Spur ins Dunkel – Private Eye Abenteuerband 8
Einmal im Jahr zur SPIEL – pünktlich wie Old Faithful – erscheint in der Redaktion Phantastik ein neuer Abenteuerband zu Private Eye, meist von den Spielern und Spielleitern schon sehnsüchtig erwartet. Mit in der Regel zwei Abenteuern bietet es für eine sich regelmäßig treffende Runde zwar nicht ein jahrfüllendes Programm, aber einen guten Start.
Zur letzten SPIEL erschien mit Spur ins Dunkel der inzwischen achte Band der Neuausgabe. Wieder gibt es zwei Abenteuer, hinzu kommt eine kurze Übersicht über Wien in den 1890ern (der 'Gaslicht‘-Periode) und ein Kuchenrezept. Wie wäre ja nichts ohne die Sachertorte, und so wird auch ein Rezept für diese hier abgedruckt. Die Titel der beiden Abenteuer sind zum einen 'Spur ins Dunkel‘, zum anderen 'Abrakadabra'.
Wie bei Private Eye üblich spielten beide Abenteuer in den 1890ern, wobei für die Spur sogar feste Daten vorgegeben sind: 'offiziell' soll das Abenteuer am 7. Oktober 1893 starten, als eine gewisse Lucille Beaver die Detektive bittet, den verbleib ihres verschwundenen Gatten zu ermitteln, der am 4 Oktober abends von einer Reise zurück erwartet wurde.
Es geht in dem Abenteuer, wie beim Gespräch mit Lucille Beaver deutlich wird, um eine Reise, die wahrscheinlich nach Wien führte, aber anscheinend zumindest bis London zurück führte, denn Lucille hat ihren Gatten dort noch gesehen, ihn aber nicht erreichen oder ansprechen können, da er auf einem anderen Bahnsteig war als sie.
Wer sich mit den üblichen Tropen auskennt, wird beinahe schon erwarten, dass es um einen Doppelgänger geht, und zwar wie so oft um einen eineiigen Zwilling. Aber das müssen die Spieler erst einmal herausfinden – und die Identität des Zwillings dürfte auch als eine Überraschung kommen. Der ursprüngliche Titel des Abenteuers (s.u.) hatte das allerdings selbst stark gespoilert.
Das eigentliche Abenteuer beginnt dann damit, dass die gute Frau Beaver vor den Augen der Detektive von einer Droschke totgefahren wird – dass es sich hierbei um einen Mord handelt, dürfte den Detektiven schnell klar sein. Aber hat das etwas mit dem Verschwinden ihres Mannes zu tun?
Das Abenteuer setzt dann voraus, dass die Helden eine Menge Reisen – Brentwood in Sussex, Dover, Calais und Wien sind einige der Stationen.
Hier muss ich allerdings anmerken, dass meinen Spielern zwei Kleinigkeiten auffielen. Zum einen werden die Entfernungen – für Deutsche angenehm – in Kilometern genannt, obwohl man als Engländer Meilen erwarten würde. Aber noch wesentlich störender war ein Detail auf der Karte 'Railways in Kent‘, von der ich hier links ein Stück – als Auszug der Urversion von Clem Rutter – wiedergebe (Zum Vergrößern einfach das Bild anklicken). Na, sieht jemand, was ich meine? Und nein, ich meine nicht den Font – Grotesk-Fonts (also Fonts ohne Serifen) werden bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts verwendet…
Wenn man genau hinsieht, sieht man ganz rechts eine Zuglinie, die das Englische Land verlässt und in den Kanal hinaus führt – und zwar deutlich mehr als die knappe Meile, die der Untertunnelungsversuch von 1882 erreichte. Man könnte höchstens wohlwollend behaupten, dass der Macher beim Erstellen der Karte den Untertunnelungsversuch in vorwegnehmendem Gehorsam als beendet eingezeichnet hätte.
