Winter der Toten
"Winter is coming" – nein, hier geht es nicht um ein Spiel zum Game of Thrones, aber es geht um Winter. Und Zombies. Und Zombies im Winter. Und Verräterzombies im Winter. Und… Ähh, nein, keine Verräterzombies. Verräter gibt es aber doch in diesem Spiel von Plaid Hat Games und Heidelberger.
Ja, es ist Winter, und aus irgendeinem Grunde hält nichts die Toten in ihren Gräbern. Sie zeigen deutliche Anzeichen von Bissigkeit (wer jetzt Stutenbissigkeit sagt, fliegt…) In einer kleinen Kolonie haben sich einige Überlebende zusammengefunden und versuchen, zu überleben. Aber leider sind Menschen eben Menschen und haben ihre eigenen Ziele, und es kann auch noch sein, dass sich Verräter eingefunden haben, denen nichts mehr Freude bereiten würde, als zuzusehen, wie diese Bastion der Menschheit fällt.
Die große quadratische Schachtel hat ein ziemlich heftiges Preisschild (knapp 60 Euro UVP, die englische Version habe ich ebenfalls für knapp 60 Euro gesehen), das wird aber versüßt durch die Materialmenge, die sich in dem Paket befindet:
- eine Spielregel auf Deutsch
- 30 Aktionswürfel
- ein Infektionswürfel
- 6 Standortkarten
- ein Koloniespielplan
- 60 Plastikstandfüße
- 30 Figuren für Überlebende
- 30 Zombiefiguren
- 20 Zombiemarker (falls die Figuren nicht reichen)
- 2 Anzeigemarker
- ein Startspielermarker
- 6 Hungermarker
- je 20 Barrikaden-, Geräusch-, Nahrungsmarker und Marker für hilflose Überlebende
- 25 Wundenmarker
- 80 Schicksalskarten
- 20 Krisenkarten
- je 20 Objektkarten für die Orte Krankenhaus, Bücherei, Tankstelle, Polizeiwache, Supermarkt und Schule
- 25 Start-Objektkarten
- 5 Übersichtsbögen
- 30 Karten für Überlebende
- 10 doppelseitige Gemeinsame Zielkarten
- 25 geheime Zielkarten
- 10 geheime Verrat-Zielkarten
- 10 geheime Zielkarten für Verbannte
Die Qualität der Materialien ist hervorragend. Die Marker und Figuren stecken in Stanzbögen, in denen sie recht stramm stecken – die Auspöppeln vor dem ersten Spiel kann schon recht anstrengend werden. Die Plastikumhüllungen um die Karten sind sehr eng und haben auch keinen Aufreißfaden, so dass auch diese vor dem ersten Start ein wenig Widerstand bieten. Für alle Teile stecken aber ausreichend Ziplock-Beutel in der Schachtel, so dass man sie nicht vor jedem Spiel neu sortieren muss.
Die Illustrationen, soweit auf den Karten vorhanden, sind stimmungsvoll, wenn auch teilweise überraschend. So trägt ein Überlebender ein Nikolauskostüm, ein anderer heißt Sparky – lezterer ist aber weder ein Pikachu noch ein Baseballspieler oder gar ein Cartoonzeichner, sondern ein Hund…
(Anmerkung: Ich werde im folgenden die Karten größtenteils nur sehr allgemein beschreiben, denn manche der Inhalte sollte man erst während des Spiels kennen lernen – es erhöht den Spielspaß noch, wenn man sich nicht sicher ist, was alles passieren kann.)
Zu Spielbeginn wählt die Gruppe aus den Gemeinsamen Zielkarten eine aus. Es gibt diese Karten in verschiedenen Schwierigkeitsgraden und Spieldauern, ein 'kurzes Spiel' soll ein bis zwei Stunden dauern, ein langes etwa das doppelte. Jede Zielkarte gibt Besonderheiten im Startaufbau an sowie ein Ziel, das die Spieler in einer bestimmten Anzahl Runden erreichen müssen, um gewinnen zu können.
Zusätzlich erhält jeder Spieler noch ein geheimes Ziel, hierfür wird eine bestimmte Anzahl der geheimen und Verräter-Zielkarten gemischt und jeder Spieler erhält eine. In der Standardkonfiguration besteht hierbei eine Chance von knapp unter 50 Prozent, dass überhaupt ein Spieler die Verräterkarte erhält. Da aber alle Karten eben ein zusätzliches Ziel für den einzelnen Spieler beschreiben, werden alle Spieler im Laufe des Spiels Anlass haben, ihre Zielkarte wiederholt durchzulesen, so dass man hieraus keine Schlüsse ziehen kann (anders als bei einigen anderen Koop-Spielen, bei denen es Verräter gibt).
