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Kindermund

Kleine Ängste

Kleine Ängste / Little Fears hat in der Deutschen Rollenspielszene nachgerade einen Kultstatus – was nicht zuletzt dadurch verursacht wurde, dass es lange Zeit nicht erhältlich war, es sei denn zu extrem überteuerten Preisen bei eBay. Dass es auch auf Englisch vergriffen war und nicht wieder aufgelegt wurde, machte die Situation nur noch sschlimmer.

Deshalb gab es einiges Raunen im Blätterwald, als der neue Verlag FunSizedGames – hinter dem der Little-Fewars-Autor Jason L. Blair steckt – ankündigte, eine komplett neue Version des Spiels ausgeben zu wollen. 2010 gab es dann die Little Fears: Nightmare Edition, und jetzt gibt es diese Ausgabe auch aus Deutsch, vom Verlag Feder & Schwert.


Das Buch wird seit heute offiziell verkauft, ich habe hier eine PDF-Version vorliegen, von der ich die Rezension schreibe, damit diese Rezension auch rechtzeitig zum Ersteverkaufstag online gehen kann.Aber auch in der PDF-Version wirkt das ganze sehr gut.

Wer das 'alte' Spiel noch kennt, wird sich für Kleine Ängste: Alptraum Edition (KÄ:AE) umstellen müssen. So einiges hat sich geändert, auch wenn die Basis des Spiels dieselbe ist: die Ängste kleiner Kinder vor dem Monster unter dem Bett, vor dem Unbekannten und dem Fremden. Auch das Regelwerk hat sich an einigen Stellen deutlich geändert, an anderen wirkt es aber auch seltsam vertraut. Wer umsteigt, tut gut daran, dies im Hinterkopf zu behalten: oftmals ist es so, dass genau das, was man als 'ist gleich geblieben' voraussetzt, die größten Überraschungen liefert.

Wie üblich, beginnt KÄ:AE mit einer Einleitung: was ist Rollenspiel (hier Erzählspiel genannt), was braucht man zum Spielen, was sollte man als Spieler / als Spielleiter gelesen haben, was steht im Buch. Anschließend werden die Spielregeln und die Welt erklärt, wobei das ganze dem bekannten 'invertierten' Muster folgt: erst kommen die allgemeinen Regeln, dann die Charaktererschaffung. Im dritten Kapitel wird der Erzähler (im Rollenspieljargon: Spielleiter) angesprochen: was zu tun, welche Mittel hat er. Kapitel vier unf fünf decken die Welt ab: Kapitel 4 die 'wirkliche' Welt wie wir sie kennen, Kapitel 5 das Reich 'unter vem Bett‘, also die Monster und Schrecken, die nur Kinder sehen können. Kapitel 6 enthält dann ein Baukastensystem, mit dem man neue Geschichten bauen kann, vorgefertigte NSCs und ein fertiges Abenteuer.

Ein Charakter in KÄ:AE hat fünf Werte (Attribute, 'Stats‘): Muskeln, Köpfchen, Geist, "Hände und Füße“ (Gewandheit) und Mund (Charisma / soziales). Außerdem hat man Eigenschaften, diese entsprechen den Vorteilen bei Deadlands oder DSA, oder auch den Aspekten bei FATE. Welchen Bonus (sprich: wie viele Bonuswürfel) so eine Eigenschaft hat, legt man bei der Charaktererschaffung fest, der Zahlenwert eines Wertes bestimmt, wie viele Würfel einem für Aktionen mit diesem Wert zur Verfügung stehen. Hioerbei erschafft man einen Charakter mit Alter+5 Punkten, jeder Wert muss mindestens einen Punkt aufweisen. Sollte man im Laufe eines Abenteuers einen Wert nicht benutzen dürfen (zum Beispiel, weil einen der mut verlassen hat), hat man eventuell allerdings noch die Würfel aus den Eigenschaften als letzte Rettung. Außerdem gibt es sogernannte Vorzüge und Schwächen: was man besonders gut bzw. schlecht kann.

