Piratenglück

Tides of Infamy

Tides of InfamyGute Dinge kommen zu Leuten, die warten können. Das könnte als Motto gedacht sein hinter dem Projekt der SpieleSchmiede, mit der Tides of Infamy eine deutsche Übersetzung erhalten soll. Ursprünglich wurde das Spiel nämlich im Mai bei Kickstarter finanziert, wobei aber nur ein paar wenige Pledgelevel überhaupt in Europa erhältlich waren, wie ich auch in der entsprechenden Ausgabe der Finanzexperten anmerkte. Das Spiel hatte dennoch zwölf Stretchgoals erreicht, und befindet sich zur Zeit wohl in der Produktion. Allerdings hat das Kickstarter-Projekt seit dem 8. Juni keine expliziten Updates mehr erhalten – ein paar Details kann man aus dem Kommentarthread allerdings noch herauslesen.

Mir lag für die Rezension ein Prototyp vor, der das Material enthielt, das in der Grundausführung (vor dem ersten Stretchgoal) bereits im Spiel sein sollte und auch einige Stretchgoals ebenfalls umfasste. Einige der höheren Stretchgoals waren noch nicht im Prototyp enthalten, aber das ist ja auch ganz normal.

Das Material des mir vorliegenden Prototypen sollte sich daher in Details noch ändern. Auch lag mir die Übersetzung nicht vor, ich habe versucht, passende Begriffe zu verwenden und gebe jeweils den Originalbegriff mit an. Übersetzt werden mussten nur die Piratenglück-Karten, die Spickzettel und die Spielregel, alles andere war sprachneutral. Vorhanden waren auf jeden Fall:

  • vier (Endversion: sechs) Dreiersets aus Schiffen: einem Bilander, einer Slup („Sloop of War“) und einem Schlachtschiff („Man of War“)
  • sechs Beutemarker („plunder“)
  • 12 Schattenhandels-Marker
  • 5 Schatzkisten-Marker („treasure“)
  • 99 Ruchmarker („Infamy“, dienen als Siegpunkte)
  • 25 Landkarten-Stücke
  • vier (sechs) Häfen
  • vier (sechs) Spickzettel (ursprünglich wie die Spielfeldkartons, auf Deutsch aber als Karten, was sinnvoller ist)
  • Bewegungskarten
  • Kampfkarten
  • Piratenglück-Karten
  • 2 Spielermarker (erster/letzter Spieler der Runde)
  • die Spielregel

Die Qualität der Karten wurde durch Stretchgoals noch verbessert – die Basisversion war aber bereits sehr angenehm zu benutzen. Die Schiffe sind sehr schön geraten, allerdings sind die Farben alle ziemlich dunkel, was bei schlechter Beleuchtung am Spieltisch zu Irrtümern führen kann – vielleicht sind die Farben aber in der Endversion kräftiger geworden, das ist mir leider nicht bekannt. Die Schatz-, Schattenhandels- und Beutemarker sind kleine Holzringe, was auf den ersten Blick ein wenig mickrig wirkt, sich aber im Spielverlauf als recht gewitzt und nützlich herausstellt (siehe weiter unten).

Zu Spielbeginn bauen die Spieler aus den Kartenstücken (oder einem Teil derselben) ein Spielfeld auf, wobei ein Kartenstück – eine 'Piratenbucht' – offen liegt, der Rest wird verdeckt ausgelegt. Jeder Spieler erhält die drei Schiffe eines Sets (in einer Farbe) und einen Hafen; die drei Schiffe werden auf der Hafenseite der Karte aufgestellt – die andere ist die Werft, in der beschädigte Schiffe repariert werden können.

Zu den Kartenstücken: sie zeigen verschidenste Dinge, die nur teilweise spielrelevant sind. Jedes Kartenstück besteht aus 3×3 Spielfeldern die spielrelevant Wasser darstellen können, Felsen, Häfen, Inseln und Portale. Häfen und Inseln besitzen jeweils auch Strömungsmarkierungen. Die übrigen Markierungen sind zwar stimmungsvoll, aber weder Delfine noch Meerjungfern, weder Sargasso noch Nebel oder anderes hat Einfluss auf das Spiel.

Jede Spielrunde besteht aus drei Phasen, in der ersten und dritten können alle Spieler gleichzeitig agieren, in der mittleren Phase ist die Reihenfolge wichtig, für die die beiden Spielermarker (erster – letzter Spieler) benötigt werden.

In der Hafenphase erhält jeder Spieler Bewegungskarten, und zwar je eine für jedes Schiff, das zur Zeit aktiv ist – Schiffe in der Werft müssen zunächst repariert werden. Wenn man hierbei eine der wenigen Reparatur-Karten erhält, darf man damit sofort ein Schiff in der Werft reparieren, oder eine Reparaturkarte auf Vorrat legen, weitere Karten müssen abgeworfen werden. Für jede dieser Reparaturkarten erhält man eine neue Karte – es ist hier nicht ganz klar, ob man für soeben reparierte Schiffe eine weitere Bewegungskarte erhält oder nicht.

