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Obdachlos

Eigentlich sollte dieses Spiel bereits vorige Woche zum Blog Action Day besprochen werden. Aber obwohl das Päckchen lt. Poststempel mehr als rechtzeitig abgeschickt worden war, erreichte es mich erst nach weit über einer Woche am letzten Samstag. Es wäre schön, wenn ein Laufzettel daran gehangen hätte, wo das Päckchen so lange festsaß, denn von Donnerstag dem 9. Oktober in Wien bis Samstag den 18. Oktober am Niederrhein, das ist schon eine besondere Leistung.

Armut hat viele Gesichter, aber die Obdachlosigkeit ist immer noch eines der markantesten, und im Bewußtsein des Publikums vornanstehend. Es gibt viele Institutionen und Organisationen, die Obdachlosen helfen, ihr tägliches Leben zu meistern, aber schon die Existenz dieser Organisationen und was sie eigentlich tun, wird vielfach nicht mehr wahrgenommen. Dies ist schade, denn ein wenig Aufmerksamkeit würde bereits einen großen Schritt für viele dieser Einrichtungen bedeuten.

 

Der Arbeiter Samariterbund Wien hat, um die Aufmerksamkeit für Hilforganisationen zu erhöhen, mit Hilfe des Verlages Piatnik ein Spiel mit dem Namen ObdachLOS herausgebracht. In diesem Spiel versucht man, als Obdachloser die nötige Hilfe in sechs wesentlichen teilbereichen des täglichen Lebens zu erhalten.

Das Spiel ist äußerlich eher verstaubt, die Deckelillustration erinnerte mich an die Spiele der '50er und '60er Jahre des letzten Jahrhunderts. Dies ist schade, denn der Eindruck, der hiermit erweckt wird – der eines altbacken-verzopften Lehrspiels mit erhobenem Zeigefinger – stimmt so gar nicht mit dem Inhalt überein: der ist modern aufgemacht, und auch das Spiel ist alles andere als schulmeisterlich.

In der Dose findet man

  • – ein Spielbrett mit 24 Feldern in einem Rundkurs
  • – 7 Spielfiguren: einen klassischen, weißen Pöppel (die 'Glücksfee‘, sowie sechs größere, klotzige Pöppel
  • – 30 rote Plastikchips wie zum Flohhüpfen, die 'Notgroschen‘
  • – 36 Bewegungskarten mit den Zahlen 1 bis 6, jeweils sechs mal vorhanden
  • – 72 weitere Karten: Bereichs-, Aktions und Ereigniskarten.

Das erste, was auffällt, ist das Fehlen eines Würfels.

Der Spielplan ist so aufgebaut, dass jeweils auf drei Bereichsfelder eines Bereichs (Betreutes Wohnen, Servicestellen, Essensausgabe, Medizinische Betreuung, Kleiderausgabe, Infozentren) ein Bonusfeld folgt, dann drei Felder des nächsten Bereichs usw. Ausnahme ist das Startfeld (LOS), das die Position eines Bonusfeldes einnimmt. Es gibt also fünf Bonusfelder.

Zum Spielbeginn werden die Bewegungskarten, die auch einen anderen Kartenrücken haben, gemischt, jeder Spieler erhält drei Karten. Die Bereichskarten (sieben je Bereich) werden aus- und nach Bereichen sortiert. Anschließend werden je zwei Karten jedes Bereichs unter die Ereignis- und Aktionskarten gemischt. Von diesem Stapel kommen dann jeweils 7 Karten aus dem gemischten Ereignis- und Aktionsstapel zu den einzelnen Bereichsstapels gegeben und diese auch noch einmal gut gemischt. Jeder Bereichsstapel wird dann zu den entsprechenden Bereichsfeldern auf das Spielfeld gelegt.

Spielziel ist es, eine Bereichskarte jeden Gebietes zu sammeln. Durch die Mischung zum Spielbeginn ist es natürlich wahrscheinlicher, dass man Karten eines Bereichs aus dem entsprechenden Bereichsstapel zieht, aber man kann auch anderswo fündig werden.

Ein Zug besteht immer aus drei Teilschritten:

Zunächst spielt man eine Bewegungskarte aus der Hand und zieht eine neue Karte. Die eigene Spielfigur wird entsprechend viele Leerfelder (!) vorgesetzt. Man zählt hierbei also die durch Mitspieler besetzten Felder nicht mit, und landet auf einem leeren Feld.