Beiom Würfeln werden immer drei Würfel gewertet, wobei Sechsen explodieren. Wenn ein Vorzug im Spiel is, darf der niedrigste WÜrfel einhmal neu gewürfelt werden, bevor die drei Würfel gewählt werden, bei einer Schwäche wird der höchste Wurf ignoriert. Das Ergebnis muss eine Zielzahl erreichen oder überschreiten, wobei jeweils drei Punkte mehr oder zu wenig einen Erfolgs- bzw. Misserfolgsgrad bedeuten.

Proben gibt es als Quiz, Test und Klausur: ein Quiz ist ein einzelner WUrf gegen eine Zielzahl, ein test ein Wurf gegen einen entsprechenden Wurf eines Mitspielers bzw. Gegners (meist eines Monsters). Eine Klausur ist ein längerwieriger Test oder Quiz, wobei eine bestimmte Anzahl an Erfolgsgraden erzielt werden muss, was auch über mehrere Würfe zusammengespart werden kann.

Schaden wird auf 'Schadensbalken' abgetragen, die ähnlich funktionieren wie die Schadensbalken bei Shadowrun: nach 10 Pinkten geht es mit der effektiven gesundheit eine Stufe tiefer – man fühlt sich in Reihenfolge ausgezeichnet, schlecht, mies, benommen. Wenn man alle Gesundheitskästchen in den Balken verloren hat (was bei KÄ:AE eher seltener geschehen sollte), ist es Zeit, sich einen neuen Charakter zu überlegen, ansonsten bestehen immer gute Chancen, wieder vollständig zu gesunden.

Außerdem gibt es Glaube, Mut und Seele. Glaube entspricht der Magie in anderen Systemen, man kann hiermit Würfelwürfe verbessern (vor dem Wurf zusätzliche Würfel erlangen – für sich selbst oder für andere), Gegenstände verwenden, neue magische Gegenstände 'erschaffen' etc. Mut ermöglicht einem Kind, überhaupt gegen übernatürliche Wesen (Monster) anzutreten ohne schreiend wegzulaufen. Wenn einem der Mut ausgeht, kann man zu verängstigt sein zu denken, oder zu verängstigt den Mund aufzumachen, oder… Der jeweilige Wert ist dann vorläufig nicht mehr zu verwenden – man hat also bestenfalls noch die Extrawürfel aus Eigenschaften und Vorzügen zur Verfügung. Seele ist die eigentliche Persönlichkeit, und es gibt Monster, die genau diese Seele rauben. Mut regeneriert sich schnell, Seele ist schon schwieriger zu regenerieren. Glauben kann gesetzt oder ausgegeben werden – setzen zum Verbessern von bestehenden Dingen, ausgeben für neue Sachen -, ausgegebener Glaube regeneriert sich nicht. Gesetzter Glaube kann bei Erfolg sofort wiederhergestellt werden, ansonsten regeneriert er sich erst am Anfang der nächsten Sitzung.

Schön ist im Kapitel zur Charaktererschaffung, dass hier auch ausführliche Tipps gegeben werden, wie man die Charaktere gut darstellen kann, ohne dabei schulmeisterlich zu wirken. Das hat mir richtig gut gefallen.

Das Spielleiterkapitel – entschuldigung: das Erzählkerkapitel – ist ebenfalls sehr gut geraten. Gerade den ersten Teil, in dem es um die Aufgaben eines Spielleiters geht, ist nicht nur gut zu lesen, sondern auch noch deutlich und allgemeingültig, nicht nur für KÄ:AEW, aondern auch für andere Systeme. Aber auch das Sezieren eines Abenteuers, die Erläuterung, was für Szenen man verwenden kann und welchen Zweck sie in einem Abenteuer haben, ist sehr intelligent und lehrreich geschrieben.

Speziell bei KÄ:AE ist ein Fragebogen, den in dem die Spieler zusammenfassen, welche Vorlieben und Schwächen, welche Umwelt etc. ihr Charakter hat. Dies kann der Erzähler dann im Laufe des Spiels verwenden, ohne jedesmal nachfragen zu müssen.

Die Beschreibung der echten Welt ist gerichtet auf Deutschland in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts, mit besonderem Augenmerk auf den Dingen, die für einen Charaktern in KÄ:AE (also im Alter von 6-12 Jahren) wichtig sind. Nun ist meine eigene Grundschulzeit schon ein paar Monate her, aber vieles konnte iach dennoch wiedererkennen. Hier ist das Buch teilweise auch umgeschrieben worden, da in den USA teilweise doch ganz andere Regeln gelten (zum Beispiel gibt es dort an vielen Schulen ein Verbot für allzu weite Kleidung, auf das auch im Text verwiesen wird, aber eben als Unterschied zu Deutschen Regeln).

