Knarren, Bikes und heiße Ware

Sons of Anarchy – Men of Mayhem

Sons of AnarchyGale Force Nine ist eigentlich eher auf dem Tabletopsektor ein Begriff – bekannt für nützliche Spielhilfen, Material zur Tischgestaltung usw., aber seit einiger Zeit kommen aus diesem Hause auch Brettspiele, die in der Regel Lizenzprodukte sind, meist eine Fernsehserie zum Thema haben und mit entsprechender opulenter grafischer Ausstattung aufwarten.

So ist das auch bei Sons of Anarchy. Wer die Serie gesehen hat, kennt zumindest die Motorradgangs, die im Spiel vorkommen, ansonsten – es ist nicht notwendig die Serie zu kennen, um das Spiel zu spielen. Es reicht zu wissen, dass man eine von mehreren rivalisierenden Bikergangs spielt, die versucht im Milieu um Waffen, Drogen und der zugehörigen Gewalt am Ende mit dem dicksten Konto dazustehen.

Von daher irritiert mich ein wenig die Altersangabe "13+“. Von der Spielmechanik her, okay, aber von der Thematik? Es hat schon einen Grund, wieso die Serie eher nach 22 Uhr läuft, und die Thematik zieht sich schließlich durch das ganze Spiel, und sowohl die kleinen schwarzen Knarren wie auch die ominösen weißen Päckchen („Schmuggelgut“) sind zwar sehr hübsch gestaltet, aber lassen wenig Zweifel daran, um was es geht. Aber das muss ja jeder selber wissen…

Kommen wir wieder zum Spiel. Erst einmal kommt es in einer eindrucksvollen, quadratischen Schachtel daher, auf der das Ganglogo von SAMCRO (Sons of Anarchy Motorcycle Club Redwood Original, wer’s nicht weiß) prangt – hat was. Und das Material ist wirklich aufwendig und detailliert gestaltet:

  • 4 Clubhaus Karten (dicker Karton)
  • 4 Spielersichtschirme (dünner Karton)
  • 24 Ortskarten (dicker Karton)
  • 36 Anarchy-Karten
  • 4 "hardcore“ Anarchy-Karten
  • 1 Abzeichen
  • 4 Würfel (W6 mit Ganglogo als 6, in Gangfarbe)
  • 4 x 5 "Mitglieder“ (Biker aus Plastik)
  • 4 x 5 "Anwärter“ (Fußgänger aus Plastik)
  • 24 "Schmuggelwaren“ (ominöse weiße Taschen, Kunststoff)
  • 24 Knarren (detailliert, schwarzer Kunststoff)
  • 18 "Heat“ Tokens (stabiler Karton)
  • 32 "Order“ Tokens (dito)
  • 139 "Cash“ Tokens (dito, schauen aus wie Geldbündel)
  • die Spielregel (Englisch)

Interessant: die Anzeige der Schwarzmarktpreise (von der Spielerzahl abhängig) lag nicht bei (das ist wohl ein Produktionsfehler, der GF9 bekannt ist – kann kostenlos auf der Seite als PDF heruntergeladen werden); dafür war aber zumindest in meiner Schachtel eine fünfte Clubhauskarte, die der Grim Bastards, enthalten, die eigentlich zum ersten Expansion Set gehört.

Nun mal zum eigentlichen Spiel: 5 "Orte“ sind immer gesetzt (zB der Emergency Room und das Polizeirevier), dazu kommen noch sechs "zufällige“ Orte aus dem Pool (die anderen spielen in diesem Spiel nicht mit), die aber zunächst noch verdeckt sind. Dann erhält jeder Spieler seine "Startaufstellung“ (die "High Octane“ Seite der Clubhauskarten ist empfehlenswert, da sonst alle gleich starten, und das ist doch eher langweilig, und "schwieriger“ wird das Spiel durch die variable Startaufstellung nicht, man hat nur eher die Wahl, wie man spielen möchte, da jede Gang andere Stärken und Schwächen hat).

Die so erhaltenen Tokens (Knarren, Schmuggelware und Cash) werden hinter dem Sichtschirm verborgen – man weiß also nur, womit jeder angefangen hat, man bekommt zwar Aktionen mit, was die Leute so machen, aber das alles im Kopf zu behalten – wer’s kann, ist klar im Vorteil, weil er dann weit schwerer zu bluffen ist. Nun bewegt man seine Gangmitglieder zu "Orten“ – das geht per "Order“, passenderweise ist auf den Tokens ein Handy abgebildet. Wieviele "Orders“ man pro Spielrunde hat, ist variabel (Gang und Ganggröße sind hier entscheidend). Mit diesen kann man jeweils eine beliebige Anzahl Leute von einem Ort zu einem anderen Ort schicken.

Hat man alleine Leute an einem Ort und ist an der Reihe, kann man eine Order dazu ausgeben, um diesen Ort zu "nutzen“ – welchen Nutzen ein Ort hat, steht auf der jeweiligen Karte, und ist unter Umständen sehr unterschiedlich. Manche Orte kann man "boosten“ – heißt, eine extra Order ausgeben und eine weitere Funktion nutzen. All das geht aber nur, wenn man dort "alleine“ ist.
Ist man dort nicht alleine… nun… dann… kann es eben blutig werden. Wohlgemerkt, kann. Solange da nur Leute rumstehen, passiert erst einmal nichts, und wer an der Reihe ist, kann seine Leute auch einfach wieder (per Order) abziehen – oder aber den Angriffsbefehl geben.