Zusätzlich erhält jeder Spieler einen Übersichtsbogen (der auch einen Spickzettel zum Ablauf einer Runde enthält) sowie 5 Start-Objektkarten. Jeder Spieler erhält vier Überlebenden-Karten, von denen er zwei auswählt und zu Spielbeginn als Charaktere führt. Einen dieser beiden Charaktere wählt man als Anführer der eigenen Truppe aus.
Eine Runde besteht aus zwei Phasen, der Spielerphase und der Koloniephase. Bevor die Spieler ihre Züge ausführen, wird erst eine Krisenkarte (ein kleines Ziel, das in der laufenden Runde erfüllt werden sollte) aufgedeckt und verkündet. Dann werfen alle Spieler ihre Aktionswürfel (Anzahl der Überlebenden in Kontrolle des jeweiligen Spielers +1), die idR im Laufe der Runde ihren Wert nicht mehr verändern. Schließlich handeln alle Spieler ihre eigene Spielerphase ab, beginnend beim Startspieler.
Zum Zugbeginn zieht der Spieler zur Rechten des aktiven Spielers eine Schicksalskarte. Auf dieser steht eine Bedingung, zu der die Karte aktiviert wird (z.B., wenn ein Überlebender in die Kolonie zurückkehrt, wenn Überlebender X sind in der Schule befindet etc.), auf die der ziehende Spieler achten muss – wenn diese Bedingung eintritt, wird die Karte dem aktiven Spieler vorgelegt, der dann in der Regel zwischen zwei Optionen wählen kann, die oftmals beide nicht sonderlich attraktiv sind.
Anschließend darf der aktive Spieler mit seinen Figuren akltiv werden, wobei er für einige Aktionen einen der Würfel ausgeben muss, der für die Aktion nicht neu gewürfelt wird, sondern den zu Rundenbeginn erwürfelten Wert nutzt.
Ein Charakter kann einen Zombie (oder notfalls auch einen Überlebenden) am eigenen Ort angreifen, hierfür wird ein Aktionswürfel benötigt. Der Würfel muss je nach Charakter einen bestimmten Mindestwert zeigen. Wenn man einen Zombie angreift und besiegt, muss man mit dem Infektionswürfel würfeln, ob sich der Charakter angesteckt hat. Wenn man einben anderen Charakter angreift, muss noch einmal gewürfelt werden, ob der Charakter sich verteidigen kann.
Man kann einen Charaklter den Ort, wo er sich befindet, durchsuchen lassen – es lohnt nicht, die Kolonie zu durchsuchen, dort gibt es nichts zu finden. An allen anderen Orten muss man einen Würfel einsetzen, der mindestens den Suchen-Wert des Charakters zeigt.
Dafür darf man sich von den Ausrüstungskarten des Ortes die oberste nehmen, anschließend darf man aussuchen: entweder man ist zufrieden, oder man sucht weiter, was dann aber genug Lärm verursacht, dass Zombies auftauchen können: für jede weitere gezogene Karte muss ein Lärmmarker auf den Ort gelegt werden, bis zu einen ortsabhöngigen Maximum. Von den gefundenen Gegenständen darf man einen behalten, der Rest kommt zurück unter den Ausrüstungsstapel.
Für einen beliebigen Aktionswürfel darf ein Überlebender am Ort, wo er sich befindet, ein Zombiefeld verbarrikadieren – die Barrikade hält bis zum Ende des Zuges. Ersatzweise darf man in der Kolonie vom Ablagestapel drei Karten entsorgen – wenn der Abfallstapel zu hoch wird, ist das schlecht für die Moral in der Kolonie.
Ebenfalls kann man für einen Aktionswürfel bis zu zwei Zombies von einem anderen Ort zu sich locken. Und schließlich erfordern einige Sonderfähigkeiten einzelner Überlebender ebenfalls, dass man einen Aktionswürfel aufwendet.
Ohne Kosten in Aktionswürfeln kann man noch einiges andere tun. Man kann beliebig viele Handkarten ausspiele und auf den Ablagestapel legen oder einem Überlebenden zuweisen. So kann ein Überlebender beliebig viele Waffen tragen – ja, auch Sparky (der Wunderhund). Karten in Nutzung können nur sehr eingeschränkt ihren Ort verlassen: Man kann sie zur Lösung einer Krise beisteuern, oder an einen anderen Charakter am selben Ort weitergeben.