Allerdings ist in diesem Kapitel mehr zu finden als nur eine Beschreibung unserer Welt: auch gute 'Geister' – Lichtchen (ein hilfreiches Feenwesen), Mutter, die Nikolausarmee etc. werden hier beschrieben.

Das 'Land unter dem Bett' ist verglichen mit der ursprünglichen Ausgabe gründlich überarbeitet worden. Dieses 'Land unter dem Bett' ist die Heimat der Monster, und kann genausogut unter der duklen Treppe, im Spiegel oder sonstwo zu finden sein. In dem Kapitel zum Land findet man 'zig Versatzstücke und Ideen, die man in einem Abenteuer verwenden kann, Regeln, wie man ein Monster bauen kann, und so weiter. Für einen Erzähler eine wahre Fundgrube an Ideen.

Im folgenden Kapitel gibt es erst eine kurze Erklärung, was für Abenteuertypen am besten für KÄ:AE passen, und dann ein Abenteuer, das das System und die Zielsetzung gut illustriert: Die Häuser am Apfelhof. Die elektronischen Geräte (iPod, TV, Computer…) streiken, die Kinder der Siedlung sind größtenteils gereizt und Prügeleien scheinen nicht unwahrscheinlich. Was steckt dahinter? Ein kurzes, nettes Abenteuer, das auch nicht so offensichtlich nach Ploteisenbahn riecht wie viele andere Einsteigerabenteuer. Außerdem gibt es noch einen Baukasten mit Abenteuerideen, die sich hervorragend mit den IUdeen aus den vorigen zwei Kapiteln ergänzen.

Abgeschlossen wird das Buch mit Druckvorlagen für Regelübersichten (‚cheat sheets‘), Charakter- und Monsterbögen, Handlungsübersichten für den Erzähler. Für diese wäre es schön, wenn man sie auch als PDF erhalten könnte, damit man sie sich in entsprechender ANzahl ausdrucken kann.

Der ganze Text ist mit ausgezeichneten Beispielen versehen, die Illustrationen sprechen jedem, der sich noch einen Rest seiner Kindheit erhalten hat, aus der Seele. Auch in dieser Beziehung gibt es nichts zu meckern – wie auch das Lektorat ausgezeichnwet ist. Mir sind beim Lesen keine groben Rechtschreibfehler aufgefallen – andere Verlage scheinen ja den Druckfehlerteufel als Mitarbeiter engagiert zu haben.

Kleine Ängste: Alptraum Edition ist ein sehr schön gewordenes Buch, das gerade für kürzere Kampagnen und One-Shots hervorragend geeignet ist – und als Abwechslung gegenüber dem 'Alltagstrott' einer großen Fantasy-Kampagne. Aber auch fürs Kampagnenspiel ist das System hervorragend geeignet. Den Preis ist es allemal wert. Und sollte noch eine PDF-Version erscheinen, ist diese schon wegen der Spickzettel und Charakterbögen ebenfalls ein Anrater.

Hersteller Feder und Schwert
Autoren des Originals Jason L. Blair, mit Caz Granberg
Autoren der deutschen Bearbeitung Oliver Graute, Oliver Hoffmann und Constantin Künzl
Spieler RPG
Denken RPG
Glück RPG
Geschicklichkeit RPG
Preis 34,95 €

Dunkle Häresie

Schattenjäger

Die Welt von Warhammer ist, wie wohl die meisten wissen, zweigeteilt: auf der einen Seite Warhammer Fantasy, eine mehr oder weniger Standard-Fantasywelt mit Elfen, Zwergen, Halblingen, Orks etc., die von den Mächsten des Chaos bedrängt wird (und deren Adel teilweise ebenfalls bereits dem Chaos verfallen ist), auf der anderen Warkammer 40.000, eine düstere Science-Fiction-Welt, die sozusagen die Welt von Warhammer Fantasy durch 40.000 Jahre technischer Entwicklung schleift und das Ergebnis darstellt.

