First to Fight
Es gibt Armeen, die haben – zu recht oder auch zu unrecht – einen schlechten Ruf. Während des 2. Weltkrieges gilt dies natürlich vor allem für die französische (deren Panzer bekanntlich Rückspiegel hatten, damit die Fahrer die Front im Auge behalten konnten) oder die italienische (die, nachdem sie sich ausgerechnet bei den Franzosen blutige Nasen geholt hatte, in Griechenland aktiv wurden. Immerhin hatten sie Überzahl, waren motivierter und besser ausgerüstet – aber leider hat das niemand den Griechen erklärt…). Noch wesentlich weniger (aber dadurch wenigstens auch keinen so schlechten) Ruf hat die polnische Armee der gleichen Zeitperiode – sie wird meist ignoriert, gerade als habe Polen zu Beginn des 2. Weltkrieges keine eigene Armee gehabt. Das verwundert nicht, denn nachdem Polen vom Angriff Deutschlands überrascht worden war, wurde das Land überrollt, bevor die Armee sich organisieren konnte.
Allerdings hatten die polnischen Truppen sich nach der Niederlage des Heimatlandes nicht aufgelöst, sondern ab 1941 in Russland an der Verteidigung gegen die Truppen der Achsenmächte beteiligt. Von Russland über den Balkan, Arabien und Afrika bis hin zur Eroberung von Monte Cassino 1944 bewährten die 'wandernden Soldaten' sich auf beinahe allen großen Schauplätzen des Krieges. Viele von ihnen konnten auch nach dem Weltkrieg nicht in die Heimat zurückkehren, und mussten bis zur Neuordnung Europas nach dem Fall der Mauer warten, bis sie 1989 dann endlich die Heimat wiedersahen. Den Anteil, den diese polnischen Soldaten am 2. Weltkrieg hatten, veranschaulicht das Spiel First to Fight.
In der großen, quadratischen Schachtel findet sich folgendes Material:
- ein Spielbrett
- 54 Soldatenkarten
- 30 Missionskarten (16 Phase I – 1940-1942, 14 Phase II – 1943-1945)
- 24 Ereigniskarten
- 10 Wundenmarker
- 40 Trainingsmarker
- 12 Krankenpflege-Marker
- 6 Befehlstafeln
- Konzentrationsmarker
- Siegpunktmarker (30 × 1 Punkt, 18 × 5 Punkte)
- ein Zeitmarker
- Kontrollmarker (zeigt, wie hoch die Kontrolle der Gebiete durch die Achsenmächte ist)
- 4 Spickzettel für Spieler
- ein dreiseitiger Würfel (als Sechsseiter mit 2× 1-3)
- ein Regelheft mit den Regeln in Polnisch und Englisch
Das Regelheft kann man auch bei Boardgamegeek downloaden.
Die meisten Marker stecken in einem Stanzbogen, aus dem sie sich aber leicht herauslösen lassen. Die Soldatenkarten zeigen historische Soldaten der polnischen Armee der Zeit, allgemein sind die Karten stimmungsvoll gezeichnet und haben ordentliche Qualität. Leider aber haben die Missionskarten ein kleines Problem: die Bezeichnungen der Missionen stehen in recht dünnem Font auf einen beige-braun melierten Hintergrund, wodurch sie sehr schlecht zu lesen sind. Im Regelheft kann man aber nachsehen, welche Aktionen gemeint sind.
Interessant an diesem Spiel ist zunächst einmal, dass zwar alle Spieler auf der gleichen Seite des Krieges spielen (also sozusagen den polnischen Generalstab darstellen, der 1939 noch in Polen stationiert war, 1945 aber in London im Exil saß), aber jeder Spieler seine eigenen Ziele hat.
Zu Spielbeginn werden einige Soldaten zufällig "auf dem Brett“ positioniert – eigentlich aus Platzgründen daneben, aber in Bereichen, die farbig markiert sind und die Gebiete auf der Karte repräsentieren. Von den Missionen der ersten Phase erhält jeder Spieler vier Stück und darf eine verdeckt abwerfen. Nicht verteilte und abgeworfene Missionen der Phase I werden unbesehen in die Spielschachtel zurück gelegt. Missionen stellen grundsätzlich Schlachten des 2. Weltkrieges dar, an denen polnische Soldaten beteiligt waren – es muss ja nicht immer ein unternehmen wie Monte Cassino sein, bei denen polnische Soldaten entscheidend beteiligt waren: Auch Kämpfe wie das Versenken der Bismarck, bei dem die polnischen Soldaten deutlich weniger federführend waren, werden hier genannt.
