Tag Archiv für Flamebait

Realismus wird überbewertet

Flamebait

Rollenspieler behaupten von sich ja gerne, dass sie möglichst realistisch spielen wollen – was in sich bereits Unsinn ist, denn was an Magiern in Kleid Roben, orkischen Hackern mit Cyberdecks oder auch Weltraumreisen nach KD6 5KJ realistisch sein soll, erschließt sich mir nicht so ganz.

Dennoch wird beispielsweise FATE immer mit dem Argument bedacht, das System sei ja nun einmal sooo was von unrealistisch. Und das typische angeführte Beispiel ist folgendes:

Nehmen wir einmal an, ich will mich durch eine Lagerhalle an die Bösewichter anschleichen. Da sind sogar einige schöne, dunkle Stellen, in die ich mich quetschen könnte und den Aspekt ausnutzen – aber ich habe keine Fate-Punkte mehr. Das ist doch total unrealistisch, dass ich die Schatten dann nicht nutzen kann…

Man könnte natürlich damit argumentieren, dass der Charakter vielleicht inzwischen zu müde ist, um so etwas noch zu sehen, aber auch das versucht wieder 'realistisch' zu sein und ignoriert ein sehr wichtiges Detail…

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Ich allein

Ein Plädoyer für ein missverstandenes Spiel

Es ist Weihnachten, und zum Fest habe ich ja immer etwas besonderes. Deshalb heute einmal keine Rezension, sondern etwas, was einer Rezension ähnelt. Vielleicht hat der eine oder andere meiner Leser ja den Mut, es einmal zu probieren und festzustellen, wie sehr sich ein Spiel nur durch ein paar "kleine“ Regeländerungen verändern kann.

Es geht hierbei nicht einmal um ein unbekanntes Spiel, sondern um einen wirklichen Klassiker, der aber den Ruf hat, extrem langatmig und langweilig zu sein – letzteres unter anderem wegen ersterem. Es ist ein Spiel, das in den meisten Haushalten zu finden ist, in der einen oder anderen Form. Einige der Bestandteile sind so ikonisch geworden, dass Parodien keine Erläuterung bedürfen. Es geht um…

Monopoly

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Würzschinken

In eigener Sache: Spammer

Heute ist ja der 12.12.12 – und auf den verschiedensten sozialen Netzwerken scheint kein Entkommen zu sein von dieser Tatsache. So wie ein bestimmtes Lied in einem berühmten Sketch von Monty Python überdeckt das Thema alles andere, was ich so sehe – und daher gibt es heute auch keine Rezension, sondern einen 12. … äh… einen Spam-Artikel ;) Eine Rezension würde wahrscheinlich nur untergehen.

Als ich noch bei Blogger.com saß, hatte ich auf dem Blog wenig Ärger mit Spammern. Hier, auf meiner eigenen Domäne, scheinen sie aber zu glauben, sie könnten ganz einfach durchkommen. Was natürlich – wie die Leser wahrscheinlich schon gemerkt haben – nicht so einfach ist. Obwohl kaum einmal ein Spamkommentar durchkommt, kann ich sicher sagen, dass eine ganze Menge Bots es regelmäßig versuchen.

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Morgen wird es dunkel

SOPA-Blackout

Wie bitte? Politik und Spiele haben nichts miteinander zu tun? Ein Spieleblog sollte sich aus der Politik heraushalten? Ich würde es ja gerne, aber…

Wie vielleicht bekannt ist, ist morgen ein Tag, an dem viele Webseiten gegen die geplanten 'Anti-Piraterie-Gesetze' SOPA und PIPA protestieren, indem sie einen Tag vom Netz gehen. Google. Wikipedia … es ist eine lange Liste, und viele werden sicherlich überrascht sein, wen sie alles plötzlich nicht mehr erreichen können. Und es nehmen nicht nur die 'Großen' teil, auch viele kleinere Webseiten machen mit. Unter anderem auch Steve Jackson Games (die unter anderem Munchkin herstellen).