Auch die Warhammer-40.000-Welt lebt von der Auseinandersetzung der 'Mächte des Lichts' mit denen des Chaos – aber statt dass sich Wachmänner, Priester und Magier mit Orkz und anderen Chaosdienern auseinandersetzen müssen, müssen sich jetzt die Hochheilige Imperiale Inquisition und die Sicherheitskräfte mit … Orkz und anderen Chaosdienern auseinandersetzen. Magier gibt es inzwischen nicht mehr so richtig, stattdessen haben sich "wissenschaftlichere“ Psi-Kräfte etabliert. Die verschiedenen Zweige der Gesellschaft werden von Fantasy Flight Games (und vom Herausgeber der deutschen Übersetzungen, Feder und Schwert) in getrennten Bänden veröffentlicht – der erste solcherart erschienen Band heisst auf Deutsch 'Schattenjäger‘ (orig.: Dark Heresy).


In Schattenjäger wird die Rolle der Inquisition näher betrachtet. Die Spieler stellen Charaktere dar, die im Dienste eines Inquisitors Häresie und Mutanten aufspüren sollen. Der Dienst ist hart und oftmals kurz – nicht, weil man sich durch gute Arbeit die Freiheit erarbeitet, sondern weil Leichen so schlechte Arbeitnehmer darstellen. Dass der Imperator selber seit über 10.000 Jahren eigentlich in diesem Zustand verkehrt, nur durch den Thron am Leben erhalten, auf dem er sitzt, ändert da auch nichts dran. Charaktersterblichkeit bei Warhammer 40K (wie Warhammer 40.000 auch genannt wird) ist hoch, damit muss man leben.

Angesichts einer hohen Charaktersterblichkeit ist ein einfaches Charaktererschaffungssystem natürlich Pflicht – wenn man (mit Pech) jede 2., 3. Sitzung einen neuen Charakter erschaffen muss, wäre eine Charaktererschaffung von DSA-Ausmaßen mehr als ärgerlich. Glücklicherweise ist das System relativ einfach und schnell.

Es erinnert in den Regeln an Warhammer FRP in der 1. oder 2. Edition – die brandneue englische Version (3rd Ed.) sieht ja ziemlich anders aus. Ein Charakter hat neun 'Werte' (ein DSA-ler würde 'Eigenschaften‘ sagen, allgemeiner RPG-Jargon ist wohl eher auf neudeutsch 'Stats‘): Kampfgeschick, Ballistische Fertigkeit, Stärke, Widerstand, Gewandtheit, Intelligenz, Wahrnehmung, Willenskraft und Charisma. Diese werden, abhängig von seiner Jugend und Erziehung (als Spieler kann man die Art Welt, von der man kommt, auswählen) ausgewürfelt, wobei die Ergebnisse idR im Bereich zwischen 25 und 45 liegen.

Die angegebenen Welte sind übrigens keine bestimmten, sondern generische Beschreibungen für verschiedene Weltentypen, denn das Imperium ist groß. Die Welten werden aber in vier Kategorien eingeteilt, aus denen man sich eine aussuchen kann, und die einen gewissen Einfluss haben auf die Startwerte und -fertigkeiten.

Die Werte können sich durch Erfahrung noch steigern – maximal um weitere 20 Prozentpunkte, wobei nur Schritte von fünf Prozentpunkten möglich sind, und diese auch ziemlich teuer: Steigerungen werden in Erfahrungspunkten bezahlt, und für die vier Schritte zahlt man hier im Schnitt 250, 500, 750 und 1000 EP – bei mehreren Steigerungen kumulativ. Diese Kosten sind allerdings abhängig vom gewählten Karrierepfad – ein Söldner zahlt für die erste Stärke-Erhöhung beispielsweise nur 100 Punkte, ein Psi-Anwender 500.

Außerdem gibt es Fertigkeiten und Talente, die man im Laufe der Zeit erwerben kann. Manche Aktion kann man ohne die entsprechende Fertigkeit gar nicht ausführen, andere nur wesentlich erschwert. Auch der Erwerb von Fertigkeiten wird mit EP bezahlt, wobei diese meist billiger sind als Wertsteigerungen, zumindest im Basisbereich: idR kostet so eine Fertigkeit 100 – 200 EP.

