Tag Archiv für Arcane Codex

Was lang sich wehrt wird endlich Blut…

Arcane Codex – Drakia

Drakia-Cover

Kann ich das jetzt so einfach sagen…? Ich habe den Eindruck, kein Quellenband irgendeines deutschsprachigen Rollenspiels ist so lange so dringlich erwartet worden wie dieser hier. Drakia. Mittlerweile ist Arcane Codex in der 3rd Edition angekommen, und dann endlich… ich habe es selbst kaum glauben können, denn es hatte schon Routine… man kommt zum Stand von Nackter Stahl, spricht ein wenig mit Saskia über Neuheiten, und die fast obligatorische Frage „Drakia?“ bekam immer ein „Ja, wir arbeiten dran, es ist in der Mache…“. Wir reden hier von Jahren, eigentlich Jahrzehnten. Sehr schwere Geburt, hm?

Aber das Warten hat verdammt noch mal GELOHNT. Ich habe es ja selbst kaum glauben können, da auf der letzten Spiel „Drakia“ auf der Liste der Neuheiten zu sehen. Was also steckt in den 268 Seiten, die die Arcane Codex Spielerschaft schon seit einer gefühlten Ewigkeit unbedingt haben wollte?

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Die nackte Wahrheit über die Kelten Mordainer

mordainMordain

Ja, diese Überschrift ist durchaus ernst gemeint – allerdings sollte sie deshalb nicht unbedingt abschrecken. Dass Arcane Codex mehr oder minder klaut, sei es in Geschichte oder Fantasy, ist kein Geheimnis, dass das in der Regel recht gut gelingt und dementsprechend ein ansprechendes, spielbares Produkt dabei herauskommt, ist ebenfalls nicht neu. Im vorliegenden Band Mordain hat man nun die Darstellung der urtümlichen Insel im Nordwesten vor sich, deren kultureller Hintergrund sehr stark am iro-keltischen irdischen Brauchtum und auch am zugehörigen Mythos angelehnt ist. Moment mal, angelehnt? Wer ein wenig gälisch versteht, wird das für eine Untertreibung halten. Schon die Namensgebung, sowohl was die Namen selbst (sei es von Gottheiten oder Charakteren) als auch das Drumherum angeht (Monatsnamen, Kampfschulen, Clans…) – das scheinen die Autoren wortwörtlich in einem entsprechenden Wörterbuch abgeschrieben zu haben. Nicht dass das stören würde, im Gegenteil, es passt, denn genau das stellt Mordain ja dar – die Dark Fantasy Variante eines urkeltischen Irland, mit ein paar tausend Feen, ansonsten Menschen, die aus gutem Grund gerne von der Umwelt eher in Ruhe gelassen werden wollen. » Weiterlesen

Verstecktes Chaos

Abysslabyrinth (Abenteuer für Arcane Codex)

Nackter Stahl ist ein ungewöhnlicher Verlag. De facto ein Klein(st)verlag, brauchen die gedruckten Werke sich rein vom äußerlichen her dennoch nicht vor Produkten großer Verlage zu verstecken. Dennoch bietet der Verlag seine Produkte auch als PDFs an – zu Teil lange vergriffene und zu Mondpreisen gehandelte Dinge wie das Arcane Codex Kompendium, aber auch im Druck erhältliche Dinge, begonnen mit dem Grundregelwerk zu Arcane Codex über alle möglichen Settingbände bis hin zu Abente8uern und Soundtracks für Arcane Codex.

Und so ist Anfang September bereits die PDF-Version des Abenteuerbandes Abysslabyrinth erschienen, deren Gegenstück in "totem Baum“ (also gedruckt) bislang noch nicht gesichtet wurden – ich persönlich hoffe ja, dass die Papierversion ab Donnerstag auf der SPIEL erhältlich ist.