In der Bewegungsphase zieht jeder Spielere reihum immer ein Schiff, wobei Kämpfe immer am Ende eines einzelnen Durchganges stattfinden, das heißt, wenn der Spieler mit dem "letzter-Spieler-Marker“ ein Schiff gezogen hat.

Zum Ziehen spielt man eine der Beweungskarten und darf eines der Schiffe so viele Felder weit ziehen, wie diese Karte anzeigt. Außerdem darf man mit manchen Bewegungskarten ein Spielfeld-Kartenstück aussuchen, auf dem mindestens ein feindliches Schiff steht – alle Gegner erhalten für jedes Schiff auf dem Kartenstück eine Piratenglück-Karte. Man zieht nur waagerecht und senkrecht, und auf Feldern, auf denen ein generisches Schiff steht, muss man stehen bleiben; dort kommt es zum Kampf.

Zu Spielbeginn liegen ja alle Kartenstücke (bis auf eines) verdeckt. Ein Schiff, das ein neues Kartenstück betritt, deckt dieses auf – die Ausrichtung des Kartenstücks ist in diesem Augenblick auch vorgegeben, so dass man mit ein wenig Pech direkt auf Felsen fährt, wodurch das Schiff leicht beschädigt wird und in den (eigenen) Hafen versetzt werden muss. Ansonsten können auf dem Kartenstück auch Inseln und Häfen liegen, auf denen dann entsprechende Beute-, Schatz- oder Handelsmarker ausgelegt werden. Wichtig ist, dass die letzten sechs Kartenstücke beim Aufdecken noch je einen Ruchmarker liefern, der dem Spieler direkt gegeben wird. Für alles andere muss man erst die Insel / den Hafen etc. anfahren, bevor man die Marker auf das Schiff laden kann.

Das darf gerne wörtlich genommen werden: auf den Modellschiffen sind Pins, auf die man die Markierungsringe stecken kann – und die genau so lang sind, dass man die Kapazität des Schiffes ausnutzen kann aber keine weiteren Marker aufstecken kann. Man muss also nicht immer nachschauen, wie viel Laderaum noch frei ist, sondern sieht es direkt am Modell. Durch diesen Mechanismus wird auch das Format der Ringe sinnvoll und notwendig.

Die Strömungen sind übrigens nur zu beachten, wenn man eine Insel oder einen Hafen verlässt, nicht bei der Anfahrt.

Im zweiten und dritten Durchgang muss man natürlich Schiffe bewegen, die in dieser Runde noch nicht bewegt wurden. Um dies sicherzustellen, kann man die Karten an die dem Schiff entsprechenden Felder im Hafen anlegen – noch so ein gewitztes Detail wie die Schatz- etc. -Scheiben. Im ganzen Spiel verstecken sich solche kleinen aber feinen Details.

Nach jedem Durchgang kommt es zum Kampf, wobei es zwei Methoden gibt, die Kampfkarten zu verwenden.

In beiden Versionen erhält man abhängig von den teilnehmenden Schiffen und der Rolle als Angreifer oder Verteidiger eine bestimmte Anzahl Kampfkarten. Diese Karten zeigen Werte von 1 bis 6 in fünf verschiedenen Farben, wobei jede Karte doppelt vorliegt. Hinzu kommen zwei 'Seedrachen‘-Karten.

In der 'Scuttle‘-Version spielt man mit den (mindestens 5) Karten ein Stichspiel auf drei Runden. Für jeden Stich spielt man eine Karte verdeckt, die dann gleichzeitig aufgedeckt werden. Es gewinnt die höchste Karte – und wer zwei der drei Stiche gewinnt, gewinnt den Kampf.

In der "Red Sky“-Version wird mit den Karten ein Spiel gespielt, das ein wenig an Texas Hold’em und ein wenig an draw Poker erinnert. Es gibt aber nur eine gemeinsame Karte, und nachdem diese aufgedeckt wurde, darf man bis zu zwei Handkarten austauschen. Dann deckt jeder Spieler, beginnend beim Angreifer, zwei Karten auf – Seedrachen, die normalerweise hier als Joker zählen, versenken allerdings in dieser Kampfphase alle teilnehmenden Schiffe (Angreifer kommen in die Werft, Verteidiger in den Hafen).

Nachdem die ersten zwei Karten aufgedeckt wurden, daf jeder Spieler, wieder beginnend beim Angreifer, aus dem kampf in ein benachbartes freies Feld flüchten, falls vorhanden. Für jedes flüchtende Schiff kommt ein Ruchmarker auf das Kampffeld.

Nur darf, wieder beginnend mit dem Angreifer, jeder Spieler noch einmal zwei Karten aufdecken. Mit diesen vier Karten und der gemeinsamen Karte ergibt sich eine Pokerhand, Es gewinnt, wer die beste Pokerhand hat – bei Gleichstand geht der Sieg an den frühesten Angreifer im Gleichstand.