Welche Fertigkeiten man erwerben kann, ist abhängig von der gewählten Karriere. Zu Spielbeginn wählt man eine Karriere (sozusagen einen 'Beruf‘) aus, und folgt dieser dann. Wenn man eine bestimmte Anzahl EP ausgegeben hat (für Wertesteigerungen und Fertigkeiten), steigt man in der Karriere eine Stufe auf, und hat Zugang zu (teilweise) anderen Fertigkeiten.

Leider ergibt sich hierbei eine Undeutlichkeit, die erst mit den ersten Errata aufgelöst wird, die auf dem Internet zum Download (PDF, 8 MB) angeboten werden. Wenn man die Fertigkeitenerwerbstabellen ansieht, scheint es, als hätte man nur die zur Verfügung, die in der 'aktuellen' Tabelle stehen. Nur wenn man die die Errata ganz genau liest, erfährt man, dass man Erhöhungen aus früheren Stufen immer noch 'nachkaufen' kann – ansonsten könnte man zum Beispiel nicht 'Schwimmen +10' erwerben, wenn man nicht zum entsprechenden Zeitpunkt in der Karriere 'Schwimmen' gelernt hätte.

Interessant ist auch, dass man innerhalb der Karrieren verzweigende Karrierepfade hat – wenn man eine bestimmte Stufe erreicht hat, kann man sich für eine von zwei oder drei weiterführenden Stufen entscheiden, die dann oft wieder für mehrere Stufen die Entwicklung festlegen, bevor die Pfade wieder zusammenlaufen. Diese eingeschränkte Wahlmöglichkeit ersetzt den Karrierewechsel von Warhammer FRP, mit dem man einen 'Quereinstieg' machen konnte – Quereinstiege sind bei Schattenjäger nicht vorgesehen, wer einmal die Karriere des 'Abschaums' gewählt hat, bleibt bis zum Ende in dieser Karriere.

Die Übersicht über die verschiedenen Karrierepfade und die hiermit verbundenen Erhöhungsmöglichkeiten nimmt einen ziemlich großen Raum ein. Immerhin muss für jede der verschiedenen Karrieren der gesamte Pfad ausgeführt werden – und das macht für jeden Pfad mehrere Seiten nötig.

Was macht man mit den Fertigkeiten? Schließlich hat man beispielsweise nur eine Fertigkeit 'Schwimmen' bzw. später eine 'Schwimmen +10′, aber keinen Wert, auf den man würfeln könnte. Hier kommen die 'Werte' ins Spiel: zu jeder Fertigkeit gehört ein Wert (zu Schwimmen beispielsweise Stärke), und es wird mit einem Prozentwurf auf den Wert gewürfelt – bzw. auf den Wert +10, wenn man Schwimmen +10 hat, etc. Nicht erlernte Fertigkeiten werden grundsätzlich auf den halben Wert gewürfelt.

Das Buch folgt dem klassischen Aufbau für ein Grundregelwerk: eine kurze Einleitung in die Welt, anschließend ca. 30 Seiten zur Charaktererschaffung. Mit fast 60 Seiten ist dann das Kapitel zu den Karrierepfaden das größte – überraschend, wenn man bedenkt, dass Warhammer 40K klassisch ein System ist, das die 'geschliffene Fachdiskussion‘ mit so durchschlagenden Argumenten wie Pistolen, Bomben und Boltern bevorzugt. Zunächst aber kommen erst noch Talente und Fertigkeiten (insges. ca. 30 Seiten), was die Charaktererschaffung und -Steigerung auf insgesamt 120 Seiten bringt – keine Kleinigkeit.

Hiernach kommt – als kleiner Bruch mit der klassischen Struktur – erst noch die Abrundung der Charakterregeln mit Ausrüstung (ca. 35 Seiten) und Psikräften (ca. 25 Seiten) – für letztere sollte man sich aber wieder auf jeden Fall die oben gelinkten Errata herunterladen.