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Spitzohrige Skalpjäger

dornDornenwald

Ein neuer Quellenband aus dem Hause Nackter Stahl erschien pünktlich zum 10jährigen des Rollenspielsystems. Dornenwald nennen die Arborim – Waldelfen – den von ihnen bewohnten Teil Arboreas (Der eher feenbewohnte Teil. Illyrien, bekommt ein eigenes Quellenbuch laut den beiden Autoren). Nun, was erwartet denn nun den geneigten Leser in diesem Quellenband?Nun, ganz übergreifend gesagt – natürlich Waldelfen. Aber das wußten wir schon vorher. Ebenso, wie, daß die Arborim mehr oder weniger rebellische Elfen waren, die weder Auris noch Anaranth folgen wollten, also weder Sidhe noch Morai wurden. Diese Abspaltung geschah schon vor sehr langer Zeit, aber bis zu diesem Quellenband waren die Details noch eher unbekannt – und außerdem dürften sie aus jeder einzelnen Völkersicht ein wenig anders aussehen.

Sicher ist allerdings, daß die Arborim sich in der als Dornenwald bekannten Region niedergelassen haben, die zwischen Drakia und den stählernen Königreichen so richtig schön eingeklemmt erscheint. Dementsprechend gibt es da natürlich auch jede Menge Konfliktpotential, und die Arborim sind sich nicht so sonderlich einig, wie mit solchen möglichen Konflikten umzugehen sei. » Weiterlesen

Zuppa Romana Verunica

Arcane Codex: Veruna

Arcane Codex gibt es mittlerweile seit – na? 2002. Mittlerweile hat es sich doch recht gut als eigenes System mit einer attraktiven Spielwelt etabliert, wird auch auf verschiedenen Cons von verlagsunabhängigen Spielleitern angeboten, und ist auch durchaus im regulären Repertoire fester Gruppen zu finden – etwas, was auf dem deutschen Rollenspielsektor in letzter Zeit nur wenigen, wenn überhaupt jemandem geglückt ist. Trotzdem muß man hin und wieder Leuten erklären, was Arcane Codex eigentlich ist – ein Rollenspiel, das ist klar, aber was für eins? Ich habe damals schon – als es gerade erschienen war – als Kurzresumee gesagt: Man nehme aus diversen Fantasywelten und Epochen der Weltgeschichte das, was einem besonders gut gefällt, und was man sich gut vorstellen kann, packe es in einen Mixer, gieße dunkle Soße drüber und dann drücke man ab – und das ist auch nach wie vor dabei geblieben. Das ist übrigens keinesfalls negativ gemeint – entsprechend leicht fällt es gerade neuen Spielern, bestimmte Archetypen zu erkennen, eine Ahnung zu haben, was man gerne spielen will etc – und dazu kommt noch, daß, wenn man weiß was man will, ein AC-Charakter recht schnell gebaut ist, man trotz "Baukasten“ keine Stunden oder gar Tage an die Planung verschwenden muß – also durchaus congeeignet.

Nun liegt also das Quellenbuch Veruna vor – Veruna ist das AC-Gegenstück zu einem graeco-römischen Reich, das einmal die Welt quasi beherrschte, und das gerne immer noch täte – das aber mehr und mehr zerbröckelt, die Parallelen zu unserer irdischen Geschichte sind alles andere als von der Hand zu weisen. Der Band soll dazu dienen, den Spielern nahezubringen, wie dieses Reich denn in den Kontext der – zugegebenermaßen (dunkel)bunten – Welt Kreijor paßt. Immerhin hat Veruna die Welt schon mehr oder minder regiert, das Verunisch ist die verbreitetste Sprache auf dem Kontinent, und die Kultur des untergegangenen Atlantea lebt am ehesten noch in Veruna fort – die Frage, wie ein entsprechend "antik“ angehauchtes Imperium inmitten anderer, größtenteils doch irgendwo "fortschrittlicherer“ Nationen existieren kann. Und schon eröffnet sich auch das Problem, das Veruna hat: Es bröckelt immer mehr, und das an allen Enden. Daß die Veruner das nicht sonderlich wahrhaben wollen und sich immer noch als den Nabel der Welt betrachten, ist natürlich eine andere Geschichte.


