Das Zonenmodell von Fate
Mir ist wiederholt aufgefallen, dass Fate ein Rollenspielsystem ist, das oftmals leichter durch völlige Rollenspielneulinge verstanden wird, als dass erfahrenere Rollenspieler es „kapieren“. Es hat den Anschein, dass durch die Erfahrungen mit anderen Systemen bestimmte Synapsen so programmiert wurden, dass der andere Ansatz von Fate allen Erfahrungen zuwider läuft.
Ein Bereich, in dem das besonders auffällt, sind Verfolgungsjagden und Kämpfe. Auch wenn sie sich selbst ganz bewusst als „Nicht-Simulationisten“ bezeichnen, verwandeln viele Spieler sich bei Kampfbeginn in „Püppchenschubser“ und holen Miniaturen und Battlemap hervor. Der Fate-Ansatz mit Zonen führt da oftmals zu Verwirrung und Grundsatzdiskussionen, die regelmäßig mit Aussagen wie „Fate macht das völlig falsch“ enden. Dabei kann man sich den Fate-Ansatz vielleicht doch verinnerlichen – man muss nur in einem Detail vielleicht etwas anders denken als selbst das Fate-Regelwerk es beschreibt.
Fate hat ganz bewusst keinen simulationistischen Ansatz. Die Fragestellung, die Fate immer zugrunde legt, ist: „Wie würde das in einem Film / Buch / Cartoon /TV-Programm dargestellt werden?“
Bei Kämpfen und Bewegungen versucht Fate daher auch, die genauen Entfernungen zwischen Kombattanten und Geländedetails zu ignorieren. In einem Buch wird schließlich auch nicht davon gesprochen, dass Held X 26,8 Meter spurtete, über eine 3,36 Meter hohe Leiter ins Gebälk klettert und dann 12,62 Meter durch eben dieses Gebälk klettert, um einen Heckenschützen zu stellen. All diese Maßzahlen und Details werden auch in der Literatur unterschlagen – in Filmen und Cartoons entfallen sie sowieso durch das Medium. Warum also Kampfregeln, die derart kleinteilig Bewegungen und Reichweiten definieren?
Ein wenig liegt das natürlich an der Evolution der Rollenspiele, die sich aus Tabeletop-artigen Spielen entwickelt haben. Aber während sie sich in anderen Bereichen deutlich weiterentwickelt haben, sind im Kampf die Optionen eher noch weiter aufgedröselt. Sicher, das macht auch Spaß, aber wenn ich beispielsweise ein James-Bond-, ein Dirk-Pitt- oder ein Buffy-Szenario spiele, wirkt das doch recht aufgepfropft.
Fate nutzt Zonen. Im Regelwerk steht hierzu als Einleitung folgendes:
Eine Zone ist die abstrakte Abbildung eines Raums. Dieser Raum ist ungefähr so groß, dass du direkt mit jemandem interagieren kannst (z.B. zu ihm gehen und ihm ins Gesicht schlagen).
Weil wir es so gewohnt sind, teilen wir die Zonen bevorzugt in große, ununterbrochene Gebiete auf. Nehmen wir beispielsweise eine (imaginäre) Szene in Buffy, bei der im Bronze auf der Bühne eine Beschwörung stattfinden soll, die die Spieler verhindern wollen. Normalerweise würde man das ganze beispielsweise so einteilen: Straße, Gastraum, Bühne, hinter der Theke. Das führt aber recht schnell zu logistischen Problemen.
Da ist der Rausschmeißer, der die Gruppe gar nicht erst ins Bronze hinein lassen will. Dumm nur, dass der Rausschmeißer im Eingang auf der Innenseite steht, während die Gruppe draußen steht. Der Püppchenschubser beruft sich anschließend darauf, dass die beiden einander nichts tun können, weil sie ja in verschiedenen Zonen stehen. Durch die Türe hinein kommen sie aber auch nicht, weil da ja jemand im Weg steht. Was tun, sprach Zeus?
In einer ähnlichen Situation meinte ein Spieler: „Das ist irgendwie sinnlos. Wir stehen doch beide am Eingang?“ Da fiel es mir dann wie Schuppen aus den Haaren.