Zur Lösung einer Krise darf man beliebig viele Karten beisteuern, wobei immer nur eine Karte nützlich sit – die anderen Karten stören so sehr, dass jedederartige Karte einen minuspunkt für die Lösung der Krise beisteuert. Gerade in der ersten, zweiten Runde sollte der Verräter aufpassen, wenn er Minuspunkte beisteuern will: Auf den ortsgebundenen Ausrüstungskarten steht, von welchem Ort sie kommen, und wenn ein Minuspunkt von einem Ort kommt, wo nur ein einziger Spieler bisher gesucht hat…
Man darf auch jeden seiner Überlebenden einmal von einem Ort zu einem anderen bewegen. Nach jedem Zug muss für den Überlebenden einmal der Infektionswürfel geworfen werden.
Man darf Nahrungsmarker ausgeben – sie kommen über Nahrungs-Ausrüstungskarten in den Pool und werden bei Rundenende außerdem benötigt, um die Überlebenden zu ernähren. Wenn aber genug Nahrungsmarker im Vorrat liegen, kann man sie auch nutzen, um das Ergebnis eines Aktionswürfels um eins hinauf zu setzen.
Man kann die Mitspieler um eine Karte von ihrer Hand bitten – die muss dann allerdings sofort ausgespielt oder ausgelegt werden. Die Krise kann man damit nicht bekämpfen.
Schließlich kann man zur Abstimmung aufrufen, ob ein Spieler (bzw. dessen Gruppe) verbannt werden soll. Man tut dies in der Regel, um einen vermuteten Verräter aus der Kolonie zu entfernen. Es reicht die einfache Mehrheit.
Wer verbannt ist, erhält eine Verbannungskarte – man kann immer noch gewinnen, auch wenn sich die eigenen Ziele jetzt ändern. Zunächst einmal muss man ansagen, wenn man zu unrecht verbannt wurde, also keine Verräter-Zielkarte hat. Dies steht auf den Verbannungskarten auch noch einmal angegeben. Wenn trotz des ersten Fehlschlags noch ein Spieler verbannt werden sollte, und dieser ebenfalls kein Verräter sein sollte, sinkt allerdings die Moral in der Kolonie sofort auf 0 und das Spiel endet. Außerdem darf ein verbannter keine Nahrungsmarker nutzen, sich nicht an der Lösung von Krisen beteiligen etc.
Wenn alle Spieler ihre Aktionen erledigt haben, kommt die Koloniephase. Zuerst werden die Überlebenden in der Kolonie ernährt, wenn genug Nahrung vorhanden ist. Wenn nicht, wird keine Nahrung verbraucht, aber es werden Hungermarker in Höhe der fehlenden Nahrungsmenge zum Nahrungsvorrat gelegt. Wenn nicht genügend Nahrung vorhanden war, sinkt die Moral am Ende des Ernährungsschritts um so viele Punkte wie Hungermarker im Vorrat liegen. Die Marker bleiben liegen, werden aber auch in Zukunft nur aktiv, wenn nicht genügend Nahrung für die Kolonie zusammenkommt.
Anschließend wird der Abfall (Abwurfstapel) geprüft: Für je volle 10 Karten im Stapel sinkt die Moral um 1.
Jetzt wird nachgesehen, ob die Spieler genügend getan haben, um die Krise abzuwenden. Wenn die Spieler nicht genug getan haben, wird ein Effekt in die Gänge gebracht, der auf der Karte verzeichnet ist. Bei Übererfüllung kann es andererseits auch sein, dass die Moral steigt.
Anschließend kommen zusätzliche Zombies ins Spiel, zum einen abhängig von der Anzahl der Überlebenden in der Kolonie, andererseits von den Geräuschmarkern in den anderen Orten.
Nachdem das alles geschehen ist, wird nachgesehen, ob das gemeinsame Ziel erreicht ist. Falls ja, endet das Spiel. Falls nein, wird der Rundenmarker um 1 abwärts gerückt – das Spiel endet, wenn er auf 0 sinkt – und der Startspielermarker wird nach rechts (!) weitergegeben.
Das Spiel endet, wie gesagt, wenn das gemeinsame Ziel erreicht ist oder der Rundenmarker oder der Moralmarker die Null erreicht. Die Moral sinkt über verschiedene Spieleffekte – die wichtigsten sind wohl, dass jeder Überlebende, der stirbt, die Moral senkt, und dass Hunger der Moral ebenfalls nicht gut bekommt.
