Fate-Neulinge im Kampf
Fate macht, wie wohl inzwischen allgemein bekannt sein dürfte, einiges anders als andere Rollenspielsysteme. So anders, dass auch und vor allem "klassisch erzogene" Rollenspieler mit manchen Konzepten Schwierigkeiten haben.
Aus persönlicher Erfahrung möchte ich sogar behaupten, dass komplette Rollenspielneulinge weniger Probleme mit dem Ansatz von Fate haben als "erfahrene Rollenspieler". In anderen Systemen sozialisierte Spieler sind es sozusagen gewohnt, Schildern "Hier lang geht's zum Plot" zu folgen und eher reaktiv eingestellt. Dazu muss man nicht einmal so eisenbahnlastige Spiele wie DSA gewohnt sein, – auch andere Spiele erziehen eher zu diesem Ansatz. Was ja auch für diese Systeme nicht der schlechteste ist, und je nachdem, was man erreichen will, auch sinnvoll. Ich glaube auch, dass dies den meisten Spielern inzwischen zumindest halbwegs deutlich geworden ist – Fate ist ja schon etwas älter als dieses defekte Jahr 2016.
Was aber manchmal vergessen wird, ist, dass man in ein paar punkten auch Einsteiger-Abenteuer anders aufsetzen muss als ein "normales", um diese Unterschiede deutlich zu machen. Vor allem im Punkt des – bei Einsteiger-Abenteuern nahezu unvermeidlich erwarteten – (End-)Kampfes lohnt es sich vielleicht, den normalen Ansatz ein wenig abzuändern.
Ein normales Einsteigerabenteuer für ein (nahezu beliebiges) System ist nach einem recht einfachen Kochbuch gebrutzelt: Auftragsvergabe – eventuell Untersuchung / Nachforschungen – Anreise zur Endbegegnung (evtl. mit einer einseitig zugunsten der SC gewichteten Kampfbegegnung, damit man die regeln kennen lernt), End- bzw. Bosskampf.
Bei Fate gibt es mit diesem Kochrezept mehrere Konfliktpunkte, die man in ihrer Auswirkung auf ein Abenteuer genauer betrachten müsste. Die Auftragserteilung sollte bei den typischerweise als "proaktiv" beschriebenen Helden eigentlich unnötig sein – proaktive Helden suchen ihre Probleme selbst und lassen sich nicht von anderen ansprechen, ob sie nicht deren Probleme lösen können. Wie man dies umgehen kann, hierzu in einem späteren Blogposting mehr. Hier geht es um den "Aufwärmkampf" – wenn überhaupt einer geplant ist – und den Kampf gegen den Endgegner.
Klassisch sozialisierte Rollenspieler sind es nicht gewohnt, dass Kämpfe verloren gehen dürfen – zu eingebrannt scheint zu sein, dass das einzig mögliche Ergebnis eines Kampfes ein "Halali – Boss tot" ist. Nicht nur, dass einem dies die Chance nimmt, den gleichen Boss wiederkehren zu lassen, damit er wie Blofeld, Doctor Doom, Drew LipsDoctor Drakken oder auch der Sheriff von Nottingham den Spielern wieder das Leben schwer machen kann und die Spieler dennoch sofort wissen, womit sie es zu tun haben.Es beschränkt auch die Optionen des Spielleiters und der Spieler, was eine mögliche Niederlage im Kampf angeht.
Wenn die Helden dem Gegner immer den Garaus machen: Wieso sollte ein Gegner, wenn er einmal die Oberhand behält, dann nicht das gleiche tun? Die Helden haben in dieser Beziehung ein wenig Vorbildfunktion für die Welt – aber auch die Welt für die Helden. Leider ist diese Reaktion "erfahrenen" Spielern so weit eingeprägt, dass sie es als Versagen sehen, wenn sie den Plan des Schurken zwar vereitelt haben, ihn selbst aber entkommen lassen mussten. Anfänger, die von Romanreihen, Fernsehserien oder Comicserien geprägt sind, sind da viel eher bereit, diese Situation als Teilerfolg denn als Teilversagen zu betrachten.
