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Gruppendynamik

Zombie in my Pocket

Es ist die Nacht vom 21. auf den 22. Dezember dieses Jahres. Der Maya-Kalender endet, und das von vielen befürchtete Ende der Welt ist eingetroffen. Die Toten wandeln auf den Straßen, hungrig nach den Gehirnen der Lebenden. Niemand weiß, wie man der Zombiekalypse noch Herr werden kann. Niemand – mit Ausnahme einer kleinen Gruppe Menschen, die sich bei einem Haus versammelt haben, um die Welt noch einmal zu retten. Die sich aber (leider) nicht so ganz grün sind.

Das könnte der Hintergrund sein (effektiv ist es nur: Zombies sind da, und man muss sie rechtzeitig stoppen) für das Brettspiel Zombie in my Pocket von der Cambridge Games Factory. Wer bei dem Titel denkt 'das kenne ich‘, kann Recht haben: Bevor die CGF diese Version herausbrachte, gab es bereits eine Frühform desselben Spiels als Print-n-play, die via Boardgamegeek heruntergeladen werden konnte. Neben einigen Variationen (Aliens in my Pocket, Calvin in my Pocket etc.) gab es auch eine deutsche Version, die gesamte Liste möglicher Downloads bei Boardgamegeek findet man hier. Diese Versionen waren allerdings ausnahmslos Solospiele, während die neue Version für einen bis acht (!) Spieler gedacht ist.


Wie auch Pala wird das Spiel in einer durchsichtigen Plastikdose verkauft. In dieser findet man

  • die Spielregel (nur auf Englisch)
  • acht sechsseitige Würfel
  • zwei Standfüße – einer in rot, einer in schwarz
  • 9 'Ereigniskarten‘
  • 2 x 8 Geländekarten – jeweils 8 Haus- und 8 Gartenkarten
  • ein roter Glasstein
  • 9 Gegenstandskarten
  • 8 Kampfkarten 'Kampf' sowie acht Kampfkarten 'Flucht‘
  • 4 schwarze Chips als 'Brennstoff‘
  • eine Karte 'verfluchtes Totem‘
  • eine Karte 'Gruppenleiter‘
  • eine schwarze Spielfigur

Das Material ist, wie auch bei Pala, eher Basisausstattung denn etwas besonderes. Der Glasstein ist ein Schmuckstein, wie man sie in großen Gläsern bei Ikea oder im Hobbyladen finden kann, die Würfel sind 'stinknormale' Sechsseiter, allerdings in schwarz mit weißen Punkten. Die Karten sind ebenfalls ganz normal.

Das Spiel beginnt um 9 Uhr abends, alle Spieler werden mit der einzigen Spielfigur markiert. Wie viele Lebenspunkte ein Spieler haben kann (maximal 6) wird mit den Würfeln angezeigt, allerdings haben die Charaktere bei vielen Mitspielern weniger Lebenspunkte.

Der Spieler, der an der Reihe ist (und die Gruppenleiter-Karte vor sich stehen hat), darf entscheiden,welchen Zug die Gruppe versucht: man kann sich entweder eine Grundrißkarte weit bewegen – wobei man keine Wände durchbrechen darf –, man kann eine Runde in der Ecke kauern (und so einen Lebenspunkt zurückgewinnen), oder man kann, wenn der 'Raum' (Raum oder Gartenbereich), in dem die Gruppe sich aufhält, es anbietet, eine besondere Aktion unternehmen.

Wenn man sich in die Ecke kauert, wird einfach eine Karte vom Ereignisstapel umgedreht und ohne Effekt abgeworfen. Hier ist die englischsprachige Spielregel etwas irreführend: in ihr wird von 'discard' (abwerfen) gesprochen, während in der Regel 'play' (ausspielen) gemeint ist.

Dass die Karte beim Kauern nicht ausgewertet wird, liegt daran, dass sie in diesem Fall nur für die Zeitmessung benötigt wird: auf jeder Karte sind drei Ereignisse zu finden, eines für die Zeit von 9 bis 10 Uhr, eine für die Zeit von 10 bis 11 Uhr, und eine für die Zeit von 11 bis 12 Uhr. Jeweils ein Durchgang durch alle neun Karten (einschließlich des Abwerfens beim Kauern) kostet eine Stunde, und man beginnt um 9 Uhr. Wenn die Gruppe bis Mitternacht das Problem nicht gelöst hat, war alles zu spät…

