Oss
Man verwendete sie schon in der Antike sowohl zum Spielen als auch zur Vorhersage der Zukunft. Als Orakelmaterial sind sie bereits bei den Ägyptern nachgewiesen. Aber auch als Spielmaterial wurden sie bereits von den alten Griechen verwendet, und sind heute in Griechenland und der Türkei, aber auch im islamischen Kulturbereich … und in Frankreich verbreitet. Aber auch in Deutschland werden sie hin und wieder gesichtet – so zum Beispiel im Spiele-Mitmachprogramm des Archäologischen Parks Xanten.
Worum es geht? Natürlich nicht um Würfel, obwohl sie auch als solche verwendet wurden, sondern um Knöchelchen, auch als Astragale bezeichnet. Der römische Begriff für Knochen is Os, Genitiv Ossis, und so wundert es nicht, wenn ein Spiel, in dem diese Knochen – oder genauer: Nachbildungen derselben – den Namen Oss hat. Der Pariser Verlag Spiel-ou-Face gibt dieses Spiel heraus.
In der Schachtel findet alles, was man benötigt:
- 6 farbige Knöchelchen
- 20 Aufgabenkarten
- 5 Herausforderungskarten
- 48 Stammeskarten – 6 Stämme à 8 Karten
- eine Häuptlingskarte
- 6 Trommelkarten
- ein Stoffsäckchen
- die Spielregel auf Deutsch, Englisch und Französisch
Mann kan die Spielregel und auch die FAQ von der Webseite des Spiels herunterladen. Die Karten haben gute Qualität, der Stoffbeutel ist aus einem glatten, angenehmen Stoff und mit Kordelzug. Die Knöchelchen haben zwar die typische Form der Sprunggelenke eines Schafs, sind aber nicht aus Knochen, sondern aus buntem Kunststoff. Sie fühlen sich in der Hand dennoch ein wenig an wie 'echte Knochen'.
Die Stammeskarten zeigen jeweils Stammesmitglieder in primitiv-indianischem Design (sie wirken wie eine Kreuzung aus alter aztekischer Kunst und Höhlenmalereien), und haben in jeder Farbe zweimal die Werte eins bis vier. Ähnliches gilt für die Häuptlingskarte, die den Startspieler kennzeichnet. Die Trommeln sind nett gezeichnet.
Die Aufgaben- und Herausforderungskarten zeigen auf der Aufgabenseite eine Reihe von Geschicklichkeitsaufgaben mit den Knöchelchen in Zeichnungen. Außerdem steht jeweils auf der Rückseite eine, zwei oder sechs Hände (als Solo-, Duell- und Herausforderungs-Aufgabe) abgebildet, sowie jeweils ein QR-Code. Mit letzterem kann man über ein Smartphone ein kurzes Video ansehen, das die Aufgabe zeigt, wenn man die Erläuterung in der Spielregel nicht sofort verstehen sollte. Das ist bei einigen der Aufgaben dann auch notwendig, weil die Beschreibung in der Spielregel platzbedingt manchmal arg kurz ausfällt.
Bei den Aufgaben geht es in der Regel darum, mit den Knöchelchen bestimmte Dinge durchzuführen, während man eines von ihnen, den sogenannten 'Vater‘, hochwirft und wieder auffängt – und zwar mit derselben Hand, mit der man auch die anderen Knochen betätigt. Beispielsweise soll man die übrigen Knöchelchen umdrehen, oder aufsammeln, oder umlegen etc. Also Vater werfen – Aktion durchführen – Vater fangen, ohne dass er auf den Boden/Tisch gefallen ist.
Jeder Spieler erhält einen Stamm und erhält aus den gemischten Karten seines Stamms fünf Karten – die übrigen kommen als Nachzugstapel vor ihn auf den Tisch. Die Aufgabenkarten werden in Gruppen nach Schwierigkeit getrennt und ebenfalls gemischt.
Der erste Spieler ist – Startspieler-Witz – 'der knochigste' und erhält die Häuptlingskarte.
Aus den drei Solo-Aufgabenkartentstapeln wird jeweils die oberste Karte umgedreht, die Duell-Aufgabenkarten werden ebenfalls gemischt und mit der Bildseite nach oben getrennt gelegt. Die Herausforderungskarten schließlich werden gemischt und als verdeckter Stapel ausgelegt.
Beginnend mit dem Startspieler darf jetzt jeder der Spieler genau eine seiner Stammeskarten an genau eine Aufgabenkarte anlegen. Dabei besagt die Position, für welche Aufgabe man sich anmeldet, und die Zahl auf der Stammeskarte, wie viele Knöchelchen man 'sammeln' will (meist aufnehmen, manchmal aber auch bewegen, umdrehen etc.).
Bei vier Spielern kommt es daher schon unweigerlich vor, dass mindestens zwei Spieler bei einer Karte anlegen. Anstelle dieser Aufgabe müssen dann die ersten beiden, die an der Karte angelegt haben, stattdessen das Duell durchführen, weitere Spieler an derselben Karte müssen dann die Aufgabe erfüllen.