Bei einem Einführungsabenteuer (oftmals auch noch als One-Shot auf einer Con) ist dieses Entkommen noch seltener als in einer Kampagne, bei der die Spieler immerhin noch die Chance auf ein "Rückmatch" haben. Aber leider bedeutet das auch, dass ein wichtiger Fate-Mechanismus nicht genutzt wird: einen Konflikt aufzugeben
Bei einem Aufgeben gibt ein Spieler / Charakter oder auch die ganze Gruppe einen Konflikt auf, um "das Schlimmste" zu verhindern – wenn ich aus einem Kampf ausscheide, weil ich den Stress nicht mehr wegstecken kann, hat der Gegner das alleinige Recht über mein Schicksal zu bestimmen. Wenn ich aber aufgebe, habe ich ein gewisses Mitspracherecht – ich kann nicht verlangen, dass mein Ziel erreicht wird, wenn ich den Konflikt aufgebe. Ich kann aber verhindern, dass ich getötet werde.
Wenn ein Spieler ein-, zweimal bereits einen Konflikt aufgegeben habe und gelernt habe, dass das nicht bedeutet, dass für mich das Abenteuer zu Ende ist, aber andererseits die Gegenseite doch einen Vorteil im narrativen Sinn (im Gegensatz zum Fate-technischen Vorteil) gewonnen hat, fällt es ihm in der Regel auch leichter, ein entsprechendes Aufgeben auch dem Gegner zuzugestehen.
Ein weiteres Phänomen, das ich in der Form vor allem bei "erfahrenen" Rollenspielern gesehen habe, ist, dass in einem Kampf nur eine Option zu bestehen scheint: Ich prügele auf den Gegner ein. Taktische Entscheidungen sind höchstens, auf welchen Gegner ich einschlage – schnetzele ich mich durch die Mooks, um weniger Angriffe pro Runde selbst einzustecken, oder greife ich den Big Boss an, in der Hoffnung, dass seine Schergen, wenn der Cheffe nicht mehr steht, sich ergeben oder flüchten?
Bei Fate gibt es eine Reihe anderer Optionen, die von erfahrenen Rollenspielern gerne übersehen wird – bis hin zu der Klage, dass man ja gaaaar nichts mehr tun könne, weil man keine Fatepunkte mehr übrig hat, weil man die in den letzten Runden für ineffektive Angriffe verpulvert hat.
Ein Kampf in Fate sollte aber die tatsächlichen Angriffe eher zur Akzentuierung der Action verwenden. Die wichtigsten Mechanismen in Fate sind eher Vorteil Erschaffen und Überwinden. Mit Vorteil Erschaffen kann ich auch ohne Fatepunkte Aspekte nutzen – es kostet mich nur ein, zwei Runden, in denen ich hiermit freie Nutzen generiere. Und da freie Nutzen auch gestapelt verwendet werden können, kann ich nach zwei Runden Vorteil Erschaffen mit ein wenig Würfelglück in der dritten Runde gleich viermal den Aspekt nutzen – mit Fatepunkten hätte ich nur eine Nutzung maximal einsetzen können. Und der Unterschied zwischen +8 (oder auch +6) und +2 ist bei Fate enorm.
Zusätzlich kann ich ja die freien Nutzungen auch an einen Mitspieler übertragen – eine Vierergruppe von Spielern kann so in jedem Austausch dreimal Vorteil erschaffen und einmal mit im Schnitt +6 angreifen. Meinen Angriff kann ich nicht auf diesem Weg übertragen, und schon gar nicht so effektiv.
Außerdem kann ich auch meine Aktion nutzen, um einem Gegner einen geschaffenen Vorteil wieder wegzunehmen – wenn der Gegner den Vorteil 'glatter Boden' mit zwei freien Nutzungen geschaffen hat, indem er einen Eimer Schmieröl umkippte, ist es sehr effektiv, selbst mit einer ordentlichen Portion Sand den Aspekt zu überwinden – und damit auch gleich die beiden freien Nutzungen ins Nirwana zu schicken.
