Lots Of Luck, All Of It Bad…

Killing Lee Garvin

Es gibt Leute, die haben gefühlt seinerzeit, als der Herrgott das Pech verteilte, stundenlang laut " hier hier" gebrüllt, und als dann das Glück verteilt wurde, waren sie so heiser, dass sie nicht mehr bemerkt worden. Lee Garvin scheint ein Paradebeispiel für diese Personen zu sein. Nicht nur hat er als Spieledesigner einen Beruf, in dem nur die absoluten Superstars ihrer Branche von den Erlösen leben können, auch lebt er in Amerika mit der dortigen berühmten-berüchtigten Gesundheitsversorgung (nach dem Motto: wer sie nicht bezahlen kann, hat eben Pech gehabt) – und oftmals fühlt man sich bei seinen Erlebnissen benötigt, Jürgen Wegman zu paraphrasierten: erst hatte er kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu.

Um ihm in seiner derzeitigen Notlage ein wenig auszuhelfen, hat jetzt Greg Porter, einer seiner Freunde, ein Spiel entworfen und bietet es über Kickstarter an. Von den Erträgen soll es Lee ermöglicht werden, wieder auf die Füße zu kommen.

Rollenspielern ist der Name Lee Garvin wohl am ehesten bekannt als Autor des Rollenspiels Tales From The Floating Vagabond, das vor vielen Jahren für kurze Zeit unter Liebhabern humorvoller Rollenspiele recht bekannt war. Aber schon damals zeigte sich, dass Fortuna Lee nicht sonderlich gewogen war.

Als Herausgeber fungierte nämlich der renommierte Spieleverlag Avalon Hil, der eher für seine knochentrockenen Cosim-Spiele bekannt war und auch einige Brettspiele für Vielspieler verlegte (vor allem einige Titel, die von 3M übernommen worden waren). Zwischen diesen Titeln machte sich Tales, das unter Experten als Konkurrenz beispielsweise zu Paranoia gesehen wurde – und meiner Meinung nach sogar witziger und vor allem spielbarer war – wie ein ungeliebtes Stiefkind aus. Als Avalon Hill schließlich unterging und von Hasbro übernommen wurde, versank Tales im Vergessen, bis Lee schließlich vor ein paar Jahren die Rechte wiedererlangte und in einem recht erfolgreichen Kickstarter eine neue Ausgabe plante.

Allerdings scheint der Garvin-Fluch dies zum Anlass genommen zu haben, einmal mit dem Vorschlaghammer auf Lee einzuschlagen. Einige der weiteren Stationen kann man sogar im Spiel Killing Lee Garvin (KLG) nachvollziehen. Aber jetzt erst einmal zum Spiel.

Im Vorwort des Spiels klingt Lee er wie eine fiktive Person, man sollte denken, so viel Pech kann eine einzelne Person gar nicht haben. (Es heißt sogar "als habe er durch einen Buchhaltungsfehler das negative Karma eines Reinkarnierten Hitler geerbt")
Das Spielmaterial, das im Projekt geplant ist, ist relativ simpel:

  • 54 Karten, je 27 Schadens- und 27 Hilfekarten
  • je15 Gesundheitsmarker in rot, grün und blau
  • eine Startspieler-Figur
  • die Regeln – zur Zeit nur auf Englisch

über die Qualität des Materials kann ich natürlich zurzeit noch nichts sagen: die Produktion muss erst noch anlaufen. Mir lag eine Print-n-Play-Version vor in Form von 2 PDF-Dateien; die Karten habe ich nach dem Ausdrucken ausgeschnitten und mit ein paar normalen Spielkarten zusammen in Sammelkartenspiel-Hüllen gesteckt. Was bereits an Illustrationen zu den Karten vorliegt, weiß zu gefallen: ganz grob gerechnet gut die Hälfte der Karten ist bereits illustriert – und man kann auch gegen eine entsprechende Zahlung seine eigene Visage als Karikatur auf eine Karte setzen lassen, sozusagen als eine der schlimmen Einflüsse auf Lees Leben. ("Lee: "was habe ich dir denn angetan? "")