Das Spiel verläuft in Runden, die jeweils in zwei Phasen aufgeteilt sind. Zunächst kommt die Befehlsphase, anschließend die Abschlussphase – man könnte sie auch als Missionsphase bezeichnen. Während der Befehlsphase versucht man nämlich die Bedingungen zu erfüllen, damit die aktuellen Missionen in der Abschlussphase erfolgreich erfüllt werden können.
In der Befehlsphase wählt reihum jeder Spieler einen von maximal sechs verschiedenen Befehlen (die auf den Befehlstafeln wiedergegeben werden). Jeder Spieler darf den Hauptbefehl ausführen; der Spieler, der den Befehl gewählt hat hat noch ein paar 'erweiterte Möglichkeiten‘, je nach Befehl als Ersatz oder zusätzlich zum normalen Befehl.. Innerhalb einer Runde / Befehlsphase wird jedr Befehl maximal einmal ausgeführt – die entsprechende Befehlskarte wird umgedreht, um anzuzeigen, dass sie nicht mehr zur Verfügung steht. Im einzelnen sind die möglichen Befehle:
- Die Soldaten können bewegt werden. Und zwar immer in ein benachbartes Gebiet – oder als erweiterte Möglichkeit in ein beliebiges Feld, abert das errsetzt die normale Bewegung.
- Man kann Soldaten tarinieren, wodurch sie stärker werden oder besser im Untergrund aktiv werden können. Der Spieler, der den Befehl wählt, darf zusätzlich einen Krankenpflege-Marker nehmen (Maximum drei).
- Man kann Sabotage verüben in Bereichen, in denen die Soldaten im Untergrund mehr Punkte haben als der Kontrollwert des Gebiets – die Kontrolle verringert sich hierdurch, in besetzten Gebieten (mit besonders hohen Kontollwerten) gibt es hierfür noch Siegpunkte. Die erweiterte Aktion besteht darin, dass man, wenn man in einem nicht besetzten Gebiet Sabotage durchführt, eine Zusatzaktion abhängig vom Gebiet ausführen darf.
- Man kann zusätzliche Soldaten rekrutieren, um so die Stärke der polnischen Truppen in den Gebieten zu erhöhen. Hierbei erhält man zwei Karten vom Soldatenstapel und sucht sich eine aus – als erweiterte Aktion erhält man stattdessen drei, von denen man sich eine aussuchen darf.
- Der Befehl 'Konzentration' ermöglicht verschiedene Dinge, von denen jeder Spieler sich einen aussuchen darf. Man kann sich einen Krankenpflegemarker nehmen, einen Soldaten bewegen oder einen Marker einer Waffengattung auslegen (und hierfür den bisherigen ausliegenden nutzen oder entfernen). Soldaten dieser Waffengattung können sich nicht aus dem so markierten Gebiet entfernen, und es gibt Siegpunkte für alle Soldaten, die ein Spieler in diesem Gebiet erscheinen lässt, durch Bewegung oder durch Rekrutierung.
- Man kann sich für Manöver entscheiden. Dies beendet die laufende Befehlsphase, auch wenn noch nicht genutzte Befehle offen liegen. Wenn Befehle offen liegen, werden auf alle noch offenen Befehle je ein Siegpunkt gelegt, der nächste Befehl (in der nächsten Runde) wird durch den nächsten Spieler ausgeführt. Wenn alle anderen Befehle genutzt worden waren, darf der Spieler, der Manöver wählen musste, in der nächsten Runde den ersten Befehl wählen.
In der Endphase darf zunächst jeder Spieler Krankenpflegemarker verwenden, um 1:1 Wundenmarker von Soldaten zu entfernen. Anschließend kommt es zu einem Ereignis, das die Kontrolle der Achsenmächte in einem Bereich erhöht und die Zeit fortschreiten lässt, und zwar jeweils um zwei bis sechs Monate.
Jetzt werden alle Missionen abgehandelt, die Spieler auf der Hand haben und die in der Zeit fallen, die durch die Ereigniskarte angegeben wurde – sprich: alle Ereignisse die vor oder in dem Monat erfolgten, der durch die Ereigniskarte erreicht wurde. Für Leute, die keine Geschichtswissenschaftler mit Schwerpunkt 2. Weltkrieg sind, werden diese Daten auch auf den Missionskarten angegeben.
Jede Mission hat eine Schwierigkeit, hinzu kommt noch die Kontrolle durch die Achsenmächte. Wenn die Soldaten zusammen mindestens so viel Stärke aufbringen (nicht verletzte Einheiten einer bestimmten, auf der Karte angegebenen Waffengattung bringen ihre volle Stärke ein, verletzte und Soldaten anderer Gattungen nur einen Punkt), wird die Mission erfolgreich abgeschlossen und man kann sie offen vor sich ablegen, auf der Karte steht auch, wie viele Siegpunkte das bringt. Ansonsten ist sie nicht erfolgreich und wird verdeckt abgelegt – eine solche Mission kostet bei Spielende fünf Siegpunkte. Für jede abgehandelte Mission darf man sich während Phase I zwei Missionen aus Phase II nehmen, eine aussuchen und die andere unter den Stapel mit Phase-II-Missionen zurücklegen, bis man drei Missionen aus Phase II besitzt. Für Missionen aus Phase II gibt es keine neuen Missionen.