Diese Mechanismen – Aufgeben, Vorteil Erschaffen, Überwinden – sind aber vor allem für Rollenspieler, die eher klassisches Rollenspiel gewohnt sind, gewöhnungsbedürftig – aber auch Neulingen nicht unbedingt direkt einsichtig.
Genau hierfür kann man in einem Fate-Abenteuer (auch bei einer Einführungsrunde) den "Aufwärmkampf" verwenden. Man setze ihn hierfür aber nicht an gegen ein paar unwichtige Mooks, mit denen die SC dann den Boden aufwischen, sondern mit einer übermächtigen Herausforderung, zum Beispiel ganz einfach mit dem Boss. Außerdem lohnt es, diesen Kampf kurz vor dem eigentlichen Endkampf zu planen, ohne große Aktionen, die noch getan werden müssen, zwischen den beiden Kämpfen.
In diesem Kampf kann man die Spieler dann ruhig ein wenig mit ihren üblichen Taktiken (alle auf den Gegner) experimentieren lassen, bis sie merken, dass das wenig bringt. Bevor dann der erste SC ausgeschaltet wird, sollte man auf jeden Fall noch einmal das Aufgeben anempfehlen. Nach der Szene kann man dann den Spielern erst einmal die durch das Aufgeben erworbenen Fatepunkte und die ihnen durch das Nutzen ihrer Aspekte zukommenden Punkte in die Hände drücken – dass die Spieler sie erst nach der Szene erhalten sollen, ist von Fate so gewollt und das mit gutem Grund. Wenn die Spieler dann ihr Zückerchen erhalten haben, kann man ihnen erklären, wo sie das System besser nutzen können – und nachdem sie den ersten Kampf aufgeben musste, hören erfahrungsgemäß sie meist auch besser zu. In einer Testrunde, die ich mit einer meiner regelmäßigen Rollenspielrunden durchführte, war man beispielsweise in der Lage, in einer Nachforschungsszene Vorteile zu erschaffen und weiterzugeben und meinte auch, man habe das System verstanden – als es dann aber in den Kampf ging, schlug wieder jeder für sich zu. Nachdem man damit glorreich "untergegangen" war, war man bereits, noch einmal zuzuhören und verstand anschließend auch, wieso es sinnvoll sein kann, Vorteile zu erschaffen statt sofort zuzuschlagen.
Wenn die Spieler wider Erwarten in diesem Kampf bereits die Möglichkeiten, die ihnen das System bietet, nutzen, ist nichts verloren. Man kann verschiedene Dinge tun:
Erstens kann man den Kampf still und heimlich zum Endkampf befördern. Die Spieler haben das System begriffen und wissen es einzusetzen, was ja Sinn und Zweck eines Einführungsabenteuers ist. Da nicht mehr viel geplant war (wir hatten den Kampf ja kurz vor dem Endkampf angesetzt), geht auch wenig meiner Arbeit verloren.
Zum anderen kann ich aber auch, wenn ich unbedingt will, den Boss aufgeben lassen (und dafür sorgen, dass er entkommt), um ihn in der Endszene noch einmal auftauchen zu lassen.
Wenn das Einführungsabenteuer aber gleichzeitig auch der Start einer Kampagne sein soll, kann ich es auch mit dem Entkommen bewenden lassen, nach dem Motto "und dem werdet ihr sicher noch öfter begegnen…". Ich würde aber eher empfehlen, einen Kampagnenstart erst zu machen, wenn die Spieler mit dem Einführungsabenteuer bereits die Regeln verstanden haben. In der nächsten Sitzung kann man sich dann an die Welt- und Charaktererstellung machen, die dann wahrscheinlich auch etwas leichter fällt, weil die Spieler wissen, worauf sie ggf. achten müssen.
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