Die Zeit drängt also, und man wird sich schnell auf den Weg durch das Haus machen, denn man muss ein Totem finden, das sich im Haus befindet, eine alte Grabstätte, die sich im Garten befindet, und einen alten Zauberspruch, den man sowohl im Haus wie im Garten finden kann. Auf diesem Weg kann man aber den allgegenwärtigen Zombies in die Arme laufen. Zu jeder Bewegung wird mindestens eine Karte gezogen. Mindestens? Ja, denn es gibt vier verschiedene Arten von Ereignissen. Es gibt den Segen; hierbei erhält jeder Spieler einen Lebenspunkt (Maximum ist und bleibt sechs). Man kann einer Anzahl Zombies begegnen. Man kann einen Gegenstand finden. Oder es gibt den Fluch: Der kostet jedem in der ganzen Runde einen Lebenspunkt, bis das Totem gefunden wurde; danach nur noch dem Totemträger. Wenn ein Gegenstand gefunden wurde, wird mit der nächsten Ereigniskarte festgelegt, welcher Gegenstand es ist – daher kann ein Zug auch einmal zwei Karten kosten.

Die Raumaktionen sind ebenfalls relativ selbstverständlich. Es gibt einen Raum, in dem jeder beim Kauern eine Extrawunde heilt. Im Tempel kann man suchen (eine Extrakarte umdrehen) und, wenn nach einer eventuellen Begegnung noch lebende Helden anwesend sind, das Totem finden – das der Mitspieler aufs Auge gedrückt kriegt, der vom momentanen Gruppenleiter hierfür ausgewählt wird. Danach kann das Totem nur noch auf zwei Arten den Besitzer wechseln: wenn der aktuelle Besitzer stirbt, bestimmt er einen anderen Mitspieler, der all seine Gegenstände erhalten soll, oder wenn Geber und Empfänger sich einig sind. Da das Totem ja Flüche anzieht (nur der Totemträger verliert Lebenspunkte durch Flüche), ist das aber eher selten. Es gibt das Esszimmer: von hier aus kann man auf die Veranda, wenn man das Fenster einschlägt – was wiederum einen Lebenspunkt kostet. Wer bestimmt, wer das Fenster einschlägt? Genau, der momentane Gruppenleiter. Nur gut, dass der jede Runde wechselt…

Lebenspunkte verliert man sowieso schnell bei diesem Spiel. Wenn man Zombies begegnet, ist ein Kampf angesagt – und oft verliert man diesen, auch wenn die Gruppe als ganzes Stärker ist. Was wie ein Widerspruch wirkt, ist keiner: Sobald ein Kampf ansteht, muss jedes Gruppenmitglied für sich selbst entscheiden, ob es mitkämpft. Nur die Kampfkraft der tatsächlich kämpfenden Gruppenmitglieder wird zusammengezählt und mit der Kampfkraft der Zombies verglichen, eine eventuelle Differenz in Punkten zugunsten der Zombies äußert sich in entsprechend vielen Schadenspunkten, die so gleichmäßig möglich über die kämpfenden Gruppenmitglieder verteilt werden – Überhangpunkte weist wieder der momentane Gruppenleiter zu. Habedn es da die Leute besser, die flüchten, weil sie dafür auch noch einen Punkt Gesuchdheit zurückgewinnen? Nicht wirklich, denn wenn alle Gruppenmitglieder flüchten, gewinnt man nicht einen Lebenspunkt, sondern verliert einen…

Es kann natürlich sein, dass die Zimmer so ausgespielt werden, dass das Haus noch nicht komplett ist, aber keine Wege in weitere Räume gespielt werden können. Dann brechen ein paar Zombies sich eine neue Tür in eine bislang feste Wand, und man kann, nach dem man sich mit diesen Enzephalophagen auseinander gesetzt hat, durch dieses Loch weiterziehen.

Am Spielende – wenn die Gruppe das Totem und den Zauberspruch gefunden hat – wird das Totem im Friedhof begraben, was noch einmal eine Runde Zeit kostet (und eine Ereigniskarte). Wenn auch das gelingtn sollte, erhalten alle dann noch lebenden Spieler drei Punkte – und der Spieler mit den meisten Lebenspunkten vier. Wenn alle Spieler sterben, die Zeit abläuft oder so, verlieren alle Spieler, wobei der Spieler, der zuletzt starb wenigstens noch einen Punkt macht. Wer am Ende der Partie (ein Durchgang) die meisten Punkte hat, hat gewonnen.

