Nebenkriegsschauplatz

Orkensturm

OrkensturmEine ungewöhnliche Kooperation wurde kurz vor der SPIEL bekanntgegeben: Der Ulisses-Verlag übernimmt den Vertrieb der Rollenspielmaterialien von Heidelberger (weährend die Redaktion und Produktion weiterhin bei Heidelberger verbleibt), während Heidelberger im Gegenzug die Brettspiele aus dem Hause Ulisses vertreibt (während die Produktion derselben bei Ulisses bleibt). Beide Seiten erhoffen sich auf diesem Wege eine bessere Repräsentation und Promotion im Kernmarkt der jeweils anderen Seite – und das Heidelberger beim Brettspiel bzw. Ulisses beim Rollenspiel die besseren Verbindungen der beiden hat, dürfte wohl klar sein.

Aber Moment 'mal: Brettspiele von Ulisses? Da hatte es doch seit Dungeon Twister nichts neues mehr gegeben? Oder sollten Tabletops gemeint sein? Nein, neben Soda Pop’s Super Dungeon Explore hat Ulisses neuerdings auch ein Brettspiel mit dem Namen Orkensturm und in Kürze auch Myth im Angebot. Um ersteres geht es in dieser Rezension.

Das Spiel entführt uns in die jüngere aventurische Geschichte – in die Zeit des dritten Orkensturms. Im Jahr 1010 BF begannen die Orks aus ihrer Heimat im Orkland auszubrechen, eroberten erst das Svelltland und fielen dann 1012 im Mittelreich ein. Zie Lage wurde für das Mittelreich noch durch zwei weitere – zusammenhängende – Ereignisse erschwert: Im Phex 1011 verschwand Kaiser Hal sodass Prinz Brin als Regent die Staatsgeschäfte übernehmen musste, und Answin von Rabenmund nutzte die Gunst der Stunde und intrigierte gegen Prinz Brin mit dem Ziel, sich selbst auf den Thron zu setzen.

Im Brettspiel geht es vor allem um die Intrigen, die sich im höfischen Gareth entsponnen haben. Die Spieler spielen auf Seiten der Answinisten und der Brintreuen gegeneinander und versuchen, möglichst viel Ansehen in der Krise zu erwerben.

In der großen quadratischen Schachtel findet man:

  • ein Spielbrett
  • das Regelheft
  • 16 Spielfiguren, je zwei in 8 Farben
  • 4 Zählsteine
  • 8 Loyalitätskarten
  • 14 Beraterkarten für Brins Seite
  • 14 Beraterkarten für Answins Seite
  • 18 Ereigniskarten
  • 165 Einflusskarten: je 24 in blau, gelb, violett und weiß, 33 rote und 36 grüne
  • eine Startspieler-Karte
  • ein Extra-Spielplan für die Reservekarten

Die Spielfiguren sind Meeple wie bei Carcassonne, allerdings ein Stück kleiner. Die Zählsteine sind einfache runde farbige Steine – in rot, grün, gelb und weiß (allerdings sollte dieser eigentlich violett sein). Die Karten haben vernünftige Qualität – die Einflusskarten bräuchten eigentlich nur eine Farbe zu zeigen, sind aber wesentlich schöner geraten.

Das Spielbrett zeigt – umgeben von einer ganzen Reihe Kramerleisten – insgesamt acht Charakterfelder – Charaktere, auf die man im Laufe des Spiels Einfluss nehmen kann. Die Illustrationen, wie auch die auf den Beraterkarten etc., sind klassisch aventurisch und stimmen DSA-Spieler gut ein.

Den Spielern meiner Runde haben ein paar 'Spickzettel' gefehlt, die die Aktionsmöglichkeiten der verschiedenen Einflusspersonen übersichtlich zusammenfassen – auf dem Spielbrett steht es zwar, das kann dort aber, gerade bei größeren Spielrunden, schlecht zu erkennen sein.

Zu Spielbeginn erhält jeder Spieler die beiden Spielfiguren einer Farbe. Einer wird verwendet, um den aktuellen Stand an Ansehenspunkten zu markieren, der andere markiert die für die Runde gewählte Aktion. Von den Einflusskarten werden je 12 Karten jeder Farbe zusammengemischt als Vorratsstapel, die restlichen Karten werden nach Farben getrennt ausgelegt. Je nach Spielerzahl erhält jeder Spieler sechs oder 7 Karten vom Vorratsstapel. Die Beraterkarten werden nach Fraktion getrennt gemischt und bereit gelegt.

Anschließend wählt jeder Spieler eine Loyalität, beginnend beim Startspieler. Durch die Regeln gibt es bei geraden Spielerzahlen gleich viele Spieler auf beiden Seiten, bei ungeraden Spielerzahlen hat eine Seite einen leichten Überhang von 1 Spieler. Es ist also möglich, dass die letzten Spieler einer Runde keine große Wahl mehr haben. Jeder Spieler zieht eine Beraterkarte vom Stapel seiner Fraktion, die er zunächst geheim halten darf.