In einer Meldung schreibt Steve Jackson höchstselbst:

Wir werden am SOPA-Blackout am Mittwoch teilnehmen und uns hierbei Reddit, Wikipedia und vielen anderen Sites anschließen, die gegen das wirklich dumme Gesetz, das momentan dem Parlament vorliegt, protestieren, und gegen seinen Partner, den "Protect IP Act“, der dem Senat vorliegt. (Mir ist klar, dass es nett von mir wäre, wenn ich Phrasen dreschen würde wie 'unangepasst und übermäßig breit‘, aber da ich kein Politiker bin, finde ich es 'dumm‘, und nenne es daher auch 'dumm'.)

SJ Games wurde im Laufe der Zeit wiederholt das Opfer von 'Piraten‘, und wir sind gegen Piraterei. Intellektuelles Eigentum ist Eigentum, und die Leute, die es wegnehmen, sind Diebe. Das rechtfertigt aber nicht die Schaffung eines complexen, dummen Gestzes, das der Regierung drakonische Mächte gibt um unbewiesenen und böswilligen Klagen den Weg frei zu machen. Hier kann man ein Statement der EFF finden, das viele Details enthält.

Wann und wie genau die Seite sich beteiligen wird, ist noch nicht bekannt.

Und in eigener Sache: ich weiss nicht, ob es bei Blogger möglich ist, abwr wenn, dann werde ich versuchen, auch Roachware teilnehmen zu lassen… Ansonsten bleibt es bei den Trauerbalken oben.

Langeweiler

Der Startspieler-Witz
Bei vielen Spielen scheint es ja wichtig, wer als erster bzw. als letzter in einer Runde ziehen darf. Meist ist das allerdings eher akademisch, weil auf die Länge des Spiels gerechnet, der Vorteil (oder auch Nachteil, je nach Spiel) des ersten Zuges meist vernachlässigbar gering ist. Dennoch, um zu vermeiden, dass schon über diese Frage eine Spielrunde in Streit ausbricht, wird in den meisten Spielregeln eine Regel zur Bestimmung des 'Startspielers' gegeben.

In den meisten Fällem würde es daher also ausreichen, wenn in der Regel etwas stünde wie 'zufällig bestimmen, wer der erste Spieler ist'. Allerdings wird dies in vielen Fällen in den Regeln nicht getan, sondern eine 'alternative' Regel wird gegeben.

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Siezgelegenheit

Flamebait

In einem kleinen Forum nicht weit von hier (ich lasse 'mal die Namen weg, denn wer das Forum kennt, weiss, wovon ich spreche, wer es nicht kennt, hat wahrscheinlich mit den Systemen des Forumsbetreibers doch nichts am Hut) wird 'mal wieder geputzt. Nicht nur, dass die Moderatoren bei Beleidigungen und Flames einschreiten (was ja auch nur gut und richtig ist), nein, auch kleine sprachliche Schnitzer und Kraftausdrücke werden jetzt – teilweise längere Zeit im Nachhinein – durch die Moderatoren editiert.

Einmal abgesehen davon, dass das natürlich erst einmal rein rechtlich fragwürdig ist, auch wenn die neueren Forumsmitglieder seit einiger Zeit beim Registrieren die Regeln gesehen haben, ist die plötzliche Durchsetzung der Regeln in so unerwarteter Weise doch eher kritisch zu sehen. Und wenn die Aussage durch das Weichspülen sinnentstellend verändert wird, könnte das zu üblen Konsequenzen führen.

Sinnentstellend? Man kann durch das Weichspülen auch beleidigend werden. Hier ein rein theoretisches Beispiel: Man nehme nur an, jemand hat geschrieben "Frei nach TicTacToe – Auf die Schnelle wird das hier 'ne Riesenwelle. Ich find das Scheiße“. Und die 'weichgespülte Version' endet dann ohne weitere Veränderungen auf "Ich find das gar nicht gut“. Was bei entsprechender Regelung (Das S-Wort streichen) ohne weiteres vorkommen kann. Nur muss der Originalposter sich dann später anhören, dass er ja noch nicht mal TicTacToe halbwegs richtig zitieren kann. Kann man da nicht vielleicht sogar eine Gegendarstellung verlangen? (IANAL) 'Durch das Posting wird der Eindruck erweckt, ich könne nicht richtig zitieren. In Wirklichkeit hatte ich aber mit den Worten … richtig zitiert.' Wer weiss, vielleicht will ja jemand noch Minister werden, und hat Angst, für falsches Zitieren geguttenbergt zu werden…


Was mich aber wirklich amüsierte, war die 'Regelauslegung' "Nichts, was man nicht auch in einem Vorstellungsgespräch sagen würde.“ 


Was ist daran so amüsant, mögen sich manche fragen – auch ohne nur mit Schlips und Hemd zu posten, wie es in einem anderen Forum geschlussfolgert wurde, kann das nur zu Verwirrung führen. Ich habe in meinem Leben bereits eine Reihe Vorstellungsgespräche mitgemacht, sowohl in Deutschland und den Niederlanden als auch bei den Amerikanischen Streitkräfte in Deutschland. Und alle drei genannten Kreise hatten ganz andere Bedingungen für die Gespräche.


Irgendwie ungewohnt, so eine Siezgelegenheit – denn auch heute noch dürfte es in Deutschland üblich sein, den potentiellen Arbeitgeber bzw. dessen Vertreter zu siezen. In anderen Ländern – tja , in den USA gibt es den Unterschied zwischen Sie und Du nicht, und man redet das Gegenüber so an, wie es sich vorgestellt hat: hat er/sie den Nachnamen verwendet, benutzt man ihn auch, wenn der Vorname zur Vorstellung verwendet wurde, reicht der. In NL ist das 'je' (Du) sogar die Regel, und für ein 'U' (Sie) wird man hierzulande schief angesehen. Aber in Deutschland… Und wenn mir in einem deutschen Forum geasagt wird, dass ich mich wie bei einem Vorstellungsgespräch verhalten solle, muss ich das doch als 'in einem deutschen Vorstellungsgespräch' auslegen, oder nicht? Wobei fraglich ist, ob ich in so einem Forum überhaupt noch posten will, wenn ich weder französische Generäle (Cambronne), noch Deutsche Literaturklassiker (Goethe – nur echt wenn 'im' geleckt wird…), noch bestimmte Bibelstellen (Jes 23,16) zitieren kann, ohne dass mir die Zitate dann abgeändert werden.


Wenigstens ist das eine Regel, die der Poster der Regelauslegung selbst bricht: er redete noch wenige Stunden vorher in einer anderen Diskussion selbst sein Gegenüber mit 'Du' an…

DSA – Großreinemachen

Zur Zeit überschlagen sich wieder einmal die Meldungen zur Redaktion des Rollenspiels DSA.

Nachdem vor wenigen Tagen bekanntgegeben wurde, dass Uli Lindner und Patric Götz nicht mehr zur DSA-Redaktion gehören, wurde im Laufe des letzten Wochenendes auch der Auszug Thomas Römers aus der Kernredaktion bekanntgegeben. Außerdem wurde bekannt gegeben, dass Alex 'Disaster' Spohr neu zur Redaktion stößt, sowie dass die WunderWerk Online – ein Online-Newsletter zum Schwarzen Auge – eingestellt werde zugunsten der Veröffentlichungen von Einzelartikeln.

Ein ein wenig merkwürdiges Gefühl beschleicht einen schon, wenn man all das hört. Gerade Uli, Patric und (vor allem) Thomas gehören ja für den (halbwegs) Eingeweihten zum festen Inventar von DSA, so dass man sich unwillkürlich fragt, ob das denn gut gehen kann. Da kann auch die Berufung von Alex die Bedenken nur teilweise zerstreuen.

Für DSA scheint seit einiger Zeit der alte chinesische Fluch von den 'interessanten Zeiten' eingetreten zu sein, und man darf wohl gespannt sein, wie das weitergehen wird. Ich persönlich finde den Verlust der drei sehr schade (der Gewinn von Alex hingegen ist sicherlich ein Pluspunkt), und werde gespannt die weitere Entwicklung verfolgen. 'mal sehen, vielleicht ergibt sich ja irgendwann einmal eine Gelegenheit, mit dem einen oder anderen der Gegangenen und gegangen Gewordenen am Rande einer Con oder Börse ein kleines Interview zu führen, und davon an dieser Stelle zu berichten. Mich würde es jedenfalls freuen.

Persönlich wundert mich die Entscheidung doch ein wenig, denn die drei, die jetzt gehen, gehören zu den wenigen DSA-Machern, die auch dem weniger internet-affinen Spieler des Systems ein Begriff sind. Gerade Thomas Römer hat in der Rezeption der heutigen Spieler (wenn ich die Eindrücke auswerte, die ich auf verschiedenen Cons und bei gelegentlichen Besuchen in Deutschen Rollenspielläden erhalte) den Urvater des Schwarzen Auges, Ulrich Kiesow, längst überholt. Und die Liste der in den letzten 12 Monaten ausgeschiedenen liest sich beinahe wie ein Who’s Who der Deutschen Rollenspielszene. Ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass man jetzt versuchen will, durch 'unbekanntere' Autoren den Eindruck zu erwecken, man sei der Indie-Szene zuzurechnen. Das ist dann doch eine etwas andere Welt…

Ich werde jedenfalls gespannt beobachten, wie es dem zweitältesten deutchen großen Rollenspielsystem in Zukunft ergehen wird.

Flamebait

Wie vergrault man seine Fans?

Es gehört mittlerweile zum guten Ton, dass ein Rollenspielverlag ein Forum anbietet, auf dem die Kunden sich über die Produkte unterhalten können. In der Regel gibt es in diesen Foren auch einen sogenannten 'Off Topic‘-Teil, der je nach Forum mehr oder weniger intensiv genutzt wird. Beispiele dafür sind hier bei Nackter Stahl (Frostzone / Arcane Codex), hier im offiiellen Pegasusforum, hier im angeschlossenen Cthulhu-Forum, hier bei Prometheus (Savage Worlds, 1W6, Barbaren, Elyrion, Funky Colts, Ratten …) – sogar im Midgard-Forum findet man einen derartigen Bereich. Die einzige Ausnahme ist das Forum von Feder und Schwert – und in Kürze auch das von Ulisses.

Beinger der schlechten Nachricht war der Forenadmin Ijiro, der gestern, am 18.12., die Nachricht überbrachte, dass 'im Januar' auf eine neue Forenengine umgestiegen werden würde, und im Zuge dieser Maßnahme auch der gesamte Off-Topic-Bereich wegfallen werde. Ziel sei, aus dem Forum ein 'Informationsforum' zu machen.

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Flamebait

Kommentar

Aus gegebenem Anlass, und weil mich mehrere Leute auf der RPC darauf angesprochen haben, werde ich in Zukunft unregelmäßig meinen Senf ungefragt verteilen, zu Themen, die zu diesem Blog passen. Also eher nicht Kommentare zur Finanzpolitik der Indonesischen Regierung oder zu den Hochzeitsriten der Inuit, wenn diese Themen nicht gerade direkten Bezug zu Rollenspielen, Gesellschaftsspielem, Tabletops etc. haben.

Den Auftakt macht ein Ereignis, das am Wochenende die LARP-Welt erschütttert hat. Nicht, weil ich auch LARPer bin (obwohl ich nichts dagegen hätte, wenn ein LARPer LARP-Cons, LARP-Waffen, LARP-Regelwerke, LARP-Kleidung etc. rezensieren würde…), sondern weil die Reaktion auch andre Spielbereiche betrifft. Eine Veranstaltung der Jugendfreizeitstätte Hombruch für Kinder von 7-12 Jahren, die in den Osterferien stattfinden sollte und als 'L.A.R.P.' angekündigt wurde, wurde kurzfristig vom Jugendamt der Stadt Dortmund untersagt – wegen "berechtigten Zweifelkn an der Gewaltfreiheit“. Laut einem Bericht im Westen "soll beim Jugendamt ein Brief eingegangen sein, in dem vor LARP gewarnt wurde. (…) Ein Hinweis auf ein 'You Tube‘-Video mit einer gespielten Wirtshausrauferei soll dem Brief beigelegen haben. Der Clip, der in Hombruch entstanden sein soll, muss im Jugendamt schlimmste Befürchtungen geweckt haben. Jedenfalls wurde erst das Video aus dem Netz genommen, und dann die Ferienaktion aus dem Programm.“

Interessanterweise findet man sogar auf der Website des Jugendamtes selber in der Beschreibung der JFS eine Beschreibung solcher LARPS, in der ausdrücklich auf den kreativen und kooperativen Anteil des LARPs verwiesen wird. Auch wird auf die Internetpräsenz der LARP-Orga Tremonien verlinkt, die durch das Jugendamt 'unterstützt und maßgeblich gefördert' wird. Wenn LARP so gefährlich ist, wieso wird es dann vom Jugendamt überhaupt unterstützt? Und wenn es nicht gefährlich ist, wieso wird dann eine Veranstaltung, die von Fachleuten für 7-12jährige Kinder organisiert wird, verboten? Hier widersprechen die Signale sich entschieden.

Wenn man die Begründung ansieht, müsste man eigentlich erwarten, dass auch Veranstaltungen wie die RPC am letzten Wochenende (wo nicht nur LARPer, sondern auch, oh Schreck, Computerspieler und Pen&Paper-Spieler waren) noch viel gefährlicher sein müssten? Und wie steht es mit Veranstaltungen wie ein Schützenfest, das in manchen Gegenden Deutschlands fast schon automatisch zu einer echten 'zünftigen Wirtshausschlägerei' führt? Obendrein wird dort noch auf einen wehrlosen Holzvogel geschossen – führt das nicht viel mehr zu einer Verrohung der Sitten als das gesellige Miteinander in mittelalterlichen Kostümen? Müssen jetzt die Brauchtumsschützen fürchten, dass donnerstags oder freitags vor dem Schützenfest ihre Veranstaltung plötzlich verboten wird?

Nun, ich glaube, die Sportschützen haben wenig zu befürchten – sie haben eine große Lobby auch unter Industriellen und 'Gutbürgerlichen'. LARPer, Rollenspieler, Computerspieler sind aber noch nicht so weit. Die ältesten unter uns sind mittlerweile in einem Alter, in dem sie eventuell ernst genommen werden können – wer 20 Jahre alt war, als DSA auf den Markt kam, ist mittlerweile mit 45 im 'respektabelen‘ Bereich angekommen. Dennoch haben Rollenspieler aller Couleur immer noch den Ruf von 'Geeks' oder 'Nerds' – und leider scheinen manche sich auch heute noch in diesem Ruf zu sonnen. Dies gilt zum Teil sogar für die 'gesetzten Jahrgänge'. Dies hilft natürlich nicht dabei, dem Hobby in der Gesellschaft zu einer besseren Rezeption zu verhelfen – und da sollte sich so mancher an die eigene Nase fassen.

Und da das Hobby Rollenspiel in der Öffentlichkeit noch immer als 'seltsam' angesehen wird, und die Teilnehmer als 'leicht verrückt‘, fällt es natürlich leicht, alles Übel der Welt auf diese Schultern zu schieben. Es ist ja auch viel einfacher, die Schuld zuzuweisen, wenn man selber nicht zur schuldigen Gruppe gehört.

Wenn man die Presse und die Äußerungen der Politiker hört, dann kann man nur schlußfolgern: jeder einzelne Massenmörder und vor allem jeder Amokläufer war ein Computerspieler und ein Rollenspieler. Jemand, der Metal hört, und der nicht zum Establishment gehört. Jeder einzelne, ausnahmslos. Winnenden, Erfurt, Columbine, Volkhofen… Moment mal, Volkhofen?