Wie sind sie also die Röm Veruner? Nun, so, wie man sich den dekadenten Römer aus dem klassischen Sandalenfilm so vorstellt – wenn sie reich sind, sind sie feiste, verhätschelte Hedonisten, wenn sie arm sind, sind sie maximal "liberi“ – also freigelassene; möglicherweise geht es den Sklaven (diverser Rassen) sogar besser, je nachdem, wer denn ihr Herr ist. Natürlich gibt es noch das Militär – die verunischen Legionen sind durchaus weltbekannt (aber so gefürchtet wie einst sind sie wohl auch nicht mehr unbedingt), und man kann hier auch nachlesen, welche denn wo stationiert ist, was sie besonders auszeichnet usw. Auch gibt es einiges über die verschiedenen Götter der Veruner zu erfahren – und auch über ihre Priester; Myrmidon ist nun mal nicht der einzige (wenn auch sicherlich der wichtigste) Gott des verunischen Pantheons, es gibt auch noch andere – einige Parallelen zum graeco-römischen Pantheon sind hier nicht von der Hand zu weisen. Der "Chef“ ist hier eben zur Abwechslung mal Ares/Mars, wodurch ein Zeus/Jupiter nicht "nötig“ ist; Poseidon/Neptun hat das Geschlecht gewechselt und findet sich wie ich finde sehr passend (und gut dargestellt) in Nerea wieder, ähnliches gilt für Ker, die stellenweise eine Hades/Pluto-Entsprechung darstellt. Merkat ersetzt Hermes/Merkur (Huch, diese Namensähnlichkeit…), Inara entspricht in etwa Rhea, Quirinius als "Gottgewordener“ erfüllt ein wenig den Job einer männlichen Athene/Minerva, und Asklepios – nun, Äskulap(natter), ick hör dir trapsen… für was wenn nicht Heilkunst sollte er wohl zuständig sein? Eben. Also kein Apollo nötig. Namenstechnisch am "Geklautesten“ ist hier wohl Priapus – der heißt im römischen exakt genauso (Priapos im Griechischen) und ist auch genauso notgeil. Echidna hat Heras Launen, aber Gaias Talente (der Mythologie nach), und dementsprechend ist ihr Kult nun auch einer der Verbotenen – weiteres bitte ich den interessierten Religionswissenschaftler selbst nachzulesen.

Des weiteren bekommt man einen recht detaillierten Gesamteinblick in die Geschichte Verunas – wann hat wer was gegründet, gebaut, wem eins auf die Nuss gegeben oder glorreich dabei versagt (auch hier gibt es haufenweise Parallelen zur realen Geschichte des römischen Reiches – bis hin zu den verkreijorisierten Beinamen, wie "Vargothian“ statt "Germanicus“). Man erfährt, welche mächtigen Familien in Veruna welche Rolle spielen, welche ggf nur Marionetten sind oder aber ganz andere Probleme haben, und im Anhang findet man auch eine ganze Menge zu einigen "Persönlichkeiten“ aus Veruna – erfreulicherweise nicht so megalomane NSCs wie ich sie schon in anderen Publikationen gesehen habe, hier hat man zumindest schon noch das Gefühl, es mit "Menschen“ (bzw auch schon mal Trollen etc) zu tun zu haben. Man erfährt einiges über die verunische Kultur (eine sehr hedonistisch geprägte – nicht sonderlich überraschend), von Orgien, den dort servierten Spezialitäten (Wurtpellenmarmelade… ja sicher, zuviel Asterix auf Korsika…), Spielen, die die Veruner spielen (Trex, auch "Mulinello“ zB ist nichts anderes als das, was wir als Mühle kennen – paßt gut ins Konzept, und der Name ist auch nicht von ungefähr), Feiertagen und was da so getrieben wird, und natürlich diverse "Gesellschaften“, teils offiziell, teils sehr geheim. Die verunische Inquisition wird genauso genauer beleuchtet wie deren "Bluthunde“ (eine Variante der Dämonenjäger) – naja, wer’s braucht… die Veruner sind da reichlich bigott – offiziell ist im Namen Myrmidons so einiges verboten, insbesondere arkane Magie, aber hinter vorgehaltener Hand ist die doch viel zu nützlich, oder…?

Des weiteren findet sich auch eine ganze Menge zu den verschiedenen Arten von Gladiatoren, wodurch die Kampfschule Galea gleich mal viel an Varianz gewinnt. Es werden neue, exotischere Gladiatorentypen vorgestellt, und es gibt Regeln, wie Galea jeweils "typspezifisch“ abgeändert wird. Auch gibt es Lektionen für die typischen verunischen Schulen Galea und Praetoria (und auch Legionsspezifiche Eigenarten). An neuen Kampfschulen gibt es Drusus, eine Kurzschwerttechnikschule extra für Praetorianer, den Puginator (Dolchkämpfer – sehr gut gemacht, sowas hat schon lange gefehlt) sowie natürlich den Inquisitor und den Interfector (eine Art Vatikan – James Bond auf verunisch). Sehr gut gefällt mir noch der Explorator – ein wirklich wissensorientierter Forscher geländegängiger Art, sowas war bisher nur behelfsmäßig möglich, diese Schule ist sehr gut gelungen. Der Liberator schließlich ist eine Variante des Gossenkämpfers, der die Befreiung von Sklaven im Sinn hat.

Bleiben noch diverse weitere Eigenarten des röm verunischen Reiches, wobei es oftmals nur die latei verunischen Namen von durchaus schon bekannten Gegenständen sind, die dann eben die lokale Variante bezeichnen. Einige typische Kräuter, Gifte, Drogen und Kranheiten werden auch erwähnt – und sorry, da sind schon einige Lächerlichkeiten bei; nennt den Pilz doch gleich Viagra gelb. Auch gibt es genügend Stellen, die so "zwangslatinisiert“ aussehen, daß sich mir als Altphilologe die Fußnägel aufrollen (ich dachte ich wäre Pseudolatein bei DSA quitt geworden). Stellenweise stimmig, dann wieder schlicht falsch und manchmal einfach übertrieben (so ganz nebenbei – wozu ein verunisches Alphabet? Was für Buchstaben sind denn diese, in denen ich das hier schreibe? Wollt ihr mir nachher das als gotisch verkaufen?)

Schön: Es sind auch noch einige für Veruna typische, spielbare Rassen enthalten, namentlich die Minotauren, die Satyre und Zentauren (Zyklopen gibt’s zwar auch, aber würde ich als SC schlicht nicht zulassen – als NSC sicherlich brauchbar). Diese Rassen kommen außerhalb Verunas aber quasi nicht vor, und sind damit anderswo noch weit exotischer als sie es hier schon sind. Ebenso finden sich diverse Kreaturen aus der graeco-römischen Mythologie "ganz logisch“ im verunischen Bestiarium wieder – wo auch sonst.

Bleibt noch die Frage nach möglichen Kampagnen, die man mit dem Veruna-Quellenbuch so aufbauen kann. Die Veruner – sowohl die gebürtigen wie auch die zugereisten – bleiben nämlich doch ganz gerne unter sich, und distanzieren sich von den "Barbaren“. Insofern sind Veruner in gemischten Gruppen wohl eher nicht an der Tagesordnung, und es macht mehr Sinn, eine verunische Kampagne aufzubauen, in der zumindest die meisten Charaktere aus Veruna stammen. Auch sollte man sich vorher im Klaren sein, in welche Richtung eine solche Kampagne gehen sollte – den entsprechenden Artikel gegen Ende des Buches finde ich gut geschrieben, denn wer schon mal mit Kämpfercharakteren vor einem Intrigenabenteuer gestanden hat (oder andersherum) weiß, daß man mit etwas Planung eben solche Dilemmas vermeiden kann. Es gibt einige verschiedene Ansatzpunkte für verunische Kampagnen, allerdings sind die verschiedenen Charaktergenres eher schwierg zu mischen, also sollte man sich vorher überlegen, was man spielen will. Eine "Gladiatorenkampagne“ kann zB sicher anspruchsvoll sein, und ermöglicht auch den ein oder anderen etwas exotischeren Charakter – ganz anders wäre wiederum eine politisch orientierte Kampagne, wo im Senat und auf ganz anderen Parketten intrigiert werden kann, oder natürlich auch die "klassische“ Militärkampagne (mit der man mich zwar jagen kann, aber wem’s gefällt – genug Helme und Speere hat Veruna sicher).

Insgesamt eine sehr gemischte "Torte“, die Nackter Stahl da präsentiert. Wenigstens mal weniger megaloman (und das trotz der riesigen Stadt Veruna im noch größeren gleichnamigen Land) als einiges bisherige, dafür stellenweise schon so klischeehaft, daß es wehtun kann. Gut, wer Arcane Codex kennt, weiß, daß er mit so etwas zu rechnen hat, aber einige "Auswüchse“ sind einfach… albern, oder so unwirklich, daß man sie als SL natürlich schlicht ignorieren kann. Gut ist, daß man vielerlei aus diesem Quellenbuch durchaus auch anderswo gebrauchen kann, und natürlich kann es ja auch völlig "ausländischen“ Charaktergruppen passieren, daß sie mal durch Veruna durch "müssen“ – immerhin liegt es ja groß und breit mitten auf dem Kontinent. Das Layout ist gut, die Geschichte, die auch hier wieder die einzelnen Teile des Bandes etappenweise einleitet gefällt mir gut, und die Artwork ist auch gelungen – und nicht mal indexträchtig, gratuliere. Insofern – bei mir wird der Band sicherlich Verwendung finden…

Hersteller Nackter Stahl
Autoren Michael Mingers, Alexander Junk, Saskia Naescher und Anja Eble
Spieler RPG
Denken RPG
Glück RPG
Geschicklichkeit RPG
Preis 35 € (Druck)

Wer liebe Dunkelefen will, sollte lieber bei Drizzt bleiben

Xirr Nagesh – Das Land der Dunkelelfen

Regionalband für Arcane Codex

Xirr Nagesh ist eine… nun, sagen wir einmal "interessante“ Gegend auf Kreijor, der Welt von Arcane Codex. Bisher war eher wenig darüber bekannt – gerade einmal die wenigen Spalten, die eben Platz finden in Grundregeln und ggf. Kompendium, erzählten ein wenig über die Heimat der Morai, deuteten vieles an, aber ließen viele Fragen offen. Um diese Fragen zu beantworten, liegt nun dieses Buch vor – auf 368 Seiten gibt es jede Menge Antworten, wobei jeder Spieler für sich selbst beantworten muß, ob er die überhaupt alle (und stellenweise so explizit) haben wollte…

Was die Spielerschaft angeht, so war Xirr das meistverlangte Quellenbuch zu einem nichtmenschlichen Volk, insofern werden sicher sehr viele Leute darauf gewartet haben, aber deren Meinung dürfte ziemlich geteilt ausfallen; eine völlig objektive Wertung des Werks ist nur sehr schwer möglich, da sehr viele verschiedene Aspekte der Moraigesellschaft hier beleuchtet werden (liegen ja eigentlich eher im Dunklen) – und man merkt auch immer wieder, daß hier verschiedene Autoren am Werke waren. Man kann den Band durchaus mit einer zu stark aufgebrezelten Frau vergleichen – man braucht erst mal nen Schwamm und Abschminke, um zum (wertvollen) Kern vorzudringen, und darf sich von dem ganzen (oft klischeehaften) hämoglobinverseuchten und sexistischen Drumherum nicht abschrecken lassen.

Wenn man also genug Geduld mitbringt, sich wirklich in den Stoff einzulesen (bei der kleinen Schrift und der Seitenanzahl nicht gerade wenig), das ganze Blut (und den F*zensiert*schleim) wegwischt, kommen durchaus einige Dinge ans Licht, die man vielleicht nicht erwartet hätte. Der Band behandelt sowohl Mythos als auch Geschichte und Geographie Xirrs sehr ausführlich, beleuchtet die Kultur der Dunkelelfen von Kindesbeinen an (was auch erklärt, wieso es so selten ist, daß sich ein Mann mal gegen diesen matriarchalischen Machtapparat wehrt – Konditionierung ist schon was effektives), erklärt das Machtgefüge der "Häuser“ sowohl untereinander als auch im Haus; sogar für die Sprache Xirr gibt es einen "Wörterbuchteil„, nach dem der geneigte Leser sicher sein kann, daß, würden Morai Scrabble spielen, das X nur einen Punkt bringen würde… Leider ist das ganze irgendwo inkonsequent, denn einige Häusernamen (Sorceryn, Tyrannor, Malefir…) zeugen weder von Kreativität noch Originalität – dann kann man auch gleich "Hexenhaus“, "Herrscherhaus“, … schreiben. Schade eigentlich – aber vermutlich scheuen sich die Autoren da erst recht vor den Ausprachehilfen (die leider auch beim Wörterbuch fehlen). Die neuen dunkelelfenspezifischen Kampfschulen tragen allerdings wiederum teilweise Namen, die kein Mensch aussprechen kann (und anfangs wird sogar das Auseinanderhalten abenteuerlich) – hier wäre es sinnvoller gewesen, "Bedeutungsnamen“ zu wählen, schließlich sind die Namen der Schulen im Grundregelwerk auch "beschreibend“ und keine Eigennamen.

