Mord und Totschlag

Heute will ich einmal ein Thema anschneiden, das nicht nur für Fate interessant ist, sondern auch für andere Systeme genauso eingesetzt werden kann. Ich will hier jetzt nicht um den "klassischen" Dungeoncrawl sprechen, sondern über ein anderes Thema, das auch gerne im Rollenspiel verwendet wird, aber in der Umsetzung gerne einmal Schwierigkeiten macht. Und das, obwohl es Rollenspielsysteme gibt, die speziell für solche Abenteuer geschrieben wurden.

Ich rede hier vom Detektivabenteuer – ein Kriminalfall, der je nach dem Setting durch die Spieler korrekt gelöst werden soll. Verglichen mit der klassischen Queste oder dem Dungeoncrawl hat ein Detektivabenteuer eine Reihe Vor-, aber auch Nachteile, über die man sich im klaren sein sollte, bevor man sie angeht. Und seltsamerweise machen die Vorteile der klassischen Rollenspielrunde ebenso viele Probleme wie die Nachteile.

Die kommt dem einen oder anderen vielleicht komisch vor: Wieso sollte ein Vorteil für zusätzliche Probleme sorgen? Wäre das dann nicht eher ein Nachteil? Ich denke, nicht.

Wovon ich spreche, ist die Möglichkeit, ein Abenteuer erfolglos abzuschließen. Im Detektivabenteuer heißt das: Der wirkliche Schuldige wurde nicht gefasst/entdeckt. Das kann auf verschiedenen Wegen geschehen. Zum einen ist es möglich, dass die Spieler den falschen Verdächtigen beschuldigen, so dass der richtige frei ausgeht. Manchmal wissen sie das noch nicht einmal, bis sie irgendwann auf anderem Wege über ihren Fehler informiert werden.

Die andere Option ist, dass die Spieler einfach keine Lösung finden, und der Zeitrahmen verstreicht, in dem der Fall gelöst werden soll / muss. So etwas kann geschehen, wenn eine Gruppe Fremder aus irgendeinem Grund irgendwo strandet (z.B., auf einer einsamen Insel) und der Fall gelöst werden muss, bevor die Gestrandeten gerettet werden – hinterher ist der Täter nicht mehr greifbar.

Was tun in diesen Fällen? Im ersten Fall kann man es sich vielleicht als Spielleiter einfach machen und die Hintergrundgeschichte "umschreiben", sprich: Den Täter anpassen. Wenn der (fälschlich) Beschuldigte nicht noch eine wichtige Rolle spielen soll, spricht eigentlich gar nichts dagegen.

Man kann aber auch – vor allem, wenn der falsch Beschuldigte noch eine wichtige Rolle spielen soll – in der Spielwelt deutlich machen, dass die Gruppe den Falschen erwischt hat. Im Falle eines Serienmörders beispielsweise, indem der wahre Täter weiter mordet, während der fälschlich verhaftete im Gefängnis sitzt. Im Extremfall kann man auch für ein Folgeabenteuer den Mörder einen freundlichen Brief an die Spieler schreiben lassen. Wenn er seine Identität immer noch geheim hält, haben die Spieler eine neue Aufgabe: Den wahgren Täter zu finden.

Die Idee mit dem Folgeabenteuer kann man auch im Fall des Zeitlimits verwenden – zum Beispiel, indem (in modernen Zeiten) eine Fernsehstation ein Dokudrama mit den Originalpersonen drehen will, was den Spielern eine neue Chance gibt, den Mörder zu entdecken.

Die Spieler müssen sich hierfür allerdings an den Gedanken gewöhnen, dass bei Detektivabenteuern das Mythbuster-Motto ("Versagen ist immer eine Option") gilt, und dass wie bei den Mythbustern auch dieses Versagen eine Chance für spätere Abenteuer darstellt. Allerdings sollte man seine Abenteuer tendenziell nicht darauf hin bauen, dass der Täter entkommt – wenn man das erzwingen will, führt das wieder oft zu Missvergnügen bei den Spielern…

So ein entkommener Täter eignet sich aber recht gut als 'wiederkehrender Schurke", mit dem die Spieler sich mehrfach auseinandersetzen müssen. Man sollte allerdings beachten, dass dieser Schurke spätestens nach dem zweiten Fall eine recht gute Maske anlegen sollte – oder die Spieler nicht mit dem klassischen Whodunit konfrontieren, sondern mit der Frage: "Wie hat der das diesmal gemacht?"

Wie kann man aber dafür sorgen, dass für die Spieler das Versagen nicht vorprogrammiert ist? Hier gibt es mehrere Dinge, die zu beachten sind.

Zum einen sollte man auf jeden Fall seinen Fall (sorry!) nicht unbedingt aufbauen wie eine Geschichte bei Detective Conan oder Jessica Fletcher: Da immer die Gefahr besteht, dass die Spieler eine Spur nicht als solche erkennen, sollte man in einem Szenario eine Reihe Spuren auslegen, vor allem, wenn diese Spuren im Dialog mit den NSC gegeben werden (wie der Mörder, der sich selbst mit einer unbedachten Aussage verrät). Andererseits darf man es aber auch nicht zu dick auftragen, damit die Spieler nicht as Gefühl haben, dass ihnen das Abenteuer zu leicht gemacht wird. Daher sollten die meisten Spuren bei einem Rollenspielabenteuer eher physisch sein – Briefe, Tagebücher, Fußabdrücke, Streichholzheftchen.