Die Schiffe der Verlierer verlieren alle Schatz- etc. -Marker und kommen in den Hafen, wenn Verteidiger, in die Werft, wenn Angreifer. Das siegende Schiff kann sich beliebig an den Markern bedienen bis es voll ist. Außerdem gibt es für Feinde, die geflüchtet sind oder besiegt wurden je weinen Ruchmarker.

Wenn alle Bewegungskarten gespielt wurden und alle Kämpfe beendet sind, kommt es zur Reparaturphase.

Hierzu ist zu beachten, dass Schiffe, die in die Werft kommen, dort zunächst einmal gelegt werden. In der Reparaturphase darf man jetzt zunächst einmal eine ggf. im Vorrat befindliche Reparaturkarte nutzen um ein liegendes Schiff aufrecht zu stellen. Anschließend werden alle aufrecht stehenden Schiffe aus der Werft in den Hafen gestellt, und danach alle noch in der Werft liegenden Schiffe aufgestellt – ein nicht durch eine Reparaturkarte repariertes Schiff fällt so eine Runde aus.

Ziel des Spiels ist es, Ruchmarker zu sammeln. Es gibt diese für gewonnene Kämpfe, für das Aufdecken der letzten sechs Spielfeldteile und für Schatz- etc. -Marker, die man aufgesammelt hat und in einer Piratenbucht ablädt. Außerdem kann man über die Piratenglück-Karten noch Punkte sammeln.

Wenn man eine dieser Karten erhält, kann man zunächst, bevor sie aufgedeckt wird, beschließen, einen marker vom Schiff abzulegen und dafür die Piratenglück-Karte unbesehen unter den Stapel zurück stecken.Die kann sinnvoll sein, denn die meisten Piratenglück-Karten sind eher als Piratenprech-Karten zu bezeichnen.

Wenn man die Karte aber akzeptiert, bleibt sie offen vor dem Spieler liegen, und erhält für jede offen ausliegende Karte nach der ersten einen Ruchmarker. Außerdem kann man je zwei offen liegende Karten verwenden um in der Reparaturphase ein Schiff zu reparieren (wie mit einer Reparaturkarte) und eine offene Piratenglückkarte in einem Kampf gegen eine zusätzliche Kampfkarte austauschen (maximal zwei zusätzliche Kampfkarten).

Für den Sieg benötigt man eine Anzahl Ruchmarker, die von der Anzahl der Spieler abhängt. Man kann theoretisch mit Kämpfen genug Punkte sammeln – es kommen ja immer neue Schiffe nach -, aber sinnvoller ist es, diese Marker 'gemischt' zu sammeln – oftmals endet ein Spiel dann mit einem aufgedeckten Spielfeld: die letzten sechs aufzudeckenden Felder sind ja jeweils einen Ruchmarker wert…

Das Spiel hat einen recht hohen Glücksfaktor, vor allem, wenn es um Kämpfe geht. Man hat aber dennoch eine Menge Einflussmöglichkeiten und so gut wie nie das Gefühl, dass man keine Wahl hat. Hierdurch ist das Spiel sowohl für Viel- wie für Gelegenheitsspieler geeignet, wobei es den Gelegenheitsspieler und den Spieler in der Familie wohl etwas eher ansprechen dürfte als den Vielspieler. Gerade in der deutschen Version ist das Spiel aber eine Bereicherung für jeden Spieltisch. Allerdings ist es zu dritt oder viert deutlich besser spielbar als zu zweit, weil man zu zweit einfach zu viel Platz hat, sich aus dem Wege zu gehen und auch kaum Anreize bestehen einander anzugreifen. Das ist zu dritt oder viert ganz anders.

Mit Ersatzmaterial (zwei zusätzliche Schiffssets) haben wir es auch zu sechst versucht; hierbei wurde es fast schon zu voll – hier könnte aber auch ein zu hohes Spielziel Schuld sein. Der 'Sweet Spot' für das Spiel scheint aber bei vier Spielern zu liegen.

Auch gibt es durch die Stretchgoals ein 'Geisterschiff' – die Regeln hierzu lagen uns leider nicht vor, so dass ich dazu nichts sagen kann.

Wer schon bei der Kickstarter-Aktion mitgemacht hat, braucht sich aber nicht zu ärgern: laut einem Kommentar bei der SpieleSchmiede erhalten deutsche Kickstarter-Bäcker das Übersetzungs-Set gratis mitgeliefert. Das ist einmal guter Service!

Das Projekt läuft noch bis zum 2. August – man sollte sich aber dennoch beeilen, da die 'normale' Bezahlung (per Belastung des Bankkontos) bis zum 31. Juli abgeschlossen sein (also auf dem Konto belastet sein) muss.

Hersteller Gamewalker
Autor Jacob A. Bunting
Künstler John Ariosa, Cory Godbey, Peter Wocken
Spieler 2-6
Denken 7
Glück 8
Geschicklichkeit 0
Preis ca. € 45 (Preis bei der SpieleSchmiede)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert