Ultima Ratio: Im Schatten von MUTTER
Auf der RPC fiel uns ein Stand auf, der SPIEL völlig entgangen war – er lag auf der SPIEL allerdings auch direkt beim Stand der GfR, die, wenn ich mich recht erinnere, ein wenig abseits der 'normalen Wege' lag. Angeboten wurde ein Rollenspiel in – erst einmal – drei Bänden: einem Basisregelwerk und zwei Quellenbänden. Alle drei Bände ziemlich dünn, in broschiertem DIN A4, zu einem absolut gesehen recht niedrigen Preis.
Auch die Beschreibung, die uns am Stand zuteil wurde, klang interessant: ein neuartiges Erzählspielsystem, das eine der nervigsten Diskussionen, die am Spieltisch entstehen können, vermeidet, nämlich das leidige "wieso kann ich meinen Charakter noch nicht leveln?“ Da man uns auch gleich die drei Hefte in die Hand drückte, haben wir sie natürlich mitgenommen und kommen diese jetzt zur Rezension.
Zunächst einmal: die Aufteilung der drei Bände ist ziemlich konsequent geschehen, und es gibt auch kaum Dopplungen. In einer fernen Zukunft hat sich irgendwo im Weltraum ein Sternenreich etabliert, Im Basisregelwerk ist effektiv nichts vom Hintergrund zu finden, was nicht unbedingt notwendig wäre (dass eine Reihe Fremdrassen hier genannt werden, beispielsweise). Und wer den größeren geschichtlichen Überblick haben will, wie die Menschen überhaupt in diese Gegend des Weltraum gelangt sind und welche Probleme sie hatten, wird im Lukeanischen Reich wesentlich mehr Details finden als im Kolonie-Handbuch zu Auda, wo die Geschichtsschreibung recht spezifisch auf diese Koloniewelt zugeschnitten ist.
Was auf jeden Fall gesagt werden müsste ist: Nach einer Jahrhunderte währenden Reise auf mehr als 20 Generationsschiffen (wobei weder bekannt ist, wie lange genau, auch wenn man Vermutungen hat, und nicht weiß, woher die Menschen kamen – "Am Anfang war das Schiff“ ist eine oft gehörte These) landete die Menschheit auf einem Planeten, der sich als bereits von einer humanoiden Lebensform besiedelt erwies, mit der man aber – mit gewissen Einschränkungen – gut zurecht kam. Da die Generationsschiffe eigentlich schon ihr Mindesthaltbarkeitsdatum weit überschritten hatten, dauerte es anschließend wieder lange, bis man sich daran machen konnte, die nähere und weitere Umgebung zu erforschen, und jetzt sind im Raumsektor eine ganze Reihe Intelligenzien bekannt.
Nach vielen Kriegen und mehr oder weniger ernst gemeinten Friedensverhandlungen wurde das 'Lukeanische Reich' gegründet, nach dem Namen des Flaggschiffes unter den Generationenschiffen. Neben diesem gibt es noch einen großen Machtblock, die insektoiden Nishzrra. Getrennt werden die beiden Machtblöcke durch einen neutralen Korridor und mehrere 'blockfreie' Systeme, die teilweise allerdings auch wieder in eigenen Föderationen zusammengeschlossen sind.
Dies ist in erster Linie auch ein Schutzmechanismus, weil man Angst hat, dass man ansonstn von einem der beiden 'Großen' ganz einfach geschluckt würde.
Einen Sonderfall im Reich nimmt in gewisser Weise S01-ZK02 ein, also Auda. Im selben Sonnensystem wie Lukea (S01), aber als zweite zivile Kolonie gegründet, ist Auda (der Name des Generationsschiffes, das für die Gründung dieser Kolonie ausgeschlachtet wurde) das Thema des zweiten Hintergrundbandes.
Nach einer missglückten Revolte ist ein Gutteil Audas immer noch verwüstet, und gesellschaftlich könnte man das Image Audas mit einem Ghetto für Kriminelle und den sozialen Abschaum vergleichen, auch wenn die Kolonie ihre Situation bereits stark verbessert hat und sogar ein beliebtes Reiseziel geworden ist.
So gibt es auch viele KINDlose Bewohner des Planeten, die sich in die Einöden zurückgezogen haben, da sie keine Mitglieder des Reiches sind.
Auch hier liegt das Hauptaugenmerk auf der Gesellschaft und ihrer Struktur. Allerdings gibt es auch ein paar kurze Passagen zur Flora, Fauna und Geographie des Planeten. Grundsätzlich ist der Kolonie-Band alleine verwendbar, aber manche Fragen bleiben offen, die nur im Band zum lukeanischen Reich beantwortet werden.