Das nächste Kapitel (mit knapp 40 Seiten relativ kurz gehalten) ist dann das, was man beim Gedanken an eine Welt, die auf einem Tabletop-System beruht, schon schmerzlich vermisst hat: das Kapitel 'Das Spiel' beinhaltet nicht nur (kurze) Regeln zum Einsatz von Fertigkeiten und Talenten (die teilweise wie eine Wiederholung von früher gesagtem wirken), sondern auch den Kampf und die Nachwirkungen davon. Unschön ist, dass der situationsbedingte Bonus für eine Aktion auf 30% begrenzt ist – mit diesen Regeln würde ein Lehrer, der mit den Kindern zum Schulschwimmen fährt, sich schon allein durch den Vorschlag des versuchten Totschlags schuldig machen: auch mit allen Boni bietet ein Fertigkeitswurf viel höhere Chancen zu versagen, als man das von Schulklassen im Schwimmbad her kennt… Dies ist eine Regel, die man (wissend, warum man es tut, und dass die Regel nur für den 'Ernstfall' gedacht ist) unter gewissen Umständen geflissentlich ignorieren sollte.* Bei den Kampfregeln fällt auf, dass Fahrzeug- und Raumschiffkampf, die man in so einem Setting erwarten würde, völlig ausgespart bleiben.

Das Kapitel zum Spielleiten (ca. 30 Seiten) verfolgt gleich zwei Ziele: zum einen will es eine Einleitung in 'gutes Spielleiten‘TM sein, zum anderen die Mechanismen, die ein WH40K-Spielleiter benötigt, darstellen. Ersteres wird in der üblichen Qualitätsstufe erreicht – ein Neuling, der eine grobe Ahnung hat, was ein Spielleiter tut, sollte hier einige nützliche Tipps finden, aber ein Spielleiter, der schon längere Zeit (erfolgreich) leitet, hätte wahrscheinlich mehr an 'Erfolgreich Spielleiten' von Dominik Wäsch und ähnlichen Fachbüchern. Die Regeln zu NPCs, Erfahrungen etc. hingegen wirken teilweise arg starr und teilweise überraschend (ein gläubiger, loyaler Bürger des Imperiums, dem ein Inquisitor einen Befehl gibt, hat ein 40prozentige Chance – also fast 50-50 –, diesen Befehl zu ignorieren oder Goethe falsch zu zitieren – man sehe im Wikipedia-Artikel das Zitat aus dem 3. Aufzug). Alles in allem ist dieses Kapitel zwar schwächer als der Rest des Bandes, aber trotzdem brauchbar.

Anschließend kommen die Kapitel, die der Spielleiter sich erst durchlesen sollte, bevor er sie (evtl. auch auszugsweise) für die Spieler freigibt: zweimal gut 20 Seiten zum Leben im Imperium und zur Inquisition, sowie fast 50 Seiten über den Calixis-Sektor – den Teils des Imperiums, der mit dem offiziellen Material bespielt werden kann bzw. soll. Hier kann ein nichtsahnender Spieler, wenn er Pech hat, über Spoiler stolpern, die ihm spätere Abenteuer vergiften: der Spielleiter sollte hier gegebenenfalls vorfiltern. Allerdings reisst das alles die Situation im Warhammer40K-Universum nur oberflächlich an, und wer es nicht bereits (aus den Romanen oder vom Tabletop het) kennt, wird eine ganze Menge Informationen vermissen.

Auf den nächsten ca. 36 Seiten kommt ein 'Bestiarium' – Fertigkeiten von Tieren, Mutationen (wirken ähnlich wie Talente), Kreaturen und NPCs. Hier vermisse ich ein wenig die Aliens, die laut Hintergrund ja zu finden sein sollten.

Zuguterletzt kommt das (wohl unvermeidliche) Einstiegsabenteuer, das allerdings ziemlich umfangreich ausgefallen ist. Es misst zwar nur knapp 40 Seiten, bietet aber genug Spielmaterial für mehrere Spielabende (die im Buch genannten 4-5 Abende wird es allerdings eher nicht koomplett füllen, 3 sollten aber wohl drin sein). Beim Bau einer Kathedrale auf dem Agrarplaneten Iocanthos ereignen sich eine ganze Reihe seltsamer Phänomene, und wer darf natürlich die Kastanien aus dem Feuer holen? Wenn Iocanthos beschrieben wird, werden allerdings die Spieler wahrscheinlich sofort fragen: 'Was ist ein Agrarplanet? Welche Werte hat jemand, der von so einem Planeten kommt? Und wieso können wir nicht so jemanden spielen?' Hier wird der Spielleiter möglicherweise eine gehörige Menge Handwavium benötigen…