Anschließend zieht man die Glücksfee in Gegenrichtung genausoviele Felder weit. Hierbei werden besetzte Felder allerdings mitgezählt, und die Glücksfee kann auch auf einem besetzten Feld landen. Wenn sie das tut, schenkt sie dem Spieler einen Notgroschen – zu Spielbeginn hat man zwei, und man darf nur maximal fünf haben.

Zuguterletzt zieht man eine Karte des Bereiches, in dem man gelandet ist. Zieht man hierbei eine Bereichskarte eines Bereiches, von dem man noch keine hat, legt man diese offen vor sich aus. Hat man bereits eine Karte des Bereichs, wird sie verdeckt unter den Stapel zurückgelegt. Eine Ereigniskarte muss sofort aufgedeckt werden und betrifft alle Spieler. Eine Aktionskarte wird auf die Hand genommen und darf in einem späteren Zug verwendet werden.

(Leider sind die Spielregeln hier etwas ungenau: in den Regeln steht, dass die Aktionskarten zusätzlich zu der Bewegungskarte gespielt werden können, auf einigen Karten steht aber, dass sie anstatt der Bewegungskarte gespielt werden. Auch wird nicht klar, ob man in letzterem Fall dennoch eine neue Bewegungskarte zieht, so dass man dann mit vier Bewegungskarten weiter machen würde.)

Auf Bonusfeldern darf man von einem der beiden benachbarten Bereichen eine Karte ziehen, oder beliebig viele Bewegungskarten tauschen.

Ausgespielte Ereignis- und Aktionskarten kommen auf einen Ablagestapel, ausgespielte Bewegungskarten auf einen anderen. In der Spielregel wird nicht auf die Möglichkeit eingegangen, was passiert, wenn einer der Stapel verbraucht wird (was in den Testspielen auch nicht geschah – wir waren immer vorher fertig), aber mir scheint 'dann gewinnt keiner' eine recht gute Lösung.

Achja, die Notgroschen. Hiermit kann man wahlweise einen Doppelzug ausführen oder eine zweite Karte vom selben Bereichsstapel ziehen.

Die Kartenaufmachung ist recht gut: auf den Bereichskarten sind Fotos aus den Einrichtungen sowie eine Angabe der Hilfseinrichtung mit der Wiener Adresse. Auf den Ereignis- und Aktionskarten steht unten unter dem Titel 'Wer hätte das gedacht' eine kurze Information zu den verschiedensten Hilfseinrichtungen im Wiener Land. Alles wenig aufdringlich, aber dennoch eingängig. Das Ziel, dioe Spieler für die Probleme des Obdachlosen zu sensibilisieren und über die Hilfsangebote zu informieren wird meiner Meinung nach hervorragend erreicht – die automatische Ablehnungshaltung, die bei allzu aufdringlichen Reklameaktionen erreicht wird, wird hier geschickt vermieden.

Das Material macht einen guten Eindruck, es wirkt auch weitaus moderner und ansprechender als die Spieleschachtel. Auch die Spielmechanismen sind erfrischend anders, es geht bei diesem Spiel nicht um die x-te Gänsebord- oder Mensch-ärgere-Dich-nicht-Variante, sondern um ein recht eigenständiges Spiel. Man berechnet ständig, wo die Glücksfee landen wird, ob man sich ihr in den Weg werfen kann, in welchen Stapeln die Chance auf eine Bereichskarte noch gut ist, und so weiter. Der Glücksfaktor, der durch die Karten eingeführt wurde, wird hierdurch überraschend (und angenehm) klein gehalten.

Das Spiel kann direkt vom Arbeiter Samariter Bund Wien über die Webseite bezogen werden, ind Spielwarenläden habe ich es nicht gefunden. Es ist mit einer halben Stunde sehr schnell vorbei, aber reizt, es mehrmals zu spielen. Es ist seinen Preis sicherlich wert – und eine gute Tat tut man damit auch noch, weil der Reinerlös der Obdachlosenhilfe zugute kommt.

Hersteller

Piatnik

Herausgeber

Arbeiter Samariter Bund Wien

Autor

Gerhard E. Kodys, 4FunWorx

Spieler

2-6

Denken

7

Glück

7

Geschicklichkeit

0

Preis ca

18 € plus Versand – Webshop