Ja, was zu Beginn wie ein kooperatives Spiel klang, erweist sich in der Endabrechnung als ein ziemlich mörderisches Überlebensspiel. Eine Zeitlang will man die Mitspieler ja gerne dabei haben – schon damit sie Schaden aufsammeln, wenn man von Zombies angegriffen wird, aber am Ende möchte man doch wenn möglich die meiste Gesundheit haben. Im richtigen Augenblick die Gruppe im Stich lassen (wenn hierdurch die Kämpfer Schaden nehmen, je mehr je besser), die richtigen Entscheidungen als Gruppenführer treffen etc. sind wesentliche Bestandteile des Spiels. Was am Anfang noch (auch wegen der Kampfschwäche der Charaktere, so lange sie keine Ausrüstung haben) kooperativ abläuft, verändert gegen Ende in ziemlich selbstsüchtige Gemeinheiten. Kein Spiel für Leute, die derartige Aktionen dann persönlich nehmen!

Aber für alle anderen eine interessante Abwechslung: Durch den Zusammenhalt der Gruppe entwickeln sich Dynamiken, die beispielsweise beim ähnlichen Chill-Brettspiel nicht entstehen.

Für eine 'wirklich professionelle' Ausgabe des Spiels wurde übrigens ein Kickstarter angekündigt, der nächsten Monat losgehen soll…

Hersteller Cambridge Games Factory
Autor Jeremiah Lee
Spieler 1-8
Denken 7
Glück 6
Geschicklichkeit 0
Preis ca. 13 €

Malen und Rechnen

Pala

Die Cambridge Games Factory ist ein Kleinverlag aus Neuengland, der aus einem Gespräch an der MIT entstanden ist. Ziel des Verlages ist es, Spiele von neuen Autoren zu verlegen, meist mit recht einfachen Materialien.

Die Spiele sind einfach zu erkennen: statt einer Spieleschachtel werden sie in durchsichtigen Klickdosen aus Plastik verkauft. Ein Titelblatt in kräftigen Farben macht deutlich, welches Spiel in der Schachtel steckt. Wenn man von der Rückseite auf die Schachtel blickt, sieht man bereits einen Teil des Materials, so weit es nicht von der Spielregel verdeckt wurde. So sieht man bei Pala bereits, dass sich zumindest ein paar Pokerchips in der Schachtel befinden.


Wenn man die Schachtel dann öffnet, fallen einem die folgenden Teile entgegen:

  • die Spielregel auf Englisch
  • eine Kartenschachtel mit Karten
  • 2 Setzblätter für die 'Impressionismus‘-Version
  • 36 Pokerchips: einen schwarzen, je 5 in weiß, gelb, orange, rot, violett, blau und grün

Mir liegt hier die 'Preorder Version' vor, es kann also sein, dass sich die Bestandteile noch geändert haben, aber ich fand sie in folgender Form:

Die Pokerchips sind von der Art, die man bei den billigen Anfängersets findet – leichte, einfarbige Plastikscheiben, die durch geriffelte Oberflächen leicht und stabil gestapelt werden können. Die 'Setzblätter' sind gefaltete Papierblätter in DIN A5. Verglichen damit sind die Karten von herausragender, erstklassiger Qualität und sehr stabil. Neben zwei 'Spickzetteln' gibt es je 8 Karten in rot, blau, gelb, grün, violett und lila. Karten in den (ersten drei) Primärfarben gehen dabei in Werten von 1 bis 5, Karten in Mischfarben (den anderen drei Farben) von 2 bis 9.

Mit dem Material kann man zwei verschiedene Spiele spielen, die in der Basisregel übereinstimmen, sich aber dennoch völlig verschieden spielen. Zur Vereinfachung beschreibe ich hier zunächst, inwiefern die Regeln übereinstimmen, bevor ich auf die Unterschiede eingehe.

Startspieler ist, wer zuletzt in einer Kunstgalerie war – der Link sagt glaube ich bereits alles, was ich zu dem Thema zu sagen habe. Jeder Spieler erhält 16 Karten, und der Startspieler beginnt, indem er eine Wette abgibt, die das folgende Spiel betrifft. Worauf genau gewettet wird, ist abhängig vom Spielmodus. Der Startspieler wird mit dem schwarzen Pokerchip markiert, und die Rolle und der Chip gehen nach jeder Hand eine Position weiter.

Anschließend wird ein Stichspiel gespielt. Hierbei sind die Farben der Karten wichtig. Wenn eine Grundfarbe gespielt wird, muss man, wenn vorhanden, diese Farbe bedienen. Wenn man keine Karte in der Grundfarbe hat (und diese noch für diesen Stich gültig ist), kann man nach Wahl die Farbe 'verschmieren' oder eine Karte abwerfen.

