Panty Explosion Atarashi Games klingt Japanisch, und die Themen der (bis jetzt) zwei Rollenspiele des Verlages sind ebenfalls Japanisch, aber Jake Richmond und Matt Schlotte sind Amerikaner (aus Oregon), wenn auch ihre Spiele eindeutig einen japanischen Einfluß haben.
Und den Namen ihres Rollenspiel-Erstlings muss man auch mit Japanischen Augen sehen. Panty Explosion (im folgenden mit PE abgekürzt) klingt wesentlich schlimmer als es ist, aber wenn man bedenkt, mit welchen Verballhornungen der Englischen Sprache Japaner tagein tagaus leben (die Webseite Engrish.com zeigt zahlreiche Beispiele), versteht man eher, was gemeint ist.
In Panty Explosion spielt man ein Japanisches Schulmädchen in einer 'normalen' Japanischen Schule. Naja, beinahe normal. Es gibt in der Welt dieses Rollenspiels nämlich einzelne Schulmädchen, die mit psychischen Kräften gesegnet – oder sollte man sagen: verflucht – sind, Dämonen und Regierungsagenten die die gefährlichen Schulmädchen beobachten etc. Als Spieler versucht man, mit seinem Schulmädchen (ob es jetzt psychisch begabt ist oder nicht) all diese Gefahren sowie die Fährnisse des Japanischen Schulalltags zu überleben.
Hierzu bedient das Spiel sich einiger ungewöhnlicher Techniken. Die wichtigste ist wohl die, dass jeder Spieler zwei besondere Mitspielercharaktere wählt: die beste Freundin und die Rivalin. Wobei man einer Rivalin nicht unbedingt unauslöschlichen Hass entgegenbringen muss, eine gewisse Rivalität beispielsweise im schulischen oder sportlichen Bereich wäre sicher angebracht. Diese beiden haben im weiteren Spielverlauf eine besondere Rolle: erfolgreiche Aktionen beschreibt die beste Freundin, Fehlschläge die Rivalin. Hierdurch sind bei jeder Aktion mindestens drei Mitspieler betroffen, deren Charaktere nicht einmal unbedingt anwesend sein müssen.
Aber bevor man eine beste Freundin wählen kann, muss man erst einmal einen eigenen Charakter haben. Die Charaktererschaffung bei PE ist stark auf die Persönlichkeit der Schülerinnen gerichtet, und blickt sehr wenig auf die Zahlen und damit zusammenhängende Regeln.
Eine Schülerin ist beschrieben durch Werte und Wesenszüge. Werte sind zunächst einmal die Blutgruppe (Japaner glauben stark daran, dass die Blutgruppe Einfluss auf eine Persönlichkeit hat – vor allem Blutgruppe AB ist ziemlich unbeliebt), der Geburtsmonat und über diesen das Sternzeichen, sowie die fünf Godai, die Elemente der Japanischen Mythologie: Erde, Feuer, Wasser, Luft und Leere. Jedes dieser Elemente kennzeichnet bestimmte Eigenschaften, so ist Erde stur, kräftig, und widerstandsfähig, während Feuer schnell, aggressiv und leidenschaftlich ist. In dem Element,das den Charakter am meisten beeinflusst, setzt man eine 5, in das am wenigsten repräsentierte Element eine 1, die übrigen erhalten eine 2, 3 und 4 nach Wahl des Spielers.
Außerdem hat jeder Spieler noch Wesenszüge, von denen je einer abhängig ist von der Blutgruppe, vom Sternzeichen, vom stärksten Godai-Element, sowie einer der sich auf Freunden und Familie ergibt und einer, der sich aus dem Hobby ergibt.
Schließlich entscheidet jeder Spieler, ob seine Schülerin psychisch begabt ist – man hat dann zwar Vorteile, was die eigenen Fähigkeiten angeht, aber psychische Mädchen werden misstrauisch gesehen, und haben eine Aura, die sie unbeliebt machen. Erst danach kann man beste Freundin und Rivalin wählen. Hierbei kann ohne weiteres A die beste Freundin für B sein, während B für A die Rivalin ist. Allerdings sollte mindestens ein Schulmädchen nicht psychisch sein, damit es eine beliebteste Schülerin geben kann (siehe zwei Abschnitte weiter).
Hiernach wählt jede Schülerin ein Ziel, das sie erreichen will. Hierbei sollte man ein kurzfristig erreichbares Ziel wählen, da vom Erreichen desselben die Fähigkeiten der Gegner abhängen. Weltfrieden für alle ist ein lobenswertes Ziel, 'ich will fünf Mitschüler für den Ikebana-Club werben' aber ein wesentlich besseres Ziel für PE, da man das erreichen kann.
Zu guter letzt wird noch eine geheime Abstimmung über die populärste und die am wenigsten populäre Schülerin gehalten, diese Abstimmung kann regelmäßig neu gehalten werden. Achja, weil sie unbeliebt sind, kann ein psychisches Mädchen natürlich nicht populärste Schülerin werden.
Wozu das ganze? Grundsätzlich wird eine Aktion im Rahmen einer Szene einem Godai-Element zugeordnet, wobei diese Zuordnung nicht für alle Zeiten festgelegt ist – schnell den Weg durch ein Labyrinth zu finden kann sowohl auf Luft (Bewegung), Feuer (Schnelligkeit) oder Leere (logisches Denke) bezogen werden. Man würfelt, und wenn hierbei mindestens eine 5 oder mehr erscheint, hat man Erfolg. Allerdings hat man zum einen für eine gesamte Szene insgesamt nur so viele Würfel für ein Element zur Verfügung, wie der Godai-Wert anzeigt: wer beispielsweise 3 Punkte auf Luft gesetzt hat, und zwei benutzte um einem Schlag auszuweichen, hat für den Rest der Szene eben nur noch einen Luft-Würfel übrig. Welche Würfel (mit 6, 8, 10 oder 12 Seiten) geworfen werden, ist von mehreren Dingen abhängig.