Leider ist die Karte aber hier bei Wikimedia Commons wiederzufinden – und die Zahlen bezeichnen die Jahreszahlen der Fertigstellung – demnach wurde die Linie bei Richborough 1925 fertiggestellt, und die Tunnellinie bezeichnet tatsächlich den Eurotunnel.
Ich ziehe meinen Hut vor meinen Spielern, die, als sie das Handout von mir erhielten, in wenigen Sekunden den Tunnel entdeckten – ich hatte knapp drei Minuten benötigt.
Gerade zu Anfang hatten die Spieler das Problem, nicht zu sehen, wo sie überhaupt Nachforschungen anstellen konnten – einmal von Kommentaren wie "Gibt es überhaupt Abenteuer, die in London spielen? Immer die Reisen…“ abgesehen. Besonders die Tatsache, dass man bei der Reise an einer Stelle unintuitiv zurück reisen sollte, um eine bestimmte Spur zu finden, obwohl alle bekannten Indizien vorwärts weisen.
Hier könnte der Tipp aus dem Abenteuer nützlich sein, dass die Detektive für eine Reise nach Wien mehr Ersatzkleidung benötigen als sie eventuell nach Calais mitgenommen haben – eine Übernachtung müssen sie aber auch dort einplanen. Und da Wien sowieso auf dem Plan steht, könnten die Detektive auf den Gedanken kommen "Fahren wir einfach hin, irgendwie werden wir schon die nötigen Spuren finden – schließlich ist dies eine Detetktivgeschichte, und da gehört das Finden von Spuren einfach dazu…“
Wenn die Detektive sich aber durch die Untersuchung durchgebissen haben, werden sie gegen Ende noch eine besondere Überraschung erleben, die die ganzen Mühen belohnt, vor allem, da die Detektive diese Reaktion sicher nicht erwarten werden.
Auch für das zweite Abenteuer müssen die Detektive nach Wien – allerdings beginnt das Abenteuer hier erst, wenn die Detektive schon in Wien sind. Es geht um einen Trickbetrüger und Aufgabe der Detektive ist natürlich, die Täter dingfest zu machen. Dieses Mal sind keine Leichen zu beklagen – was von der Testgruppe mit Überraschung, aber positiv aufgenommen wurde. Auch ist das Abenteuer deutlich geradliniger und so auch für erste Schritte in einem Detektivrollenspiel geeignet.
Abgeschlossen wird der Band von einem Hintergrundteil zu Wien in der Gaslicht-Ära, der so auch für andere Systeme (ich denke hierbei natürlich vor allem an Castle Falkenstein und Cthulhu Gaslicht) gut geeignet ist, wenn er auch natürlich den Umfang eines Cthulhu-Quellenbandes nicht erreichen kann – die grundlegenden Gegebenheiten zu Wien im Gaslicht-Zeitalter und ein wenig das Wiener Lebensgefühl bringen die Texte aber sehr wohl herüber.
Wem die beiden Abenteuer bekannt vorkommen: die beiden Abenteuer sind bereits einmal, im Jahr 1993, von B&B (dem damaligen Herausgeber von Private Eye) herausgegeben worden und wurden jetzt neu aufgelegt. Die Originaltitel waren damals Ein Kriminalfall am Rande und – in einem spoilernden Titel
Der doppelte Biber
Wahrscheinlich erinnert sich heutzutage aber kaum noch jemand an die Abenteuer von damals, und so sind beide Abenteuer für eine Detektivrunde im Gaslicht-Zeitalter (und ohne übersinnliche Phänomene) ausgezeichnet geeignet. Meiner Runde haben beide Abenteuer gut gefallen.
Hersteller | Redaktion Phantastik |
Autor | Jan Christoph Steines, Martin Dürr |
Künstler | Manfred Escher (Umschlag), Alexander Tran, vers. |
Spieler | RPG |
Denken | RPG |
Glück | RPG |
Geschicklichkeit | RPG |
Preis ca. | 16,95 € |
Spur ins Dunkel bei Amazon
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