So viel zum Hintergrund, jetzt ein Blick auf die Regeln dieses "Erzählspiels“.
Dass ich den Begriff in Gänsefüßchen gesetzt habe, hat seinen Grund. Wikipedia leitet den Begriff zwar direkt weiter zum Pen&Paper-Rollenspiel, kennt aber im verlinkten Artikel eine Unterkategorisierung in regel- bzw. würfellastige Spiele und Erzählspiele. Letztere zeichnen sich meist dadurch aus, dass nur wenig gewürfelt wird, und das meiste von den entscheidungen der Spieler abhängt.
Wie sieht das jetzt bei Ultima Ratio aus? Als ich den Charakterbogen das erste Mal sah (noch bevor ich das Regelwerk gesehen hatte), dachte ich an die WoD-Bögen, Allerdsings gibt es hier keine Punkte, sondern Dreiecke, die man ausfüllen kann.
Das liegt daran, dass man mit Fußangeln vierseitigen Würfeln würfelt – man hat bis zu zehn Würfel. An Werten, mit denen gewürfelt werden kann, kennt der Bogen Attribute, Fertigkeiten, 'Kräfte' (meist von der Spezies abhängige Fähigkeiten, die anderen nicht zur Verfügung stehen, sowie Mentalistenkräfte), Professionen und Eigenschaften. Meist wird auf eine Fertigkeit gewürfelt (die Summe von x Würfeln), wobei ein passendes Attribut zum Würfelergebnis iert wird (nicht gewürfelt). Was aber genau gewürfelt wird, und was hinzugezählt wird, kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein – ein Spickzettel wäre hier nützlich gewesen.
Einen Spezialfall stellen die 'Eigenschaften' dar – Furchtlosigkeit, Willensstärke und Moral können auch negativ ausgeprägt sein (Adrenalinjunkie, Sturheit bzw. Selbstsucht). Ob man sie zu Spielbeginn in der positiven oder negativen Ausprägung besitzt, kann man sich aber frei aussuchen.
Diese Eigenschaften können dem Spieler allerdings dann auch während des Spiels quer schießen – wenn ein Spieler mit einem hohen absoluten Wert in Furchtlosigkeit sich ängstlich verhalten will, kann es sein, dass der Spielleiter ihm eine Probe auf die Eigenschaft abverlangt. Man kann diese Probe verweigern, indem man einen Punkt der Eigenschaft abbaut, wird das aber in der Regel nicht tun wollen, da der Wiederaufbau ziemlich schwierig sein kann.
Was die Menge der Würfelei angeht, befinden wir uns hier also schon eher im Shadowrun/OSRIC-Bereich als im Fiasco/FATE-Bereich. Die Bezeichnung als 'Erzählspiel' muss daher mit großer Vorsicht genossen werden.
Durch die Wahl vieler kleiner Würfel ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung natürlich eine starke Gaußkurve, an die man sich als Spielleiter erst einmal gewöhnen muss.
Werte steigern kann man auf zwei Wegen. Zum einen gibt es die Möglichkeit, dass man bei einer Probe mit allen Würfeln Vieren würfelt. In diesem Fall (der bei höheren Frtigkeitenwerten schnell extrem unwahrscheinlich wird) darf man den Fertigkeitenwert um einen Punkt erhöhen.
Alternativ gibt es eine Trainingsmethode, um seine Werte zu verbessern. Allerdings bedeutet diese dann wieder genau das, was das System eigentlich vermeiden will: Buchhaltung undf Diskussionen, ob man seine Werte steigern kann.
Auch wenn die Reklame behauptet, man könne sich aussuchen, auf welcher Seite (Lukeanisches Reich / KINDlose und Rebellen / noch andere) man spielen will, sind die Materialien bislang eher auf Angehörige des Reiches ausgelegt. Für diese ist Ultuma Ration bislang allerdings ein recht flexibles System, das eher in der Old School verwurzelt ist.
Die Materialien gibt es alle sowohl als PDF als auch in gedruckter Form, wobei die PDFs ein wenig günstiger sind. Außerdem werden sie via DriveThruTRPG verkauft, was bedeutet, dass man – sollte man die Datei verlieren, zum Beispiel durch einen Festplattencrash – sie bei DriveThru wieder herunterladen kann.
Hersteller | Heinrich Tüffers Verlag |
Autor | Nikolas Tsamourtzis, Thomas Klaus |
Illustrationen | Nikolas Tsamourtzis, Stephanie Böhm, Aljosa Mujabasic, div. Via iStock.com |
Spieler | RPG |
Denken | RPG |
Glück | RPG |
Geschicklichkeit | RPG |
Preis | 9,95 € (jeder Band, PDF), 12,95 € (jeder Band, gedruckt) |
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