Ein Rattenmeister berichtet

Die Ratcon 2019 in Limburg

Rollenspiel-Cons kann man in verschiedene Gruppen einteilen. Da sind zum einen Kleincons mit unter 100 Teilnehmern, Großcons am anderen Ende der Skala mit in der Regel über 1000 Besuchern und „mittelgroßen“ Cons, die, wie der Name schon sagt, irgendwo dazwischen liegen. Es gibt Themencons, bei denen der Großteil der angebotenen Runden einem bestimmten Thema folgen sollte (hierbei sind beispielsweise Steampunk oder auch Science-Fiction recht beliebt), mehr oder weniger behindertengerechte Cons, ein- oder mehrtägige Cons, letztere mit und ohne Übernachtungsmöglichkeit … Auch kann der Veranstalter interessant sein: Hauscons bestimmter Veranstalter können je nachdem auch auf Systeme dieses Veranstalters beschränkt sein – oder gar auf ein einzelnes System.

Eine der ältesten Großcons ist heutzutage die Hauscon von Ulisses. Ihren Namen hat die Ratcon von ihrem ursprünglichen Veranstaltungsort: gestartet ist sie als Con von Schmidt Spiele in Ratingen. Im Laufe der Zeit ist der Veranstalter eigentlich immer der Herausgeber des Systems DSA gewesen: später in Dortmund und veranstaltet von Fantasy Productions, als DSA dann an Ulisses überging, ging die „Ratte“ dann 2007 ebenfalls über an Ulisses, zog 2012 um nach Unna – und wird zur Zeit seit 2016 regelmäßig in Limburg an der Lahn gehalten, was für den Verlag durch seinen Sitz in Waldems wohl ein wenig günstiger liegt als Unna. Auch durch meinen Schlaganfall war es mir in den letzten paar Jahren leider nicht mehr möglich gewesen, einmal auf der Ratcon vorbeizuschauen, deshalb habe ich die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, als ich in diesem Jahr eine Mitfahrgelegenheit bekommen konnte. Was habe ich dort erlebt?

Natürlich war ich ein wenig nervös, was die Location anging: wie behindertenunfreundlich eine Con-Location sein kann, kenne ich zur Genüge – beispielsweise von der Nordcon, die über drei durch mehrere, lange Treppen verbundene Etagen geht, und dabei auch keinen Aufzug anbieten kann.

Allgemeine Berichte über die Stadthalle in Limburg zeichneten ein eher gemischtes Bild: ein Schwerbehinderter berichtete, dass bei einer Veranstaltung, wo er war, der Aufzug mit Bändern und Stellwänden abgesperrt gewesen sei, wodurch er es nicht einmal bis zur Behindertentoilette geschafft habe. Allerdings gibt es in der Stadthalle eben diesen Aufzug und auch die genannte Toilette, sodass ich Hoffnung hatte.

Und diese Hoffnung wurde auch nicht enttäuscht. Zwar war der Aufzug relativ schmal und länglich, sodass ein ebenfalls anwesender, auf den Rollstuhl angewiesen Supporter von Ulisses sich in diesem Aufzug nicht einmal drehen konnte, und die Schiebegeräusche, die die Türe beim Öffnen und Schließen machte, waren auch nicht unbedingt „beruhigend wie Kamillentee“ – grundsätzlich schien der Aufzug aber trotzdem den technischen Erfordernissen zu entsprechen. Die Behindertentoilette war sogar überraschend geräumig bis riesig und nur über Druckschalter zu öffnen und von innen zu verriegeln. Besondere Schlüssel waren also nicht notwendig. (Es hätte mir allerdings auch nichts ausgemacht, wenn zur Benutzung der Toilette der „Euroschlüssel“ benötigt worden wäre, mit dem man beispielsweise auf fast allen Autobahn-Raststätten und auch vielen öffentlichen Toiletten in ganz Europa als Schwerbehinderter Zugang erhalten kann.)

Auch die Orga zeigte sich sehr bemüht, es für Behinderte so bequem wie möglich zu machen. Ich hatte im Vorfeld bereits angekündigt, dass ich eigentlich einen Stuhl mit Lehnen benötigen würde, weil ich ansonsten Probleme beim Aufstehen hätte. Als ich jetzt dort war und nach einem Stuhl fragte – denn die vorhandenen hatten alle keine Lehnen – wurden mir gleich zwei angeboten, aus denen ich auswählen durfte: der eine war der „normale“ in der Stadthalle vorrätige Stuhl mit nach vorne abfallender, gerundeter Lehne; der andere hatte horizontale Lehnen, auf denen man sich leichter abstützen konnte. Den zweiten hatte man bereits irgendwo organisiert, weil man gesehen hatte, dass die „Rundlehnen“ für das Aufstützen nicht unbedingt ideal waren…

Insgesamt verteilte sich das Geschehen über drei Etagen: im Erdgeschoss fand man eine Information, Sanitätsstation, den Spielrundenaushang, die Kasse und die Bühne für Workshops und Präsentationen, die von Ulisses im eigenen Twitch-Kanal alle gestreamt wurden – sie werden zurzeit Stück für Stück auch auf Ulisses‘ YouTube-Kanal veröffentlicht. Im ersten Obergeschoss befanden sich eine Künstlerzeile, ein Lagerverkauf und ein B-Ware-Verkauf von Ulisses, das Stadthallen-eigene Catering (mit einigermaßen akzeptablen Preisen) und der Großteil der Rollenspieltische. Im zweiten Obergeschoss schließlich befanden sich noch einmal 2,3 kleinere Räume mit Rollenspieltischen – von denen einige auch am Samstag für das traditionelle MPA verwendet wurden.