Die Zählsteine werden auf bestimmte Positionen der jeweiligen Kramerleisten gesetzt – sie geben die Zeit an, bis Brin zurückkehrt, den Goldbestand in der kaiserlichen Schatzkammer, sowie die Truppenstärken der Orks und Mittelreicher.

Zuletzt wird der 'Orkensturm-Stapel' zusammengestellt. Hierzu werden je zwei Einflusskarten für jeden Spieler einer Seite für die Truppen (rot bzw. grün) und insgesamt je eine der vier anderen Kategorien zusammengemischt.

Optional kann man noch die Ereigniskarten mischen (ggf. auch nur teil-mischen, um die Reihenfolge bestimmter Ereighnisse in der Geschichte einzuhalten). Dann geht es endlich los.

Eine Runde besteht aus fünf bzw. sieben Phasen, die immer in der gleiochen Reihenfolge durchlaufen werden.

Wenn mit Ereigniskarten gespielt wird, wird zuerst eine Ereigniskarte aufgedeckt und bekanntgegeben. Meist beeinflussen diese das Ergebnis des Orkensturms am Ende der Runde.

Beginnend mit dem Startspieler wählt reihum jeder Spieler eine Person, die er beeinflussen will. Dabei darf man nicht die Person beeinflussen, die man in der Vorrunde beeinflusst hatte (erkennt man im Zweifel daran, dass die Fgur auf einem kleinen Feld auf dem Einflussfeld steht), und keine Person, die in der laufenden Runde bereits von einem Spieler beeinflusst wird. Zunächst wählt man nur die Person, da jede zwei Aktionen anbietet.

Erst wenn alle ihren Einfluss geltend gemacht haben, können sie eine der beiden Aktionen der Personen nutzen. Beispielweise kann man beim Regenten zwei weiße und eine zufällige Einflusskarte erhalten, oder man legt 6 Karten verschiedener Farben ab , zieht vier neue und erhält fünf Ansehenspunkte. Da man jetzt weiß, bei welchen Personen welcher Spieler aktiv werden will, kann man seine eigenen Aktionen darauf abstellen, welche Aktion man erwartet: Beispielsweise kann man nämlich auch in einer Aktion die Spieler auffordern, gelbe (Gold-)Einflusskarten zu bieten, und wer am meisten bietet, erhält Ansehenspunkte. Wenn man weiß, dass diese Option in der laufenden Runde nicht aufgerufen werden wird, kann man vielleicht die entsprechenden Einflusskarten auf der Hand für eine eigene Aktion verwenden.

In der dritten (vierten) Phase gibt jetzt jeder Spieler verdeckt zwei seiner Handkarten (er keine zwei Handkarten mehr hat, entsprechend weniger, was aber AP kostet) in einen Kartenstapel, der gemischt und dann auf den Orkensturm-Stapel gelegt wird. Dann werden pro Spieler zwei Karten vom Orkensturm-Stapel aufgedeckt und die aufgedeckten Einflusskarten anschließend ausgewertet.

Der Unterschied roter und grüner Karten vermindert entweder die Orktruppen (bei Überzahl roter Einflusskarten) oder die mittelreichischen Truppen (bei Überzahl grüner Einflusskarten) um die Anzahl Einheiten wie der Unterschied beträgt. Zeit und Handel (violett und blau) bewegt den Zeit-Zählstein um ein Feld in die Richtung der Mehrheit, das gleiche gilt für das Paar Bündnisse/Vermögen (weiß / gelb) und den Schatzkammer-Zählstein.

Wenn eine Ereigniskarte aktiv ist, wird diese jetzt ebenfalls ausgewertet. Manchmal passiert nichts, weil die auf der Karte genannte Bedingung nicht eintrifft, manchmal aber kann auch einer der Zählsteine (noch einmal) bewegt werden.

Abschließend werden die aufgedeckten Orkensturm-Karten auf die entsprechenden Reservestapel gelegt. Die Spielfiguren werden auf die Markierungsfelder gestellt, die anzeigen, wo man in der Vorrunde Einfluss genommen hatte,.Außerdem wird die Startspieler-Karte nach rechts weitergegeben, und die nächste Runde beginnt.

Es gibt vier Bedingungen, unter denen das Spiel endet. Wenn die Truppen des Mittelreichs auf 0 fallen, fällt Brin in der Schlacht – die Answin-Seite gewinnt und jeder Spieler auf Answin-Seite erhält je nach Spieleranzahl zwei bis acht AP hinzu. Wenn die Orktruppen auf 0 sinken, kommt der Orkensturm zum Erliegen und Brin gewinnt. Die Spieler auf Brins Seite teilen sich die Punkte, die in der Schatzkammer noch übrig sind.

Wenn die Zeitleiste auf 0 fällt, bevor eine Seite alle Truppen verloren hat, kehrt Brin vorzeitig nach Gareth zurück und vertreibt Answin vom Thron. Die Spieler auf Brins Seite teilen sich den halben Restwert der Schatzkammer.