Beim Verschmieren spielt man zwei Karten: zum einen spielt man eine Karte in einer anderen Grundfarbe auf die zur Zeit höchste Karte, die den Stich macht, sowie eine Karte in der hieraus entstehenden Mischfarbe für sich selbst. Wenn also in einem roten Stich eine rote 2 und eine rote 4 ausliegen, kann ich mit einer blauen 3 (auf die rote 4 zu legen) und einer violetten Karte zum einen den Stich in einen violetten Stich verwandeln und diesen (wenn meine violette Karte hoch genug ist) auch übernehmen.

In einen Stich, der in einer Mischfarbe ist, kann man nicht mehr mit einem Verschmieren eingreifen, aber man kann, wenn man die Farbe nicht direkt bedienen kann (und damit muss), mit zwei Karten in den zur Mischfarbe gehörigen Grundfarben dennoch bedienen (und, wenn die Summe höher ist, auch übernehmen).

Wenn durch ein Ausspiel ein Gleichstand erreicht wird, hat der Spieler, der den Gleichstand verursachte die Wahl, ob er den Stich gewinnen oder verlieren will. Letzteres kann in der Version Impressionismus wichtig sein.

Eine Hand endet, wenn entweder der Spieler, der ausspielen müsste, keine Karten mehr auf der Hand hat, oder wenn nur noch ein Spieler überhaupt Karten hat. Dies kann durch Verschmieren bzw. durch das Mischen von zwei Karten geschehen, weil hierdurch nicht jeder Spieler in jedem Stich genau eine Karte los wird.

In der Spielart 'Pointilismus' bietet man zu Spielbeginn, in welchen Farben man Stiche machen will. In jeder Farbe nimmt man sich beim Bieten ganz einfach einen Pokerchip der entsprechenden Farbe. Für die Wertung nimmt sich der Spieler, der einen Stich gewinnt, einfach nur eine Karte der Stichfarbe, die übrigen Karten werden abgelegt. Wenn man bei Handende Karten aller angekündigten Farben hat, wird die Anzahl der Karten mit der Anzahl der Pokerchips (angekündigten Farben) multipliziert, das Ergebnis sind Pluspunkte. Wenn man nur einen Teil der angekündigten Farben hat, gibt es keine Punkte. Und wer erwartet bzw. darauf wetten will, dass er keinen einzigen Stich machen wird, nimmt sich nur einen weißen Chip: Wenn diese Wette Erfolg hat, gibt es Pluspunkte für den Spieler, der gewettet hat, wenn diese Wette schief geht, gibt es entsprechend Minuspunkte. Diese Wette ist natürlich wesentlich riskanter, wenn man nur zu dritt spielt, und relativ einfach zu erfüllen, wenn man zu fünft spielt; entsprechend gibt es für die Wette zu fünft deutlich weniger Punkte.

Beim Impressionismus (bei dem man so wenig Punkte machen will wie möglich), wettet man nicht darauf, welche Stiche man macht. Stattdessen wird reihum immer für eine Farbe bestimmt, ob sie für die Spieler positiv, negativ oder neutral sein wird. Hierzu dienen die Setzblätter, die drei, vier oder fünf Setzflächen bieten: 'Face‘, 'Cancel' und '+1′- bzw. '+2′-Felder. Jeder Spieler, der eine Farbe hier einsetzen will, muss hierfür eine Karte von der Hand spielen.

Beim Impressionismus werden alle Stichkarten gesammelt. Karten in der Cancel-Farbe können verwendet werden, um für jede Karte eine andere Karte (die sonst Punkte geben würde), abzulegen. Von den übrigen Karten zählen nur noch die Karten in den Farbven, die auf dem Setzblatt gelandet sind: Karten in der Farbe eines +1- oder +2-Feldes zählen einen bzw. zwei Punkte, Karten in der Farbe des Face-Feldes zählen so viele Punkte wie ihre Wertzahl ist (diese Karten wird man vor allem mit Cancel-Karten ablegen wollen).

Die Partie endet, wenn ein Spieler eine vorher festgelegte Zahl Punkte überschreitet. Beim Pointilismus gewinnt dann der Spieler mit den meisten, beim Impressionismus der Spieler mit den wenigstens Punkten.

Die beiden Spiele sind sich zwar ähnlich, spielen sich aber dennoch völlig unterschiedlich. Leider ist die Wertung so unterschiedlich, dass man sie nicht in einer Serie immer abwechselnd spielen könnte (wie beispielsweise bei Poker die Systeme HOSE und HORSE verschiedene Poker-Versionen in fester Reihenfolge bieten). Als selbständige Spiele sind sie aber genauso interessant und spannend wie manch anderes Kartenspiel – eine Anschaffung lohnt sicherlich.

Hersteller Cambridge Games Factory
Autor Jeffrey D. Allers
Spieler 3-5
Denken 9
Glück 6
Geschicklichkeit 0
Preis ca. € 13