Die Karten sind jeweils unterteilt in rote, grüne und blaue und haben einen Schadens-bzw. Hilfe-Wert von 1-3. Überraschend fand ich, dass anders als bei Spielen mit ähnlichem Thema die Schadens-und Hilfe-Werte sich gegenseitig komplett aufhoben, wodurch gewisse Spieltaktiken erst möglich werden.

Zu Spielbeginn erhält jeder Spieler 2 Marker jeder Farbe sowie 3 zufällige Karten aus dem Vorrat. 3 Marker jeder Farbe kommen in die Mitte des Spieltisches, sie stellen sozusagen Lebenspunkte von Lee dar. 4 Karten kommen zusätzlich offen als Kaufkarten auf den Tisch, die übrig bleibenden bilden einen verdeckten Nachzugstapel.

Für das Spiel sind 4 Regeln von grundlegender Bedeutung, die man gelegentlich übersieht. Auch bei unseren Testspielen musste man gelegentlich nachfragen und korrigieren.

1. die Marker eines Spielers gehen von ihm nur in die Tischmitte, nie in der selben Bewegung zu anderen Spielern.

2. Marker, die in der Tischmitte liegen, gehen von hier ausschließlich zu den Spielern.

3. wenn ein Marker durch eine Karte bewegt wird, muss er die gleiche Farbe haben wie die Karte.

4. man kann mehr als eine Karte gleichzeitig spielen, aber nur, wenn die Karten sowohl in Farbe, Zahlenwert und Typ (Schaden oder Hilfe) übereinstimmen.

Das Spiel verläuft in einzelnen Runden. Im Zweifel beginnt der Spieler mit der Startspieler-Figur eine Phase, und danach die anderen Spieler in Sitzreihenfolge. Zu Spielbeginn ist laut Startspieler-Witz die Figur bei dem Spieler mit dem schlechtesten Gesundheitszustand.

Zu Beginn eines Zuges füllt jeder Spieler seine Hand bis auf 4 Karten auf, wobei man mindestens eine Karte nehmen muss, wenn man nicht bereits 4 auf der Hand hat. Man darf wahlweise eine verdeckte Karte nehmen oder eine offen liegende Karte, wenn man zusätzlich einen Marker beliebiger Farbe (!) aus der Tischmitte an sich nimmt und so Lees Gesundheitszustand weiter schwächt. Wenn man mehr als eine Karte nehmen darf, darf man auch beliebig mischen. Gekaufte Karten werden sofort aus dem Nachtzugstapel ersetzt. Wenn keine Gesundheitsmarker mehr in der Tischmitte liegen, darf man auch keine Karte mehr kaufen.

Wenn durch die nachgelegten Karten die Situation eintritt, dass 4 Schadens- oder 4 Heilungs-Karten offen liegen, müssen sie in den Nachzugstapel zurück gemischt werden und ersetzt.

Nun spielt jeder Spieler verdeckt eine oder mehrere Karten (nach der 4. Regel) aus der Hand. Wenn alle Spieler ihre Karte gespielt haben, werden sie aufgedeckt und in Reihenfolge abgehandelt, wobei der jeweilige Startspieler nach dem Aufdecken, aber vor der Abhandlung, einen Deal aushandeln darf, zum Beispiel, dass seine Karte einem bestimmten Spieler nutzen soll, wofür dann eine bestimmte andere Karte eines anderen Spielers einem bestimmten anderen Spieler schaden soll. Diese Verhandlungen darf nur der Startspieler der Runde führen – und bei der Ausführung der einzelnen Karten ist kein Spieler an seinen Deal gebunden. Da der Startspieler als 1. seine Karten abhandeln muss, ist sein Ausführen der Karte somit auch vom Vertrauen auf den anderen Spieler abhängig.