Wie stellt sich Xirr denn nun insgesamt dar? Ziemlich unangenehm, lebensfeindlich und eher über kurz als über lang tödlich. Selbst die Dunkelelfen selbst haben kein allzu "einfaches“ Leben, immerhin ist das Land selbst unwirtlich, giftig und vor allem heiß genug, um ihnen das Leben zu erschweren. Frei nach dem Motto "was dich nicht umbringt, macht dich härter“ sind zumindest die Morai gegen Umwelteinflüsse mehr oder weniger abgestumpft, und diese Praktik der "Abhärtung“ hat sich auch in ihre Gesellschaft übertragen – irgendwelche "Prüfungen“, die ein Dunkelelf einmal zu bestehen hat, sind schmerzhaft, gefährlich und nicht gerade selten tödlich, sollte man versagen. Das verträgt sich insgesamt gut mit dem elitären Denken der Dunkelelfen – wer versagt, war eben "zu schwach“, und dementsprechend nicht wert, weiterzuleben. Daß dadurch die Rasse insgesamt immer elitärer wird (und diverse "Riten“, was die Reproduktion angeht, unterstützen dies), ist abzusehen; allerdings sind dadurch leider "Ausnahmecharaktere“ so extrem selten wie auch gefährdet unter den Dunkelelfen, daß es kaum möglich wäre, sie glaubwürdig zu spielen – schade, sah es doch erst so aus, als käme man mal ein wenig weg vom Klischee, das aber immer wieder Einzug hält in den dunkelelfischen Kulturkreis. Wäre ja auch zu schön, wenn man Dunkelelfen mal nicht mit "Magie, Meuchler, Matriarchenkult“ zusammenfassen könnte…

Auch was die Ausbildung und Ausrüstung potentieller SC angeht, wird die Spielerschaft ein wenig enttäuscht – zwar gibt es eine ganze Reihe neuer Schulen und Lektionen, aber z.B. die von vielen erwartete Schule, die sich auf Unterarmklingen (wäre ja typisch Morai) spezialisiert, sucht man vergebens – dafür gibt es Fächerkämpfer, Skorpiongardisten, Kettenkrieger, Echsenritter und sogar Xirr-eigene Druidenvarianten… alles Dunkelelfen-exklusiv, und von daher nur von den selbigen oder von irgendwelchen Wahnsinnigen, die unbedingt nach Xirr wollen (könnte der letzte Wunsch gewesen sein) zu gebrauchen. Überhaupt – der Großteil des Buches findet nur Verwendung, wenn man eine Morai-Kampagne durchziehen möchte, oder aber wirklich mal eine Gruppe über längere Zeit nach Xirr bringt (und wer tut das schon freiwillig…). Morai sind nun mal alles andere als "gruppentauglich“, selbst untereinander – wer’s nicht glaubt, lese die Kurzgeschichte, die sich durch die verschiedenen Kapitel des Buches zieht (schön geschrieben und sicher sehr passend, und zeigt einmal mehr, wie krank Dunkelelfen in der Birne sind).

Was nicht Morai ist, kann vielleicht maximal als Arenasklave etwas gelten (Gladiatorenkämpfe sind nur einer der extravaganten, dekadenten Zeitvertreibe, die die Dunkelelfen bevorzugen), und außer hochgradig verzweifelten oder wahnsinnigen Individuen wird sich kaum ein Nicht-Morai mit einem Dunkelelfen über längere Zeit verbünden (Und wer’s doch tut hat wohl zuviel Drizzt gelesen – huch, falsches System… *g*).

Zwar finden sich auf vielen Seiten Plotanregungen und Aufhänger für Szenarien oder kleinere Kampagnen (und die meisten davon sind auch recht gut), aber die Charakterauswahl für eben diese Szenarien ist leider entsprechend begrenzt.