Grundsätzlich würfelt man Achtseiter. Wenn einer der Wesenszüge auf die Aktion angewandt werden kann, nimmt man den nächstgrößeren Würfel. Außerdem darf die populärste Schülerin noch einmal die Würfelgröße aufstocken, während die unpopulärste eine Würfelgröße abziehen muss. Einzige Ausnahme sind die psychischen Fähigkeiten, für die immer Zehnseiter gewürfelt werden, und die auch nicht mit Wesenszügen verbessert werden können.
Psychische Fähigkeiten sind begrenzt auf zwei Stück: Levitation und 'Köpfe explodieren lassen'. Letzteres ist nicht so tödlich, wie es klingt; außerdem sind diese Beschreibungen sehr weit gefasst zu sehen.
Der Hauptgegner eines Abenteuers (der 'Dämon‘, der aber nicht unbedingt ein echter Dämon sein muss, sondern auch ein bösartiger Lehrer, oder ein Regierungsagent auf der Jagd nach psychischen Mädchen sein könnte), wird stärker, wenn bei seinem Auftauchen noch Ziele offen stehen. Hier macht sich also bezahlt, wenn man ein Ziel gewählt hat, das erreicht werden kann, denn durch das Erreichen eines Ziels schwächt man den Dämon. Auße4rdem stärkt jede Anwendung psychischer Energie während des Abenteuers den Dämon, so dass der Spieler eines psychisch begabten Mädchens sich überlegen sollte, ob er die Fähigkeiten wirklich einsetzen will.
Mit einer Regelung, wie die einzelnen Szenen eines Abenteuers geöffnet werden (auch hier, wie bei der "beste Freundin / Rivalin Thematik“ arbeiten die Spieler zusammen, statt die Arbeit dem Spielleiter zu überlassen) endet der Regelteil, der etwa die Hälfte des knapp hundert Seiten starken Bandes ausmacht. Anschließend werden einige Beispiele für mögliche Dämonen gegeben, sowie eine ausführliche Einführung in das tägliche Leben eines japanischen Schulmädchens.
Bei dieser Beschreibung des Lebens muss man immer daran denken, dass das Spiel von Amerikanern gemacht wurde, die die beträchtlichen Parallelen zwischen dem amerikanischen und dem japanischen Schulsystem als selbstverständlich betrachten, was manchmal zu Verwirrung führen kann, wenn man beispielsweise vom deutschen Schulwesen ausgeht. So gibt es in deutschen Schulen den "Homeroom“ nicht, bei dem am Anfang eines Schultages Mitteilungen gemacht werden, die Anwesenheit überprüft wird etc. Wenn man derartige Besonderheiten allerdings im Auge behält, ist die Beschreibung des japanischen Lebens sehr nützlich und, so weit ich beutreilen kann, auch korrekt.
Die Webseite bietet eine Menge Extras. Hier gibt es nicht nur die anscheinend unvermeidlichen Desktophintergründe, sondern u.a. auch ein abgespecktes Regelwerk, das als "Spickzettel“ während des Spiels oder als Einführung für unentschlossene gute Dienste leistet.
Womit wir zur Ausführung kommen. Hier treffen gute und schlechte Punkte aufeinander. Das Regelwerk ist aufgemacht wie ein Schulheft – mit Linien, typischen Kritzeleien (Blümchen, "Yumi
Wer will, kann natürlich auch aus einschlägigen Manga und Anime Informationen holen. Auch die Autoren des Spiels nennen zahlreiche derartige Produkte – begonnen bei Azumanga Daioh bis hin zu Ringu und Silent Mobius zahlreiche Einflüsse, aus denen man sich bedienen kann.
Bei dem Namen ist natürlich die Frage verständlich, ob das Spiel denn auch "hentai“ (ein japanischer Ausdruck, den man hier am besten als "ab 18″ umschreiben könnte) ist. Die Antwort ist zunächst einmal eindeutig: nein! Weder das Regelwerk noch die Ausführung gibt einen Anhaltspunkt hierfür. Das heißt natürlich nicht, dass man es nicht auch so spielen könnte, aber in der Gruindintention ist es nicht enthalten.
An einer Runde sollten mindestens vier Spieler (wovon ein Spielleiter) teilnehmen, damit man eine beste Freundin und eine Rivalin wählen kann, am meisten Spaß macht das Spiel allerdings bei fünf oder sechs Spielern (plus Spielleiter), da sich dann auch gruppendynamische Effekte entwickeln können.
Wer das Thema (sei es als "Psychic Schoolgirl Anime/Manga“, als "Mahou Shoujo“ oder auch als Schulmädchenanime oder -Manga) mag, aber auch wer einmal etwas nicht ganz so alltägliches versuchen will, oder gar wer die Mechanik mit der besten Freundin und der Rivalin interessant findet, sollte es versuchen. Die paar Dollar für das Regelwerk ist Panty Explosion mehr als wert, und auch der Name sollte nicht abschrecken.
Hersteller
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Atarashi Games
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Autor
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Jake Richmond und Matt Schlotte
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Spieler
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RPG
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Denken
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n/a
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Glück
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n/a
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Geschicklichkeit
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n/a
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Preis ca.
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20 $ (Buch), 10 $ (PDF download) bei key20
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