Jede einzelne Karte kann hierbei nur einen einzigen Spieler beeinflussen – und natürlich Lee, der durch die Marker in der Tischmitte dargestellt wird. Wenn jemand also 2 Karten mit je 2 Schaden spielt, kann er diesen Schaden zwar aufteilen, indem er 2 Spielern je 2 Marker gibt oder einem alle 4, nicht aber beispielsweise einem einen und einem 3. Wenn eine Karte erfordern würde, dass mehr Marker einer Farbe bewegt werden müssten, als der Spieler oder Tischvorrat noch besitzt, werden so viele Marker wie möglich trotzdem bewegt.

Die Spielregeln regen hierbei an, die Geschehnisse aus den Karten auf möglichst absurde Weise miteinander zu kombinieren, zum Beispiel " die fleischfressenden Eichhörnchen, die Lee angefallen haben, fressen ihm seinen gebackenen Speck weg" (das Aufgeben des gebackenen Specks ist eine Heilungskarte) oder Ähnliches.

Am Ende einer Runde darf jeder Spieler außerdem noch eine Karte abwerfen, die er dann in der nächsten Runde durch eine neue Karte ersetzen kann.

Es gibt 3 Möglichkeiten, wie das Spiel beendet werden kann, jede mit einer eigenen Siegbedingung:

– Wenn ein Spieler keinen einzigen Marker mehr besitzt, hat er Lee geheilt und sein Pech aufgehoben. In diesem Fall gewinnt sowohl Lee als auch der Spieler ohne Marker.

– Wenn ein Spieler doppelt so viele Marker einer bestimmten Farbe hat wie Spieler am Tisch sitzen, hat er Lee umgebracht (Bastard!) Es gewinnt der Spieler mit den wenigsten Markern.

– Wenn der Nachzugstapel komplett verbraucht wurde (also auch keine Karten mehr offen liegen), endet das Spiel ebenfalls. Lee hat überlebt, ist aber nicht glücklich mit seiner Situation. Auch hier gewinnt der Spieler mit den wenigsten Markern.

Unentschieden werden aufgelöst, in dem zunächst die wenigsten roten, bei einem weiteren Gleichstand die wenigsten grünen und dann notfalls die wenigsten blauen Marker gewinnen.

Es gibt noch 2 optionale Regeln, eine um die Siegbedingung " Lee wurde geheilt" einfacher zu machen: wer keine Marker einer bestimmten Farbe besitzt, ist immun gegen Schadenskarten dieser Farbe. Man kann allerdings Marker der Farbe nehmen, um eine offen liegende Karte zu erwerben. Hierbei würde man dann selbstverständlich die Immunität wieder verlieren.

Für 2 Spieler gibt es außerdem eine Version mit einem Dummy.

Meinen schnell zusammengerufenen Testspieler das Spiel ziemlich gut gefallen. Man sollte allerdings nicht völlig ablehnend schwarzem Humor gegenüberstehen. Interessanterweise gefiel das Spiel sowohl meinem mitspielenden Gelegenheitsspieler als auch den Vielspielern.

Schwierig wird das Spiel dadurch, dass man ständig im Auge behalten muss, wie viele Marker welcher Farbe jeder Spieler hat – Königsmacher-Szenarios scheinen recht häufig vorzukommen.

Auch um Lee finanziell zu unterstützen, kann ich das Spiel nur empfehlen. Wer noch mehr tun will, kann aber neben der Unterstützung dieses Projekts auch direkt inLees Gesundheitsfond (GFM) einzahlen ;-)

Hersteller Blacksburg Tactical Research Center
Autor Greg Porter
Künstler Ron Leishman
Spieler 2-6
Denken 6
Glück 6
Geschicklichkeit 0
Preis ca. 25 USD (Projektpreis ohne Versand)

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