Dieses MPA wird allerdings nicht mehr von Ulisses-eigenen Supportern speziell angeboten, sondern wurde von DSATube organisiert. In einem Punkt wusste das MPA sofort bei mir zu scoren: trotz meines berüchtigten Würfelpechs gelang es mir, einen Platz im MPA zu ergattern. Zum Vergleich: ich habe schon zu Dortmunder Zeiten jedes Jahr bei allen drei „Sitzungen“ versucht, dabeizusein – und es ist mir in den ganzen Jahren nur ein einziges Mal (!) geglückt. Wenn man mich auf der Con gefragt hätte, hätte ich gesagt, das müsse so 2010 oder 2012 gewesen sein; inzwischen habe ich aber eine Urkunde gefunden, aus der ich ersehen kann, dass es 2007 geschehen war.

Überhaupt hat mir das Abenteuer sehr gut gefallen: es ist den Machern tatsächlich gelungen, die sechs Gruppen, die doch teilweise recht unterschiedliche Abenteuereinstiege hatten, auf plausibel klingende Weise im Laufe der Zeit zueinander zu führen – und das, ohne dass die verschiedenen Gruppen sich gegenseitig direkt an die Gurgel gegangen wären. Da ich nicht weiß, ob DSATube noch etwas mit diesem Abenteuer vorhat, will ich auch nur sagen: ich hatte einen Heidenspaß, nicht nur weil meine Sprachenkünstlerin endlich einmal glänzen konnte. Einmal abgesehen von der Frage: „welche Sprache sprichst du eigentlich nicht?“ fand ich auch interessant, dass man meine unschuldige Bardin als „1m65 gebürsteter Krawall“ beschrieb, nachdem sie im waffenlosen Zweikampf einen Ork besiegte – nachdem sie zur Eröffnung der Feierlichkeiten gleich einmal einen Patzer hingelegt hatte….

Insgesamt waren die Runden natürlich schwerpunktmäßig bei Ulisses-Systemen (DSA, D&D5, Pathfinder, Savage Worlds, Hexxen 1733…) angesiedelt, es gab aber auch Runden mit Systemen anderer Hersteller: ich meine, ich hätte Deadlands Classic gesehen, Los Muertos, Splittermond, Cthulhu und andere.

Wer auf der Con wenigstens eine Runde mit Voranmeldung leitete (oder einen ausgefüllten Spielrundenaushang mitbrachte – leere Formulare waren auf der Webseite als Download erhältlich), erhielt freien Eintritt. Außerdem erhielt jeder Spielleiter, der eine – auch eine nicht vorangemeldete – Runde leitete, zur Erinnerung einen Spezial-W6, der, so habe ich gehört, jedes Jahr mit einem neuen Motiv hergestellt wird. Wer dann noch (wie auch ich) eine zweite Runde leitete (dies wurde mit Vermerk im Programmheft nachgehalten und musste ebenfalls nicht vorangemeldet sein), erhielt dann auch noch ein T-Shirt in dunkelburgund mit einem Rattenmotiv und dem Text „Rattenmeister“. Auch diese ändern sich von Jahr zu Jahr: letztes Jahr waren sie wohl dunkelgrün, im Jahr davor dunkelstblau.

Hat sich der Aufwand einer Reise nach Limburg für mich gelohnt? Auf jeden Fall – immerhin kann ich notfalls mit Nahverkehrszügen gratis anreisen und könnte ich sogar eine Begleitperson zum gleichen Fahrpreis mitnehmen. Aber auch für „normale“ Congänger, die eine Anfahrt mit dem Auto organisieren müssen, ist die Ratcon meiner Meinung nach ein lohnendes Ziel.

Veranstaltung RatCon
Ort Stadthalle Limburg/Lahn
Teilnehmerzahl 1100+
Eintritt Freitag 20€, Samstag 15€, Sonntag 5€
Dauer Freitagabend bis Sonntagabend
Nächster Con Wird hier eingetragen, sobald er mir bekannt ist.

2 comments

  1. Nottel sagt:

    Danke, auch mal eine interessante Perspektive.

  2. Florian sagt:

    Schließe mich Nottel an. Danke für den interessanten Bericht. Ich wusste z.B. nichtmal, dass es überhaupt einen Aufzug gab!

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