Ein besonderer Vorteil bei diesen physischen Spuren ist, dass man sie als Handputs vorbereiten kann – das Streichholzheftchen einer Bar, in das jemand eine Telefonnummer geschrieben hat, ist so ein Beispiel.

Zum anderen gibt es aber auch einen Kniff, der meines Wissens erstmals in Gumshoe explizit erwähnt wurde, aber auch in manch anderem Regelwerk wiederzufinden ist: Schlüsselinformationen sollten die Spieler entdecken, wenn sie nach ihnen suchen – auch ohne einen Würfelwurf. Bei Schlüsselinformationen ist so ein Würfelwurf eher kontraproduktiv: Wenn er gelingt, passiert genau das, was für das Abenteuer notwendig ist, wenn er misslingt, haben Spieler und Spielleiter ein Problem.

Ich höre jetzt einige Spielleiter aufschreien: Aber dann wissen die Spieler ja sofort, dass das eine wichtige Spur ist. Ja und? Zum einen müssen die Spieler diese Spur immer noch interpretieren, zum anderen kann man natürlich auch falsche Spuren, die der Täter vielleicht auslegt, damit die Ermittler den Falschen verdächtigen, den Spielern leichter präsentieren. Wenn die Spieler nämlich für jede echte Spur würfeln müssen, während falsche ihnen "auf dem Silbertablett gereicht" werden, wissen sie auch recht schnell, wen sie nicht verdächtigen müssen…

Noch ein Punkt, der bedenkenswert ist, wenn man einen Fall vorbereitet: Er muss auch im Sinne der Spielwelt möglich und lösbar sein. Je exotischer (je mehr "gonzo", wie es beispielweise bei Shadow of the Century genannt wird), desto wasserdichter muss man seinen Fall gegen alle möglichen exotischen Möglichkeiten abdichten. Allerdings hilft das alles nichts, wenn die Spieler die Regeln und Möglichkeiten der Welt nicht kennen.

Ein gutes Beispiel hierfür sind die Fälle mit "abgeschlossenen Räumen". Etwas ist geschehen, und der Täter konnte anscheinend nicht vom Tatort entkommen – ist aber nicht zu finden. Wenn es in der Welt Magie gibt, sollte man beispielsweise gut wissen, ob der Täter sich hinauszaubern konnte – sei es mit einer Teleportation, einem phase shift durch die Wand oder ähnlichem. In einer SF-Welt gibt es vielleicht die Möglichkeit eines mechanischen Teleports ("Beamen") oder auch von Psi-Kräften (Gucky oder Ras Tschubai bei Perry Rhodan). Nur wenn deraretige Optionen abgeklopft sind und auch den Spielern bekannt sind, kann es einen guten Fall geben.

So gibt es in den Geschichten um den britischen Ermittler Lord Darcy zwar Magier, aber Teleportation ist explizit nicht möglich. In einigen Fällen wird daher mit einem Ablenkungs-Zauber (der verhindert, dass man sich eine bestimmte Stelle ansieht – beispielsweise das Badezimmer -, bis der Täter von dort entkommen ist und sich unter die Zuschauer gemischt hat) gearbeitet. Eine wichtige Spur ist dann, dass die Ermittler zu Beginn eben diese Ecke gar nicht beachteten … was zugegebenermaßen schwer im Rollenspiel umzusetzen ist. Daher noch einmal der Rat: Man bedenke alle Möglichkeiten, die die Welt bietet, und sorge auch dafür, dass die Spieler ebenfalls diese Möglichkeiten kennen.

Dass schon daher in einem Fantasy-Setting ein Dxetektivabenteuer eine eher schlechtge Wahl für ein Einstiegsabenteuer ist, dürfte damit klar sein – wenn die Spieler die Regeln der Welt kennen, sieht das ganz anders aus.

Wichtig ist auch, dass so ein Abenteuer nicht zu lange dauert – im Idealfall sollte so ein Detektivabenteuer an einem Abend abgeschlossen werden. Der Grund hierfür ist einfach: Auch wenn die Charaktere keine Probleme haben sollten, sich alle Details vor Augen zu führen, haben Spieler nach einer oder gar mehreren Wochen sicher nicht mehr so vollkommene Erinnerung. Immerhin mussten sie seither auch eine Menge Daten aus der realen Welt verarbeiten, mit denen die Charaktere incht konfrontiert wurden. Und auch eine Online-Übersicht ist nicht sonderlich nützlich: Wenn die Spieler ein Detail vergessen haben sollten, ergibt sich für den Spielleiter das Problem, ob er die Spieler noch einmal daran erinnern sollte – oder ihnen vielleicht einen allzu deutlichen Hinweis auf die Lösung gibt.

Ein letztes Detail, an das man immer denken sollte: Einstein hat vielleicht ein wenig übertrieben, als er meinte: „Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche Dummheit – und bei ersterem bin ich mir nicht ganz sicher.“ Aber Spieler können schon recht "clew-resistant" agieren, wenn es um die Suche nach dem Täter geht. Also: Macht die Fälle nicht zu schwer, auf dass die Spieler eine faire Chance haben, sie auch zu lösen.

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