Und wenn noch vorher die Schatzkammer auf 0 fällt, war der Orkensturm so teuer, dass Brin keine Chance mehr hat, den Thron noch zurückzuerobern. Die Spieler auf Answins Seite teilen sich 4 AP.

Schließlich erhalten die Spieler eventuell noch Punkte abhängig von den Beraterkarten, die sie besitzen. Wer danach die meisten SP hat, hat gewonnen – bei Gleichstand muss man sich auf die Seite des späteren Siegers gestellt haben.

Durch die Beraterkarten und die Möglichkeit, schon während des Spiels AP zu sammeln – was allerdings meist dann die Siegchancen für die eigene Seite verringert – kann es auch sein, dass jemand von der unterlegenen Seite in der Einzelwertung dennoch gewinnt.

Während des Spiels muss man ständig beachten, dass man nur eine begrenzte Anzahl Einflusskarten auf der Hand hat – zwei verliert man ja jede Runde durch den Orkensturm. Neue Einflusskarten erhält man aber nur, indem man auf Personen Einfluss nimmt – was grundsätzlich jede der möglichen Einflusspersonen als eine Option anbietet. Meist ist aber die andere Option wieder interessanter, so dass man gut planen muss, wann man neue Karten erwerben will und wann lieber AP.

Manch einem Spieler mag nicht gefallen, dass die später in der Startrunde sitzenden Spieler eventuell nicht mehr wählen können, auf welche Seite sie sich schlagen wollen, weil beispielsweise bei sechs Spielern bereits drei auf Brins Seite spielen. Man soltle das aber genauso sportlich sehen wie beispielsweise die Zuteilung als Werwolf im gleichnamigen Spiel, oder die Zuteilung als Zylone in Battlestar Galactica. Immerhin kommt es gar nicht einmal so selten vor, dass ein Spieler der 'unterlegenen' Seite die Einzelwertung gewinnt. Der Zufallsfaktor ist zwar nicht ganz ausgeschaltet (oftmals erhält man zwei Einflusskarten bestimmter und eine zufällige Einflusskarten, oder wenn jemand keine zwei Einflusskarten in den Orkensturm spielen kann), aber oftmals kann man auch mit für die eigene Seite ungünstigen Karten (z.B. Karten, die Brins Rückkehr verzögern, für die Brintreuen) noch etwas gutes tun – und manchmal will man das sogar, um in den verbleibenden Runden noch ein paar zusätzliche AP sammeln zu können.

Gute Planung ist allerdings wichtig, wobei die letzten Spieler einer Runde durch die nur noch geringe Auswahl möglicher Aktionen manchmal ihre Pläne nicht mehr umsetzen können. Allerdings sind die Optionen meist nicht so tiefschürfend, dass ein Spieler mit Analyseparalyse das Spiel allzu sehr verlangsamen könnte – gerade früh in einer Runde kann es aber gelegentlich doch geschehen.

Wem das Spiel irgendwie bekannt vorkommt: international gab es bereits eine nahezu identische Version unter dem Namen Richard I, das effektiv nur durch Illustrationen und Flavortexte sehr gut aventurisiert wurde. Irgendwie ist der Name auch treffender – der Orkensturm spielt in diesem Spiel ja eher die Kulisse für das Intrigenspiel, so dass gerade ein DSA-Kenner hier vielleicht ein ganz anderes Spiel erwartet als es ist.

Anzumerken ist, dass der Druckfehlerteufel nicht nur bei dem bereits erwähnten Zählstein zugeschlagen hat: auf einer Karte (Loyales Volk) wird der Effekt in die falsche Richtung geschoben. Mehr zu der Karte hier.

Gut gefallen hat das Spiel meiner Runde, auch bei den weniger fantasy-affinen Spielern. Man kann es auch Leuten vorsetzen, die nichts mit DSA zu tun haben – das Originalspiel war ja auch eher historisch angehaucht. Das Spiel sitzt auf der Grenze zwischen den Spielen für Gelegenheitsspieler und denen für Vielspieler – Gelegenheitsspieler haben manchmal mit dem Worker-Placement-Anteil Probleme, Vielspieler würden sich vielleicht etwas mehr Optionen wünschen. Für beide Gruppen ist das Spiel aber zugänglich und interessant.

Die auf der Spielschachtel angegebene anderthalbe Stunde dürfte knapp geschätzt sein – zwei Stunden sollte man sicherheitshalber einplanen. Im Endeffekt wird man wohl zwischen diesen beiden Spieldauern auskommen.

Wer nicht gerade ein taktisches CoSim erwartet, dürfte mit diesem Spiel aber gut bedient sein – uns hat es gefallen.

Hersteller Ulisses Spiele, Vertrieb über Heidelberger
Autor Andrea Chiarvesio
Künstler Nadine Schäkel
Spieler 3-8
Denken 8
Glück 4
Geschicklichkeit 0
Preis ca. 34,95 €

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