Das geht wie folgt: Order zahlen, dann so viele Orders ausgeben, wie man mag (und kann) um noch von weiteren Orten "Verstärkung“ zu holen (das darf der Gegner danach aber auch), und dann werden die Waffen gezogen (sprich: Knarren in die geschlossene Hand genommen, nie mehr als man Leute am entsprechenden Ort hat). Man muss keine Waffen ziehen (die Biker können sich also auch schlicht vermöbeln, wen sie wollen), aber wenn man sich darauf verlässt, dass der andere das auch nicht tut, hat man vielleicht zwar einen Ruf als ehrlicher Ganger, aber die Gang sitzt in der Notaufnahme.

Abgerechnet wird nämlich wie folgt: Würfelwurf, +1 pro Anwärter, + 2 pro Mitglied, + 3 pro Knarre, höhere Summe gewinnt, bei Unentschieden entscheidet der Patch (der auf diese Art übrigens auch einem Spieler abgenommen werden kann, zunächst hat ihn der Startspieler), aber pro eingesetzte Knarre wandert ein Feind in die Notaufnahme. Es kann also durchaus sein, dass nach einem Kampf ein Ort "freigeräumt“ ist (z.B. weil der Verlierer – der den Platz räumen muss – genug Knarren dabei hatte, um den kompletten Sieger über den Haufen zu ballern). Dass dann irgendein "lachender Dritter“ das ausnutzt, ist eigentlich garantiert.

Manche besonders brisante Orte generieren "Heat“, sprich: Aufmerksamkeit der Polizei. Wer davon zu viel hat, muss am Ende eines Zuges ein Bauernopfer liefern, dann ist erst mal wieder Ruhe. Und es gibt auch andere Möglichkeiten, "Heat“ auf-, aber auch abzubauen (ist zwar nicht die feine englische, aber wenn die Rivalen Stress mit den Cops haben, hat man ggf. erst mal selbst seine Ruhe).

Abgesehen von der ganzen Streiterei und den Ortsaktionen (Kaufen, Verkaufen, Tauschen, Abgreifen etc.) kann man auch noch Anwärter zu Mitgliedern befördern – in der Regel kostet das Geld und eine Knarre, aber es gibt auch Orte, die das ermöglichen.

Nachdem alle Orders durch sind, wird noch Schmuggelgut umgesetzt – auch hier wird wieder "gepokert“, man nimmt die entsprechende Menge in die Hand, alle öffnen gleichzeitig, und dann sieht man was man dafür bekommt – je geringer das Angebot, umso höher der Ertrag, logisch eigentlich, also ist es hier sowohl nützlich, zu behalten, wer wie viel zur Verfügung hat, als auch, die Gegner richtig einzuschätzen. Immerhin hat am Ende (nach 6 Runden) der mit der meisten Kohle gewonnen.

Ein paar Überraschungen gibt es noch durch Anarchy-Karten (15 zufällige pro Partie), die z.B. Schwierigkeiten verursachen oder Gelegenheiten bieten (Gelegenheiten funktionieren wie Orte, aber sind nach der Runde wieder weg). Die "hardcore“ Karten sind entsprechend markiert und sollten beim ersten Spiel nicht unbedingt dabei sein. Was aber definitiv dabei sein sollte, ist Konzentration, und auch ein wenig verschwörerisches Gemauschel – denn "verhandeln“ kann man mit und über alles (außer Orders, Heat und Leute) – Handel untereinander, und Absprachen, sind durchaus erwünscht, aber wie vertrauenswürdig sind die anderen Spieler? Das muss jeder selbst entscheiden.

Insgesamt ein recht gutes und schnell spielbares Spielkonzept, wobei die Thematik vielleicht nicht jedermanns Sache ist, aber das tut dem Spiel an sich nicht unbedingt einen Abbruch. Die Ausstattung ist opulent, das Material gut bis sehr gut (die Orte haben die Größe von Bierdeckeln und sind stabil, die Karten sind einfach, aber gut, die Figuren sind recht detailliert, und die ganze Aufmachung ist durchaus stimmungsvoll). Ich bin schlicht mit der Altersangabe nicht sonderlich glücklich – weil man so eine Thematik eben nicht vom Alter abhängig machen kann. Ich kenne durchaus Dreizehnjährige, die da differenzieren könnten und damit kein Problem haben, aber auch Erwachsene, die das Spiel schon deshalb nie anrühren würden.

Summa summarum: Gutes Spiel, vor allem, wenn man Bluffaktionen und entsprechendes Taktieren mag. Der Glücksfaktor ist zwar da, aber nicht groß, was ich sehr begrüße. Was irgendwo "vermisst“ wurde, war die Möglichkeit eines "Bottle out“ – wenn der Angriff kommt, man muss das schon im Vorfeld erahnen und im Zweifelsfall rechtzeitig die Leute abziehen, selbst wen man nur einen Anwärter von einer Gang sieht, vor der man (berechtigt?) Respekt hat (und auch dagegen gibt’s ja Mittel, je nach Ortsaktionen…). Und wer ein Fan der Serie ist, mag es zusätzlich vielleicht schon allein deshalb haben. Meinen Testern hat es jedenfalls Spaß gemacht.

Hersteller Gale Force 9
Autor Sean Sweigart, Aaron Dill
Künstler Katie Dillon, Charles Woods
Spieler 3-4
Denken 8
Glück 4
Geschicklichkeit 0
Preis ca. 39,95 €

Sons of Anarchy bei Spiele-Offensive.de

Sons of Anarchy bei Milan Spiele

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