Weitere Ressourcen sind diverse moraispezifische Ausrüstungsgegenstände (und natürlich ein ganzer Haufen toxischer oder anderweitig unangenehmer Substanzen) – teilweise zu "stachelig“, was die Praktikabilität angeht (Fantasy gut und schön, aber wenn der Kämpfer sich eher mit seinen zigfach gezackten Klingen irgendwo verhakt als irgendwem damit zu schaden, stimmt irgendwas nicht); zudem gibt es auch neue Zauber aus den Bereichen, die Morai sicherlich interessieren dürften. Auch findet man einen ganzen Stapel hochstufiger NSCs (Hausvorstände und sonstige High Society aus Xirr).

Was hier unnötig ist, sind die so exakten Angaben über die Fähigkeiten dieser Charaktere. Das sind – punktetechnisch gesprochen – solche Monster, daß Spielercharaktere sowieso höchstens wegrennen sollten, sollte es mal zum Konflikt mit diesen Individuen kommen. Und für gesellschaftliches Geplänkel (was weit reizvoller ist) braucht man die Zahlen nicht wirklich; da sind die Rollenspielhinweise und Beziehungen dieser NSCs untereinander weit nützlicher (zum Glück gibt’s die ja auch, aber mit den überzogenen Talentlisten wurde Platz verschenkt).

Was die Gesamtgestaltung angeht – thematisch ist das Buch geordnet, aber stellenweise strengt es reichlich an (Wie war das noch mit dem X? Und ich will mal sehen, ob die Autoren nicht vielleicht – ohne "Spickzettel“ – diese Fachbegriffe nicht auch durcheinanderschmeißen würden… btw wüßte ich gerne mal, wie sie die aussprechen). Das Artwork ist sehr zwiegespalten – einerseits gibt es sehr schöne und passende Zeichnungen, andererseits auch einige Darstellungen, wo ich mich frage, ob ein bestimmter Autor es drauf anlegt, auf den Index zu kommen… nur weiter so, wenn das dein Ziel ist… "geschmacklos“ ist da noch nett, und daß die Morai ein sadomaso-orientiertes Volk von Perverslingen sein sollen, kann man notfalls auch schreiben (und dann können es die Spieler, die einfach Rollenspiel betreiben wollen, auch einfacher ignorieren).

Positiv weichen da die Kapitel über die Gesellschaft, die Religion (inklusive der Ausbildung bspw. zur Priesterin) ab – die sind zwar nicht gerade weniger brutal, aber wenigstens ohne Betreten eines Dominastudios nachvollziehbar, wenn man die Kultur der Morai berücksichtigt.

Bedenkt man das alles, ist es verständlich, daß man über das Quellenbuch Xirr sicher kein allgemeingültiges Urteil abgeben kann. Es wird die Spielerschaft sicherlich polarisieren; diejenigen, die vor der oftmals abstoßenden Fassade zurückschrecken müssen Geduld aufbringen, zu "graben“ – denn das nützliche liegt unter dieser Schmodderschicht versteckt und muß erst einmal gefunden werden. Entsprechend der sehr unterschiedlichen Erwartungen der Spielerschaft werden die Urteile auch unterschiedlich ausfallen, auf einer extremen Bandbreite von "genialer Hintergrundband“ zu "gewaltverherrlichender SM-Porno“ ist alles ein zulässiges Urteil.

Mein persönliches Urteil sieht jedenfalls so aus: Einige "Juwelen“ sind hier durchaus drin, aber sie zu finden bedarf Geduld, und man muß konkret wissen, wo man auf Durchzug schaltet; das ganze paßt auf jeden Fall gut ins Bild, was den AC-Hintergrund angeht, aber "gruppentauglich“ macht es die Morai erst recht nicht – eher im Gegenteil. Wer einfach nur wissen will, wie die Autoren sich Xirr mit seinen Magmaseen und Pilzwäldern vorstellen, ist aber so oder so "richtig“.

Hersteller Nackter Stahl

Autor

Carolin Berger, Saskia Naescher, Alexander Junk et.al.

Spieler

RPG

Denken

n/a

Glück

n/a

Geschicklichkeit

n/a

Preis

35 € (Buchpreisbindung)

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Xirr Nagesh ist zum Beispiel erhältlich über den Pegasus-Webshop