Jeder Spieler, der sein geheimes Ziel erreicht hat (was bei den Nicht-Verrätern in der Kolonie auf jeden Fall beinhaltet, dass das gemeinsame Ziel erreicht wurde), gewinnt. Das kann bei einem Exil-Verräter allerdings auch bedeuten, dass nach der Verbannung sdas Ziel des Spieler wird, die Kolonie zu retten, auch wenn die meisten der Verbannungskarten den Verräter einen solchen bleiben lassen. Und ein verbannter Nicht-Verräter kann durch die Verbannung ein Ziel erhalten, dass er die Kolonie doch noch sabotieren muss, auch wenn in den meisten Fällen ein Exil-Nichtverräter immer noch auf Seiten der Kolonie kämpft.
Durch die verschiedenen persönlichen Ziele und die Ungewissheit, ob überhaupt ein Verräter am Tisch sitzt, hat das Spiel einen recht hohen Wiederspielwert – leider ist eine Partie recht lang, wodurch das Spiel vielen Gelegenheitsspielern zu langwierig und/oder komplex wird. Die auf der Schachtel angegebenen 60 – 120 Minuten Spieldauer gelten, wenn überhaupt, nur für die Szenarien mit 'kurzer Spieldauer', und sind selbst dann recht optimistisch: Unter 90 Minuten sind wir bislang nicht davongekommen. Ein langes Spiel kann auch schon einmal vier Stunden Zeit benötigen.
Das Spiel hat seine Stärken und Schwächen. Die bereits angesprochene Spieldauer ist für ein Spiel, das gefühlt ein "Gateway-Spiel" (also ein Spiel für Leute, die eigentlich keine Brettspiele spielen) sein will, arg lang. Auch sind die Regeln so komplex, dass auch Gelegenheitsspieler sich abgestoßen fühlen können. Hinzu kommt dann auch noch, dass man zwischen den eigenen Zügen recht lange Wartezeiten hat – in denen man dann auch noch aufpassen muss, wer was tut, damit man notfalls einen Verräter aufspüren kann.
Für Vielspieler wiederum könnte der doch recht hohe Glücksfaktor ein KO-Kriterium sein. Je nachdem, welche Einzelkrisen auftauchen, welche Ausrüstung man beim Suchen findet und was die lieben Mitspieler tun, kann ein Spiel schon einmal in der ersten oder zweiten Runde ungewinnbar werden – oder andererseits so leicht, dass auch ein Verräter keine Chance hat.
Bedeutsam ist allerdings, dass die persönlichen Ziele (und die allgemeine menschliche Natur der Dinge) doch wieder zu einer Menge Ungewissheit führen. Bunkert der Mitspieler jetzt das Essen, weil es die Moral über Hunger vernichten will, oder weil er zum Spielende eine bestimmte Menge Nahrung besitzen will? Ist der Mensch, den iwr in die Verbannung geschickt haben, obwohl er kein Verräter war, jetzt auf Rache aus, oder unterstützt er die Kolonie immer noch? Derartige Unsicherheiten machen einen wesentlichen Reiz von Winter der Toten aus, da ein Heel-Face- oder auch ein Battlestar Galactica – vielleicht liegt es daran, dass es möglich ist, dass gar kein Verräter dabei ist, oder auch, dass ein Verräter noch die Seiten wechseln kann… Im Endeffekt ist es eine Frage der ganz persönlichen Wünsche – es gibt keine Gruppe Spieler, bei der man davon ausgehen kann, dass das Spiel ihnen allen gefallen wird, aber auch keine Gruppe Spieler, bei der ich annehme, dass der Winter der Toten ihnen gar nicht gefallen würde.
Abgesehen von dem reinen Spielmechanismus ist auch die Atmosphäre des Spiels hervorragend gelungen. Das beginnt bei den Figuren und Bildern, aber auch die Flavortexte der Schicksalskarten und sogar die Texte, die im Regelheft vorgeschlagen werden als Abschluss einer Partie, unterstützen das ganze noch.
Wer also mit dem Zombiethema und dem semi-kooperativen Mechanismus liebäugeln kann, sollte sich den Winter der Toten auf jeden Fall näher ansehen.
Hersteller | Heidelberger und Plaid Hat Games | |
Autor | Issac Vega, Jon Gilmour, Texte: Mr. Bistro | |
Künstler | Fernanda Suarez, David Richards, Peter Wocken | |
Spieler | 3-5 | |
Denken | 8 | |
Glück | 7 | |
Geschicklichkeit | 0 | |
Preis ca. | 59,95 € |
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