Die Qualität des Buches ist gut: Hardcover, Lesebändchen (eines), vollfarbig – alles macht einen hochwertigen Eindruck. Vereinzelte Tippfehler sind zu finden, aber nicht in einem Umfang, dass es störend wäre, und sinnentstellende Tippfehler sind mir auch nicht aufgefallen. Ein Index ist zwar vorhzanden, aber leider nicht immer logisch strukturiert: die Eigenschaftsbeschreibungen findet man alle unter E, die Kampfmodifikatoren aber nicht unter K sondern als eigenständige Einträge quer über den Index verteilt. Die Übersicht über die Tabellen ist nützlich, der als Kopiervorlage mitgelieferte (und auch beim Hersteller downloadbare) Charakterbogen bietet aber für manche Bereiche ganz einfach zuwenig Platz.

Alles in allem ist Schattenjäger also ein Rollenspiel, das sich vor allem auf den Warhammer40K-Spieler richtet (wegen des Welthintergrundes sollte mindestens ein Spieler dabei sein, der das Universum bereits kennt). Die Regeln sind leicht eingängig und stören sen Spielfluss nicht. Und das ist doch das wichtigste…

Hersteller Feder und Schwert
Autoren Owen Barnes, Kate Flack und Mike Mason
Spieler RPG
Denken RPG
Glück RPG
Geschicklichkeit RPG
Preis € 49,95

* Es gilt wie immer beim Rollenspiel: Wenn Dir eine Regel nicht passt, versuche zu verstehen, was mit ihr erreicht werden soll. Dann, und wenn es für Deine Zwecke notwendig ist, verändere oder ignoriere sie nach Herzenslust. Du musst allerdings wissen wieso Du sie ignorierst, und was die möglichen Folgen sein können.

Neues zu Engeln

Das Ende

Gestern geisterte die Meldung bereits durchs Internet; nachdem ich heute nachgefragt habe, kann ich es auch bestätigen: das Rollenspiel Engel ist so gut wie abgeschlossen. Es kommt noch ein Roman, das war dann alles, was zu diesem Spiel gedruckt wird.

Dass ich so ausdrücklich von 'gedruckt' spreche, hat allerdings seinen Grund (und war auch Anlass für mich, erst heute zu schreiben). Ich meinte mich nämlich erinnern zu können, dass mir auf der RatCon gesagt worden wäre, dass noch ein Supplement erscheinen werde.

Daher habe ich mich schlau gemacht. Und siehe da: ursprünglich hatte man wohl geplant, das genannte Zusatzmaterial zum Rollenspiel als Anhang in das Buch zu packen. Von dieser Idee hat Feder & Schwert sich allerdings inzwischen verabschiedet.

Stattdessen will man das ursprünglich für den Anhang geplante Material als PDF kostenlos auf der Homepage zur Verfügung stellen, wenn der Band erscheint. Ich denke, das ist auch keine schlechte Idee…

Neues von Feder und Schwert


Ende für D&D 4 in Deutschland

Wie auf der Webseite von Feder und Schwert nachzulesen ist, wird der Verlag zum 1.1. 2009 die Produktion von Material für das nicht allseits geliebte D&D 4. Edition einstellen. Damit endet das Deutsche Leben dieser neuesten Version des Rollenspielklassikers nach nur sieben übersetzten Bänden recht plötzlich.

Feder und Schwert will sich nunmehr gänzlich den übrigen (nicht-D&D) Produkten widmen, vor allem also wohl Warhammer und Warhammer 40,000, sowie nur andeutungsweise genannten neuen Projekten.

Was heißt das für den Markt? Es wird, wenn die Spieler das Hin und Her mitmachen, wohl wieder mehr D&D 3 bzw. 3.5 geben – einige Verlage hatten ja sowieso an dieser Produktschiene festgehalten, zum Beispiel Ulisses mit Pathfinder. Die ersten Effekte auf die Spieler werde ich mir am Wochenende ansehen; mal sehen, wie diese Entscheidung beim Spielevolk ankommt.

Interessante Randnotiz: das ist das zweite System, das bei Feder und Schwert durch eine Umstellung des Regelwerks in Seenot gerät – auch die World of Darkness wurde nach dem Neustart durch schwersten Gegenwind gebeutelt.