Nachdem alle ihre Karten gelegt haben und so bekannt ist, wer welche Aufgabe erfüllen will bzw. in ein Duell geht, geht es an die Ausführung.
In einer Solo-Aufgabe muss man die auf der Karte angegebene Aufgabe so oft erfüllen, wie die gelegte Stammeskarte besagt. Gelingt das, darf man die Stammeskarte als Siegpunkte offen vor sich ablegen, ansonsten geht sie in die allgemeine Ablage (und somit aus dem Spiel).
Bei einem Duell sind die gelegten Kartenwerte zuerst einmal nicht interessant, beide Teilnehmer erfüllen die Aufgabe so oft es geht, und es gewinnt der Spieler, der es häufiger schafft. Bei Unentschieden wird das Duell wiederholt. Der Sieger darf sich eine der beiden Stammeskarten aussuchen (und wird normalerweise den höheren Wert nehmen).
In beiden Versionen kann ein Spieler, der eine Solo-Aufgabe nicht geschafft hat bzw. mit dem Ergebnis einer Duell-Aufgabe nicht zufrieden ist, eine Stammeskarte von der Hand ablegen und die Aufgabe noch einmal angehen. Das darf notfalls dann noch einmal wiederholt werden, so dass man maximal drei versuche hat. Allerdings sind die für diese Wiederholungen verwendeten Karten dann verloren, so dass man in Zukunft entsprechend weniger Karten zur Verfügung hat.
Wenn alle Spieler ihre Solo- oder Duellaufgabe abgearbeitet haben, wird die oberste Herausforderungskarte umgedreht. Alle Spieler spielen diese Herausforderung gleichzeitig, der Sieger erhält die Herausforderungskarte und wird neuer Häuptling.
Nur zieht jeder Spieler eine (!) neue Stammeskarte, dann werden neue Aufgabenkarten umgedreht, und die nächste Runde beginnt mit dem Spieler, der die letzte Herausforderung gewonnen hatte.
Dadurch, dass man mit fünf Karten beginnt, und jede Runde eine Karte nachzieht, kann man am Ende der vierten Runde keine Karte mehr nachziehen, und das Spiel endet. Auch kann man so insgesamt über die ganze Partie nur vier Wiederholungen durchführen.
Jeder Spieler zählt nun die Werte der gewonnenen Stammeskarten und Herausforderungskarten (die jeweils 4 Punkte wert sind) zusammen, und ed gewinnt, wer die meisten Punkte hat.
Das Spiel erfordert natürlich vor allem Geschicklichkeit, um die Knöchelchen korrekt zu werfen und zu fangen. Man sollte sich aber auch gut einschätzen, wie oft man eine Aufgabe ggf. schafft, um mit Aufgaben möglichst viele Punkte zu gewinnen. Andererseits kann man sozusagen Bonuspunkte erwirtschaften, wenn man einen Mitspieler, der eine Aufgabe mit einer Vierer-Stammeskarte 'reservieren' will, mit einer eigenen Einser-Karte in ein Duell zwingt und dieses gewinnt. Mitzählen lohnt, denn wenn man weiß, dass ein Mitspieler nur noch hohe Karten hat, kann man ihn ggf. auch 'von vorne' in der Spielreihenfolge in ein Duell zwingen.
Die Position in einer Runde ist daher wichtig: Wer früh dran ist, kann versuchen, eine Aufgabe zu reservieren, wenn man erwartet, dass die Spieler eher nicht in ein Duell gehen wollen. Wer später dran ist, hat dahingegen den Vorteil, dass man sich aussuchen kann, ob man in ein Duell geht oder gar als lachender Dritter eine Aufgabe erfüllt, während die ersten beiden ein Duell austragen (müssen).
Spieler, die gerne Geschicklichkeitsspiele spielen, dürften an Oss ihre Freude haben. Grobmotoriker und eingefleischte Geschicklichkeitsspiel-Hasser dahingegen eher nicht. Da der Hauptteil des Spiels eben die Geschicklichkeitsaufgaben sind, ist dies wenigstens ein Spiel, das Spielern mit Analyseparalyse entgegenkommt.
Wer das Spiel erwerben will, ist gut beraten, die auf der Webseite des Spiels angegebenen französischen Versandhändler zu belästigen. Aber hier gilt, was auch sonst nicht zu vergessen ist: Bei der Bestellung sollten auch die Versandkosten mitgerechnet werden. Ein Unterschied in einem Euro beim Preis des Spiels kann hier gepaart gehen mit einem Unterschied von fünf Euro in der anderen Richtung bei den Versandkosten…
Hersteller | Spiel ou face, Ariac Games & CAP Games (für letztere weiß ich leider keine Homepage) | |
Autor | Charles Amir Perret (CAP Games), Jean-Michel Maman (Spiel ou Face), Vincent Lemaire (Ariac Games) | |
Künstler | Geoffrey "Le Dimensionaute“ Steck | |
Spieler | 2-6 | |
Denken | 4 | |
Glück | 1 | |
Geschicklichkeit | 8 | |
Preis ca. | 19,90 € |
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