Ich allein

Ein Plädoyer für ein missverstandenes Spiel

Es ist Weihnachten, und zum Fest habe ich ja immer etwas besonderes. Deshalb heute einmal keine Rezension, sondern etwas, was einer Rezension ähnelt. Vielleicht hat der eine oder andere meiner Leser ja den Mut, es einmal zu probieren und festzustellen, wie sehr sich ein Spiel nur durch ein paar "kleine“ Regeländerungen verändern kann.

Es geht hierbei nicht einmal um ein unbekanntes Spiel, sondern um einen wirklichen Klassiker, der aber den Ruf hat, extrem langatmig und langweilig zu sein – letzteres unter anderem wegen ersterem. Es ist ein Spiel, das in den meisten Haushalten zu finden ist, in der einen oder anderen Form. Einige der Bestandteile sind so ikonisch geworden, dass Parodien keine Erläuterung bedürfen. Es geht um…

Monopoly

Auch ich habe in meiner Jugendzeit Monopoly gespielt. Anfänglich mit Begeisterung, aber schnell setzte genau der Effekt ein, den ich oben beschreibe: Die Spiele schienen endlos zu sein, ohne dass jemand einen Vorteil erreichte, und irgendwann blieb das Spiel im Schrank. Und verstaubte langsam, bis…

Vor kurzem kam ein Klassenkamerad aus seiner neuen Heimat im fernen Ausland zu Besuch. Mein Blog kannte er, ohne bemerkt zu haben, dass er den Eigentümer sogar persönlich kannte.

Bei unserem Gespräch meinte er dann, er habe ja in seiner Familie Monopoly erst richtig kennen gelernt. Auf meinen verwunderten Blick meinte er: "Wenn Du es als langweilig kennst, dann habt ihr garantiert ein paar Hausregeln benutzt, die leider viel zu gebräuchlich sind. Komm doch in den nächsten Tagen einmal vorbei, und dann spielen wir“ – er meinte seine Frau, seinen Sohn, seine Tochter (beide zum ersten Mal in Deutschland) und sich selbst – "mit Dir eine Runde richtiges Monopoly.“

Gesagt, getan. In der ersten Runde wurde ich gnadenlos an die Wand gespielt, denn einige DInge, die ich als ganz selbstverständlich hingenommen hatte, waren in den Regeln ganz anders vorgesehen.

Zunächst einmal das Feld 'Frei Parken'. Ich kannte es nur so, dass Steuern und sonstige Abgaben als eine Art Jackpot in die Mitte des Spiels gelegt wurden, und wer auf dem Feld 'Frei Parken' landete, konnte den aktuellen Jackpot einstreichen. Laut Regeln sollte das Geld aber an die Bank gehen und so dem Kreislauf erst einmal entzogen werden.

Der Effekt alleine ist bereits enorm. Dadurch, dass ein Teil des Geldes durch die Steuern etc. abgeschöpft wird, bleibt den Spielern deutlich weniger Liquidität, mit der sie Mieten, Grundstücke etc. bezahlen können. Man muss wesentlich genauer durchkalkulieren, was man sich leisten kann und will, und wo man tatsächlich besser nicht zuschlägt.

Hinzu kommt noch eine Regel, die das Spiel erst recht auf ein anderes Niveau hebt. Wenn jemand auf eine Straße kommt und diese nicht kaufen will, was geschieht dann? Den meisten ist die Regel "zu umständlich“, dass das Grundstück dann versteigert werden soll, und es wird gehausregelt, dass dann ganz einfach gar nichts geschieht. Das hat aber gleich einen doppelten Effekt.

Zum einen werden die Grundstücke hierdurch deutlich langsamer verkauft, was die Geschwindigkeit des Spiels enorm herabsetzt – der Geldkreislauf kommt erst gar nicht in Fluss, es werden viel weniger Mieten fällig, der Hausbau wird zusätzlich erschwert, und so weiter. Außerdem ist es ohne weiteres möglich, die eine oder andere Straße deutlich unter dem Listenpreis zu erwerben, was die Rendite durch die Mieten stark verbessert. Man muss bedenken, dass die Rendite bei den Straßen theoretisch fast überall identisch ist – auf jede Geldeinheit, die man bezahlt, erhält man nur so und so viel Geld zurück. Wenn man jetzt durch eine Auktion eine Straße deutlich verbilligt erhalten kann, erhöht sich dadurch die Rendite, wenn man dazu kommt, von einem Mitspieler eine Miete einzufordern – mehr "Bang for the buck“, wie der Amerikaner sagen würde.

Durch diese erhöhte Geschwindigkeit des Geldes und den schnelleren Abverkauf der Grundstücke ergibt sich nicht nur ein schnelleres und kürzeres Spiel, sondern auch ein Effekt, der eher unerwünscht ist: In dieser Version gibt es eindeutig das "Runaway Leader“-Phänomen. Wenn jemand gleich zu Spielbeginn mit drei, vier glücklichen Würfelwürfen einen Vorsprung erhalten kann, kann er diesen wiederum finanziell einsetzen und so seinen Vorsprung weiter vergrößern. Es wird dann schon ein ziemlicher Kampf, ihm den Vorsprung wieder abzunehmen. Aber dieser Nachteil wiegt deutlich weniger als der Vorteil, der durch die 'Rules as Written' geboten wird.

Alles in allem ist der Unterschied, der zwischen den beiden Versionen besteht, aber enorm. Während ich die 'gehausregelte' Version in unserer Klassifizierung eher als 'Denken – 4, Glück – 7' einordnen würde, ist die regelgerechte Version sicherlich eher bei 'Denken – 7, Glück – 4' einzuordnen. Es zeigt sich, dass auch hier eine Faustregel gilt, die ich für Hausregeln im Rollenspiel immer dringend anrate: Erst einmal mit den Originalregeln spielen und analysieren, weshalb die Regeln so sind, wie sie sind – wenn danach immer noch Bedarf besteht, kann man ja vorsichtig an den Stellschrauben drehen. Hausregeln müssen nicht schlecht sein, man sollte aber genau wissen, warum man etwas ändert, und was der Effekt sein wird. Und man darf auch nicht bang sein, sie wieder zurückzunehmen, wenn man feststellt, dass sich Nebeneffekte einstellen, mit denen man nicht gerechnet hätte, die aber zu negativ sind. Und wie will man solche Nebeneffekte erkennen, wenn man gar nicht weiß, wie ein Spiel sich 'richtig' anfühlt und spielt?

(Übrigens: Als "Monopoly-Experte“ meinte mein Bekannter, die Kinder-Versionen seien, wenn man sie vernünftig spiele, fast so halsabschneiderisch wie die Normalausgabe, aber die 'Mega‘-Version würde durch die zusätzlichen Straßen das Spiel über Erwartung velangsamen, und er finde die Version nicht so gut…)

Ein Kommentar

  1. […] “Schon ‘mal ohne Hausregeln gespielt? Erinnere Dich an Monopoly.” […]

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