Barragoon
Wer reine Zweipersonenspiele sucht, wird oft bei den Klassikern landen: Schach, Dame (Otto Normalspieler beim 8×8-Feld, Experten – die wissen, dass die 8×8-Dame als "gelöst" betrachtet werden muss – bevorzugen das 10×10-Feld), Go, Backgammon. Selten einmal wird ein wirklich interessantes neues Spiel herausgebracht – auch wenn mit den kürzlich rezensierten Oklahoma Boomers ein schönes Spiel gefunden werden kann. Aber dem Freund des klassischen Strategiespiels passt dabei vielleicht wieder nicht, dass da eine 'Geschichte' hinter der Auseinandersetzung steckt.
(Nicht nur) Für diese Spezialisten ist Barragoon gemacht, vom Oberhachinger WiWa-Verlag. Barragoon ist ein abstraktes Zweipersonenspiel, das in genau das gleiche Segment zielt, in dem die oben genannten 'klassischen' Zweipersonenspiele beheimatet sind.
Auch das Material ist klassisch-schlicht, sieht aber sehr gut aus. In der Schachtes befinden sich:
- ein Spielbrett
- 32 schwarze 'Barragoons‘
- 7 weiße Spielsteine
- 7 schwarze Spielsteine
- die Spielanleitung auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Russisch
Während das Spielbrett (7×9 Felder) aus Karton ist, sind die Spielfiguren aus lackiertem Holz. Ein wenig wirkt das Spielbrett hierdurch als gehöre es in ein anderes Spiel. Die Regel kann man auf der Webseite des Spiels herunterladen.
Die Zugmöglichkeiten der Spielsteine sind auf der Oberseite angegeben: auf einer der beiden Kopfflächen der runden Säulen findet man zwei (2×), drei (3×) oder vier (wieder 2× je Farbe) Punkte, das ist jeweils auch die Zugreichweite des Steins.
Die Barragoons sind würfelförmig, auf den sechs Seiten sind verschiedene Pfeile abgebildet, die die Züge beeinflussen. Zu Spielbeginn stehen acht dieser Barragoons auf dem Spielfeld, zusammen mit den Spielsteinen der beiden Spieler. Wo sie stehen, ist auf dem Spielfeld abgedruckt.
Das Spiel verläuft von den Regeln her relativ einfach. Abwechselnd (Weiß beginnt) zieht jeder Spieler immer einen Stein, und zwar entweder genau so weit, wie auf dem Stein mit Punkten gezeichnet ist, oder ein Feld kürzer. Noch weniger (z.B., mit dem Vierer-Stein nur ein oder zwei Felder weit) ist nicht zulässig. Dabei zieht ein Stein nur waagerecht oder senkrecht, nicht diagonal, und darf auch nur maximal einmal pro Zug rechtwinklig abbiegen. Es ist ebenfalls nicht zulässig über Spielsteine (eigene oder die des Gegners) zu springen, und man kann einen generischen Stein oder ein Barragoon nur schlagen, wenn der Spielstein die maximal erlaubte Zuglänge auch ausnutzt.
Die Barragoons sind hierbei besondere Spielsteine: Wer einen schlägt, muss diesen sofort wieder auf dem Spielfeld einsetzen, und darf ihn dabei so drehen, wie es einem beliebt. Denn auf den sechs Seiten des Barragoons finden sich verschiedene Richtungspfeile bzw. Zeichen: entweder erlaubt ein Barragoon überhaupt nicht, dass man ihn überspringt, oder mit einem Pfeil nur in einer Richtung geradeaus, nur in Rechts- oder Linkskurve, mit einem Doppelpfeil in einer Richtung (horizontal oder vertikal) gerade oder mit einem Vierfachpfeil in allen Richtungen, aber unbedingt abbiegend. Einen Barragoon in Richtungen zu überspringen, die nicht vom Pfeil angegeben werden, ist auch ausdrücklich verboten.
Außerdem werden jedes Mal, wenn ein Spielstein geschlagen wird, zwei Barragoons auf dem Spielfeld eingesetzt: erst einer vom Spieler des geschlagenen Steins, dann einer vom Spieler des schlagenden Steins.
Das Spiel endet, wenn ein Spieler keinen Spielstein mehr hat oder sich nicht mehr bewegen kann. Dieser Spieler hat dann verloren – das "Ich kann mich nicht bewegen“-Patt des Schachspiels ist also nicht möglich. Wohl möglich ist das "Dreimal die gleiche Zugfolge wiederholen“-Unentschieden, wenn beide Spieler sich darauf einigen. Ein Spieler, der das Unentschieden ablehnt, muss in seinem nächsten Zug das Schema durchbrechen. Außerdem gibt es ein Unentschieden, wenn beide Seiten zwar noch ziehen können, aber kein Spieler noch einen Barragoon oder einen gegnerischen Spielstein schlagen kann – auch nicht nach mehreren (ggf. verkürzten) Spielzügen. Diese Unentschieden ergeben sich allerdings nur extrem selten.
Das klingt vielleicht ein klein wenig kompliziert, aber wenn man erst einmal am Spielbrett sitzt, hat man die paar Regeln in zwei, drei Zügen bereits verinnerlicht und beginnt, Wege zu suchen, die Barragoons für eigene Zwecke zu planen. Zwar gibt es keinen Zufallsfaktor, aber die Partien entwickeln schnell ihre eigenen Dynamiken, und keine zwei Partien scheinen einander auch nur zu ähneln. Das erhöht natürlich den Wiederspielwert.
In unserer Testspielrunde wird das Spiel wohl nur selten einmal herausgeholt werden, fürchte ich – mit nur zwei Spielern und einer Spielzeit von ein bis zwei Stunden (Hektiker und Analyseparalytiker einmal außer acht gelassen) ist es nicht gruppentauglich. Für traute Runden zu zweit hingegen ist es hervorragend geeignet – man merkt, dass die Autoren selbst Schachspieler sind und ein Spiel entwickeln wollten, das genauso fesselnd wie Schach ist, aber deutlich einfacher zu lernen. Das ist ihnen hervorragend gelungen.
Update 22.02.: Barragoon hat – vollkommen zu Recht – den MinD-Spielepreis 2016 in der Kategorie "komplexes Spiel" gewonnen. Preisverleihung war am Samstag, dem 20.02.
Hersteller | WiWa-Spiele | |
Autor | Robert Witter, Frank Warneke | |
Spieler | 2 | |
Denken | 10 | |
Glück | 0 | |
Geschicklichkeit | 0 | |
Preis ca. | 29,99 € |
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