Das Lied von Eis und Feuer – Der Kampagnenführer
Dass die Werke George R.R. Martins das Fandom derzeit derart überrollen, dass man hier getrost von einem weiteren Meilenstein der Fantasyliteratur sprechen kann, ist kein Geheimnis mehr. Dass daher das Setting „Westeros“ sicherlich Rollenspieler dazu reizen wird, hier auch rollenspielerisch tätig zu werden, ist dementsprechend selbstverständlich.
Neben dem Grundregelwerk, das man natürlich braucht, um sich Charaktere zu erstellen (und vorzugsweise auch ein Haus, denn das ist im Sinne von Game of Thrones wohl der stimmigste Hintergrund, wieso eine Gruppe von Charakteren zusammenarbeitet), liegt mit dem Kampagnenführer ein massives Werk vor, das als eine gigantische Ressource anzusehen ist. Und hier war vor allem die Frage interessant: Muss man die Bücher, respektive Filme, kennen, um hier stimmungsvoll spielen oder gar spielleiten zu können? Nachdem ich persönlich – man mag es kaum glauben – quasi gar keine Vorkenntnisse des Universums hatte (ein paar Bruchstücke aus einigen Filmfolgen, irgendwann mitten in der Nacht auf einer Con nebenher halb wahrgenommen ist wirklich nicht gerade viel), kann ich sagen: Es geht auch völlig ohne, dank eben dieses Kampagnenführers.
Passend zum System (Chronicle System, Original von Green Ronin) findet man hier Werte für alle wichtigen Persönlichkeiten, über die man möglicherweise stolpern könnte (wer das System nicht kennt: Proben laufen über einen Würfelpool aus W6, mit möglichen Bonuswürfeln (die dann idR Streichergebnisse liefern) gegen Schwierigkeitswerte, und Charaktere werden nach Baukastenprinzip erstellt); hierbei ist es unerheblich, wo man seine Kampagne denn spielen lassen will, für jeden Teil der Welt werden detaillierte Informationen geliefert. Und selbst ob man sich an Romanvorlagen halten will, ist unerheblich – der Datensatz, den man im Kampagnenführer bekommt, beschreibt den Zeitpunkt direkt vor Beginn der Romanserie – ob sich die Dinge dann genau so entwickeln, oder ob die Spieler vielleicht Westeros‘ Geschichte ein wenig… nun, „umgestalten“ wollen, ist dann der Spielgruppe oder zumindest dem Spielleiter überlassen.
In den 280 Seiten (Hardcover) finden sich – neben sehr stimmungsvoller Artwork – nach Landstrichen geordnet – Hintergründe zu den dort jeweils ansässigen Häusern, wie auch deren Strukturen untereinander. Zu dem prominenteren Häusern findet man detailliertere Informationen, sei es über deren Entstehung, deren wichtige Persönlichkeiten oder Festungen; zu manchem Haus gibt es aber auch nur Namen, Wappen und die Aussage, wessen Vasallenhaus das nun ist – was diese geradezu dazu anbietet, sie als Stammhaus für die eigene Gruppe zu verwenden (Die „Hauserschaffung“ aus dem Grundregelwerk sollte aber trotzdem erfolgen).
Schön ist die Erklärung der Historie – sowohl die allgemeine zum Anfang wie auch die jeweiligen Kapitel zu den einzelnen Regionen – so hat man selbst als völlig ahnungsloser Außenstehender bald ein Gefühl, zu wissen, wieso sich was wie entwickelt hat und ggf. entwickeln wird (und spätestens dann wird man die einleitenden Worte verstehen, in denen angeregt wird, einen Lennister zu töten (…und man setzt da gerne ein „oder zwei… oder drei…“ hinzu).
Ob sich die Ereignisse der eigenen Kampagne dann sehr an den Romanen orientieren oder nicht ist völlig freigestellt, es gibt auch keine „richtige“ Seite im ewig wandelbaren Machtgefüge Westeros‘, denn wer da auf der „richtigen“ Seite steht sieht sowieso jeder anders (steht ja auch immer woanders, nicht wahr?). Die Spieler haben hier definitiv die Möglichkeit, wenn sie wollen, „ihr“ Westeros zu formen, der Baukasten ist da und schön komplett, bliebe halt zu ergründen, inwieweit sich das eigene Westeros so entwickelt, wie der Autor sich das dachte – oder ob die Spieler alles umkrempeln. Jede Region ist gleichermaßen gut bespielbar, da sollte jede Spielgruppe ein für sie attraktives Fleckchen finden (wir machen jetzt erst mal die Sturmlande unsicher, wird schon schiefgehen).
Die Übersetzungen halten sich an die Romanvorlagen – wer also ggf die englischen originale kennt, muss stellenweise ein wenig rückübersetzen (tut dem Spiel keinen Abbruch, nicht wahr, Snow? (nein, keine Angst, ich nenne dich nicht Schnee)). Die Daten der NSCs, die man findet, kann man zudem auch schon mal als Orientierungshilfe bei der eigenen Charaktererstellung nutzen, wenn man ein Konzept vor Augen hat, aber es nicht so recht in Werte bekommen will („Ich möchte einen Charakter bauen, der so ähnlich wie John Snow ist“ – na kein Problem, schau dir die Werte an, und nimm sie als Orienterungshilfe).
Insgesamt ein gelungener Ressourcenband, der das Grundregelwerk sehr schön ergänzt, und Spielern wie Spielleiter eine Fülle an Material zur Verfügung stellt – was sie letztendlich daraus machen, ist ihre eigene Entscheidung. Der Kampagnenführer enthält ganz bewusst keine „Bauanleitung“, und so sollte das meiner Meinung nach bei einem Kampagnenführer auch sein – Material, aber eben nicht festgelegt, was damit zu tun ist.
Hersteller | Mantikore | |
Autoren | D. Chart, J.J. Frost, B. E. Kirby, J. Leitheusser, A. Pryor, R. S. Schwalb, O. K C. Stephens | |
Spieler | RPG | |
Denken | RPG | |
Glück | RPG | |
Geschicklichkeit | RPG | |
Preis ca. | 49,95 € |
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