Zum Abschluss der Phase wird noch bestimmt, wie viele Soldaten verletzt oder gar getötet wurden. In jedem Gebiet, in dem eine Mission ausgeführt wurde, werden Wundmarker verteilt. Es gibt Wundmarker abhängig vom Kontrollwert, plus einem Würfelwurf (also plus ein bis drei Marker). Die Marker gehen einzeln an die Soldaten mit den niedrigsten Werten für Untergrundaktivitäten, wenn für die letzten Marker mehr Soldaten mit dem gleichen Untergrundwert vorhanden sind, entscheidet der Spieler, der den Manöver-Befehl gewählt hatte. Wenn alle Soldaten einen Wundmarker haben, beginnt man wieder bei den Soldaten mit dem niedrigsten Untergrundwert. Nachdem die Wundmarker verteilt sind, werden alle Soldaten mit mindestens zwei Wundmarkern aus dem Spiel genommen. Außerdem sterben alle Soldaten, die zwar eine Wunde, aber keinen Trainingsmarker haben.
Das Spiel endet, wenn alle Missionskarten abgehandelt sind – erfolgreich oder nicht. Jeder Spieler hat ja bereits ein paar Siegpunkte aus dem laufenden Spiel (z.B. durch Konzentration oder durch Befehlswahl), hinzu kommen die Siegpunkte aus erfolgreich abgeschlossenen Missionen und Minuspunkte aus den nicht erfolgreichen Missionen. Wer die meisten Punkte hat, gewinnt – bei Gleichstand kann noch die Anzahl erfolgreicher Missionen ausgewertet werden. Gleichstände sind natürlich auch dann noch möglich.
Es gibt noch eine erweiterte Version, bei der die Ereigniskarten zusätzlich zu dem Verlauf der Zeit auch 'neutrale Ereignisse' anstoßen, die verschiedenste Effekte haben. Sie können Soldaten verwunden, töten, trainieren, den Kontrollwert verändern etc.
Ein nicht unwichtiger Teil des Regelheftes ist meiner Meinung nach auch die Übersicht über die Missionen – während die Missionen auf den Missionskarten nur ein Bild zeigen, erklärt das Regelheft genau, worum es bei der Mission ging.
Das Spiel erschließt sich auch einem Vielspieler nicht leicht – man wird es wiederholt spielen müssen, um die möglichen Effekte der verschiedenen Befehle bewerten zu können. Da die Soldaten für alle Mitspieler kämpfen, ist jede Aktion, die einen Soldaten stärkt, automatisch auch für fast alle anderen Spieler vorteilhaft – man muss eben zusehen, dass man selber mehr davon profitiert als die anderen.
Ein interessantes Detail sit, dass man tatsächlich, wenn das Jahr 1942 anbricht (und damit Phase II) wesentlich weniger Aktionen pro Runde durchführt, so dass in den späteren Runden die Siegpunkte für weniger populäre Aktionen wichtig werden – aber das entspricht auch ein wenig den geschichtlichen Gegebenheiten.
Überhaupt ist das Spiel eine sehr interessante Lehrstunde der historischen Gegebenheiten – wer will, kann die einzelnen Ereignisse als Anlass nehmen, sich einmal näher zu informieren. Aber auch für historische Analphabeten bietet das Spiel trotzdem eine interessante Herausforderung.
Das Spiel ist, wenn man es zu zweit spielt, fast schon ein Aufbau-Strategiespiel, in dem man die Truppen aufbaut. Zu viert versucht man dahingegen fast genauso sehr, die anderen Mitspieler zu stören und ihre Pläne zu vereiteln. Interessant ist es aber in allen Konstellationen. Was es hingegen so ganz und gar nicht ist, ist ein CoSim – auch wenn manche es wegen des Themas gerne in die Ecke drängen möchten.
Hersteller | Fabryka Gier Historycznych und Fundacja Niepodłeglosci | |
Autor | Adam Kwapiński, Michał Sieńko | |
Künstler | Mateusz Bielski, Grzegorz Bobrowski, Iga W. Grygiel, Paweł Piwko | |
Spieler | 2-4 | |
Denken | 8 | |
Glück | 6 | |
Geschicklichkeit | 0 | |
Preis ca. | 37 € |
First to Fight bei Amazon.
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