst so kenne unterscheidet: Man braucht sie nicht alle, schon gar nicht unbedingt (da ja mehr als 27 sowieso nicht in den Codex dürfen), und man kann sie allesamt online anschauen, nachschlagen usw. (die Site bringt auch regelmäßig Besprechungen und Errata zu den Sprüchen, ebenso werden Neuerungen diskutiert – hier geht es um eine Community, an der man sogar aktiv mitwirken kann. Wenn man wirklich eine Handvoll Sprüche gerne hätte, lassen sich diese sicher organisieren, ohne dass man wie irre Booster aufreißt. In dieser Hinsicht bewegt sich Serpent’s Tongue zum Glück auf einem anderen Level.

Gibt es einen perfekten Codex? Das ist sicher eine berechtigte Frage. Glücklicherweise denke ich, dass es den nicht gibt. Sicher gibt es erfolgreiche Kombinationen, und man sollte sich schon überlegen, wie man eine Strategie aufbaut, aber gegen alles gibt es ein Gegenmittel. Eine Werkzeugkiste, die gegen alles das richtige Werkzeug hat, ist noch nicht erfunden, insofern ist es immer eine Frage, wer da – gegebenenfalls auch mit wem zusammen – gegen wen oder was antritt, und sicherlich wird jedes Spiel wieder anders sein.

In diesem Sinne viel Spaß beim Spielen – ich werde auf der SPIEL meinen Codex dabeihaben. Wenn ihr also spielen wollt… vielleicht sehen wir uns ja (und vielleicht habe ich auch ein wenig Zeit).

Hersteller Unbound Games
Autor Christopher Gabrielson
Künstler Jere Kasanen
Spieler 1+
Denken 9
Glück 1
Geschicklichkeit 0
Preis ca. US-$ 49,95

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