In Köln-Volkhofen beging der 42jährige Frührentner Walter Seifert am 11. Juni 1964 einen Amoklauf, bei dem er mit einem selbstgebauten Flammenwerfer und einer Lanze seine ehemalige Schule überfiel. Auch seine Tat war eindeutig dem typischen Amoklauf-Schema zuzurechnen. Dennoch dürfte es Probleme bereiten, mit dem Finger auf die üblichen schwarzen Schafe zu zeigen. Die gab es im Jahre 1964 nämlich noch nicht, Das Schwarze Auge kam ziemlich genau 20 Jahre später erst auf den Deutschen Markt. Metal ist erst Anfang der 70er entstanden. 1964 waren es eher die Beatles und Elvis, die mit ihrer Musik "die Jugend verrückt machten“. Aber Seifert war nicht einmal ein Jugendlicher.

Wenn man die Amokläufer nebeneinander stellt, gibt es einige Gemeinsamkeiten, die niemand als Auslöser annimmt. Sie haben alle Brot gegessen – so weit ich weiss ausnahmslos. Sie haben alle zumindest hin und wieder Kaffe getrunken. Sie wurden alle von der Umwelt schräg angesehen, teilweise sogar gemobbt – oder hatten zumindest das Gefühl. Sie waren alle Menschen. In den allermeisten Fällen richtete sich der Amoklauf gegen ihre Schule.

Ich glaube, die ersten zwei Punkte wird wohl niemand als Auslöser ansehen. Und auch das 'schräg angesehen werden' ist in sich nur ein sehr schwacher Auslöser – wenn das automatisch zu einem Amoklauf führen würde, wäre die Menschheit wohl schon lange ausgestorben. Sollte die Schule der Auslöser sein, wäre die logische Konsequenz (und eine logischere als das unreflektierte Einprügeln auf LARP, das bislang noch nie in Zusammenhang mit Amokläufen gesehen wurde) die Schließung aller Schulen. Aber außer den Schülern würde das wohl niemand wirklich wollen.

Tja, und wenn man wirklich das Computerspiel oder LARP oder Rollenspiel als Auslöser annehmen wollte, müsste doch auch alle paar Tage jemand durchdrehen.

Im Gegenteil, abgesehen von einer größeren Reihe Diebstähle auf der RatCon – die eben nicht von Congängern ausgeübt worden waren -, habe ich selber bislang keine Gewalttätigkeiten auf Cons mitbekommen, weder auf Cons, auf denen ich war, noch was ich ansonsten so gehört hätte. Man vergleiche das mit Fußballmatches – die Geschichte des Heyselstadions ist leider nur in der Größe eine Ausnahme. Dennoch wird niemand behaupten, dass jemand, nur weil er Fussballfan ist, automatisch auch Randalierer oder gar Amokläufer.

Nein, die Rollenspieler, die ich so kennen gelernt habe, mögen nicht alle mit mir einer Meinung sein, aber ich wäre mehr als überrascht, wenn einer von denen zum Amokläufer würde. Dennoch ist dieses Bild in der Öffentlichkeit vorhanden. Wollten wir nicht etwas unternehmen, damit sich das endlich ändert?

Wenn Kindern Aktivitäten, auf die sie sich längere Zeit gefreut haben, weggenommen werden, hat dies einen wesentlich negativeren Einfluss auf sie als jedes Roollenspiel, vor allem wenn diese Änderung so kurzfristig geschieht wie jetzt in Dortmund. Aber Fingerspitzengefühl scheint heutzutage out zu sein. Aber wenn die Vorbilder und Behörden überreagieren, darf man sich nicht wundern, wenn die, die noch soziales Verhalten lernen, hieraus ebenfalls das Überreagieren lernen. Ich habe auch noch mit 20+ aus dem Rollenspiel soziales Verhalten gelernt – 7-12jährige hätten da noch viel mehr von, und lernen auch noch leichter. Eine vergebene Chance – und das ist mehr als schade.