Genau wie ein Aspekt eine Tatsache ist, auf die jemand einen Scheinwerfer gerichtet hat (und die damit als wichtig für die Geschichte gekennzeichnet wurde), ist eine Zone nicht einfach eine geographische Einteilung, die von der Story unabhängig ist – eine Zone ist ein Gebiet, in dem etwas interessantes geschieht. Sprich: um ins Bronze zu kommen, habe ich die Zone ‚Eingang‘ – ein kleines Stück drinnen, ein Stück draußen, der Durchgang durch die Türe. Das ist, wo es in der Geschichte passiert, nicht drinnen oder draußen. Der Gastraum ist eine eigene Zone, wenn ich durch die Einganszone mit Rausschmeißer durch bin – da kann man sich gut mit den Kultisten prügeln. Die Bühne ist eine eigene Zone – hier muss man am Ende den Dämon ausschalten. Und die Theke? Ich kann mich dahinter verstecken, aber sie ist eigentlich keine eigene Zone: wer davor steht, kann jemandem dahinter ohne weiteres eine verplätten.
Man sieht an diesem Beispiel, dass es auch nicht unbedingt so ist, dass man genau dort, wo „klassisch“ zwei Zonen aneinander stoßen, eine Zone einrichten sollte. Zwischen Gastraum und Bühne benötigt man keine eigene Zone, weil jemand, der sich auf der Bühne steht, jemanden, der auf sie klettern will, nicht unbedingt blockieren kann.
Wichtig ist auch, in diesem Modell daran zu denken, dass die Zonengrenzen in der Regel nicht so klar festgelegt sind wie es auf dem Plan oder Spieltisch vielleicht aussieht. Ein beliebtes Beispiel gegen das Zonenmodell ist der riesige Parkplatz, den man deshalb in zwei Zonen aufgeteilt hat. Da steht jemand "genau einen Schritt" hinter der Grenze, ich müsste also erst einmal in die andere Zone wechseln, dann kann der andere mich K.O. schlagen, bevor ich ihm eins auf die zwölf geben kann… oder nicht?
In der Story wirkt es aber extrem unglaubwürdig, wenn ich mich genau dort aufbaue, wo der andere mich gerade eben nicht mehr erreichen kann, um ihm dann eins überzubraten. Das macht vielleicht Foghorn Leghorn mit dem Barnyard Dawg – aber in einer Story steht der andere eben entweder nah genug, dass ich ihn erreiche und verprügele, oder so weit weg, dass genau diese Entwicklung nicht funktioniert; dann aber versuche ich es auch gar nicht erst, sondern nähere mich vorsichtiger. Es sei denn natürlich, ich hätte den Dawg an eine Leine mit einer ganz bestimmten Länge gelegt, aber dann sollte das immer noch nicht über Zonen geregelt werden, sondern über Aspekte: „gerade außer Reichweite“, und wenn der Dawg ein Messer nimmt und das Seil durchschneidet, ist das ein einfaches Überwinden, und er kommt an Foghorn heran ohne über eine Zonengrenze zu geraten. Mehr noch: Wenn Foghorn sich beschwert „aber ich könnte doch in einem Austausch bis da hinten rennen und jemandem, der da stünde, eins verpassen“, sage ich einfach: „Da hinten steht niemand, da hinten geschieht nichts, ich habe keine Kamera und keine Scheinwerfer dort aufgebaut – da ist keine Zone…“
Wie handhabe ich das seit dieser Epiphanie in meiner Runde? In der Regel zeichne ich keine Pläne mehr auf, sondern nutze eher quadratische Notizzettel (die es ja als Blöcke aus 9 × 9 cm2 großen Zetteln gibt). Die Idee habe ich vom alten Time Lord-Rollenspiel, das man hier bei Interesse downloaden kann. Jeder Zettel stellt eine Zone dar, eventuelle Szenenaspekte kann ich auf die Zettel schreiben. Falls Zonen so weit auseinander liegen, dass jemand mehr als einen Austausch benötigt, um von A nach B zu gelangen, ich aber keine expliziten „Zwischenzonen“ aufbauen will, lege ich mir Fatepunkte-Marker zwischen die Zettel, die mich an den Abstand erinnern. (Er rennt von A nach B, benötigt drei Austausche, da aber nichts unterwegs passiert, benötige ich laut meiner Voraussetzung keine expliziten Zonen…)
Die wichtigste Änderung im Ansatz ist allerdings der bereits genannte Schritt von „Eine Zone ist ein geographisches Gebiet, das so groß ist, dass…“ zu „Eine Zone ist ein Gebiet, in dem etwas passiert, auf das ich einen Scheinwerfer richte.“
Vielleicht hilft das ja auch dem einen oder anderen Leser, Fate-Zonen besser zu verstehen.
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