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Hollow World Expedition

Pellucidar, Arne Saknussemm, Gilgameschs Besuch bei Utnapischtim, Agartha, Shamballah, Neuschwabenland – die Märchen, Grüchte und Theorien über eine Welt im inneren unserer Erde sinds alt, und dennoch immer wieder aktuell. Auch im Rollenspiel begegnet man diesem Thema hin und wieder, so gibt es im Hintergrundmaterial zu Mystara eine Hollow World. Auch das Betreten der Traumlande wird oftmals als ein langes Treppab beschrieben. Mit einer holistischen Interpretation der meisten dieser Theorien wartet ein Rollenspiel auf, das jetzt auch in Deutsch erscheint.

Hollow Earth Expedition ist die erste deutschsprachige Neuproduktion eines Rollenspiels – zu Deadlands sind ja bereits früher einige Bücher auch auf Deutsch erschienen, während Hollow Earth Expedition von Exile Game Studio bereits in Amerika Preise eingeheimst hat – aus dem Hause Uhrwerk. Es spielt in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts, also in einer Zeit, die ziemlich spannungsgeladen und unruhig war. Eine Zeit, in der die sogenannten Pulpmagazine ihren Höhepunkt feierten, in der nichts so unmöglich schien, dass ein Doc Savage, ein Kent Allard, oder eben auch ein David Innes es nicht doch hätte erleben können.

Pulps zeichnen sich aus durch eine atemraubend schnelle Handlung, meist ziemlich geradlinige Plots, und Identifikationsfiguren für den Leser. In modernerer Zeit treffen beispielsweise Produkte wie Indiana Jones, Tomb Raider, oder auch Hudson Hawk diesen Stil und die Stimmung ziemlich gut. Und auch Hollow Earth Expedition (HEX) trifft genau diesen Nerv.

Interessant ist der Aufbau des Buches: nach der wohl obligatorischen einstimmenden Kurzgeschichte um das (angebliche) Loch im Nordpol unseres Planeten, und eine Einleitung in das Genre und 'was ist Rollenspiel‘, folgt zunächst erst einmal eine Beschreibung des Hintergrundes. Eine interessante Wahl, die mich aber beim Überfliegen (ich habe das Buch erst ganz kurz in Händen) überzeugen konnte. Mehr als die Kurzgeschichte kann dieses Hintergrundkapitel nämlich ein Gefühl vermitteln, wie die Welt, in der man spielen will/soll, eigentlich aufgebaut ist. Und da die Welt von HEX der unseren in den 30ern so sehr ähnelt, reichen dann auch die Hinweise am Ende des kapitels, um den Sense of Wonder, der bei vielen Pulps eine wesentliche Rolle spielte, verständlich zu machen.

Im zweiten Kapitel kommt dann die Charaktererschaffung, wobei großes Gewicht gelegt wird auf die Motivation des Charakters, die auch später im Spiel eine wichtige Rolle spielen wird. Ungewöhnlich ist die Bezeichnung der Charaktermodelle als Archetypen – in anderen Spielen sind Archetypen mehr oder weniger fertig erstellte Charaktere, die nur noch minimal personalisiert werden müssen. Hier sind Archetypen eher Berufsbeschreibungen, mit ein paar Tipps, welche Attribute, Fertigkeiten und so weiter für den Charakter typisch sind.

Es ist ein Punkteverteilungssystem (kein Kaufsystem: jeder Attributs- bzw. Fertigkeitenpunkt kostet dasselbe wie jeder andere. Man kann hierbei auch Schwächen wählen, die grundsätzlich zweischneidig sind: sie behindern den Spieler, geben ihm aber, wenn sie auftreten und ihn behindern, sogenannte Stilpunkte, die er später einsetzen kann, um Würefelwürfe zu verbessern. Das ganze erinnert an die Chips, die man bei Deadlands erhalten kann, wenn ein Nachteil sich unangenehm bemerkbar macht. Abgeschlossen wird das Kapitel dann mit einigen Baispielscharakteren … die genau dem entsprechen, was in vielen anderen Spielen als Archetypen bezeichnet wird.

Im Kapitel 3 kommen dann die Regeln – und das regelsystem ist simpel und vielen vielleicht schon vertraut: es ist das Ubiquity-System, also ein System, bei dem Würfelpools aus Attribut und Talent (mit nahezu beliebigen Würfeln) gewürfelt werden und jedes gerade Ergebnis ein Erfolg ist. Ein System, das zum Beispiel auch bei Opus Anima verwendet wird, und das ich (wenn auch nicht unter diesem Namen) persönlich zum ersten Mal im Prince Valiant Storytelling Game kennen gelernt habe (so viel zum Label 'innovativ‘, das dem Ubiquity-System gerne angehängt wird – Prince Valiant ist mW 1989 erschienen). Einzige Veränderung: bei HEX wird davon ausgegangen, dass ein Wurf automatisch Erfolg hat, wenn die 'durchschnittliche Menge an Erfolgen' mindestens so hoch ist wie die Zielschwelle. Das macht das Spiel schneller, was dem schnellen Pulp-Stil entgegenkommt.

Der Kampf läuft beinahe eben so schnell ab wie das normale Spiel: Angriff würfeln, Erfolge zählen, Verteidigung würfeln, Erfolge zählen und vom Angriff abziehen, das Ergebnis ist der Schaden. Dennoch kann man in dieses simple System eine Menge Detail stecken, wie das Kampfkapitel beweist. Alles läuft aber extrem flüssig und harmonisch, ohne den Spielablauf zu unterbrechen.

Im Ausrüstungskapitel findet man alles, was in der Zeit verfügbar war – und das, was in die verrückte Wissenschaft der Pulps gehört. Die Preislisten sehen auf den ersten schnellen Blick ziemlich stimmig aus – ich bin sicher, dass man das eine oder andere sicher bemäkeln können wird, wenn man genauere Nachforschungen anstellt, aber alles in allem sieht es doch recht überzeugend und glaubhaft aus. Die 'peudowissenschaftlichen' Geräte, die man hier auch finden kann, sind ebenfalls recht passend und glaubhaft umgesetzt. Vom Raketenrucksack über den Roboter (ja, der Begriff stammt aus den '30ern, von Karel Capek) bis hin zum Bohrfahrzeug sind die wichtigsten Tropen dieses Genres zu finden.

Das sechste Kapitel beschreibt die Spielleitung, von den Genrekonventionen, bis hin zu Abenteueraufbau, Motivationen und die Haltung und Pflege der Spieler. Sprich: was tun, damit die Spieler bei der Stange bleiben, wie erfährt man, welche Erwartungen sie haben etc.

Im folgenden Kapitel wird die Hohlwelt beschrieben, also die Welt, die man erlebt, wenn man irgendwie hingelangt ist. Das kann durch die erwähnten Pollöcher geschehen, mit einem Bohrfahrzeug, durch den Snæfellsjökull à la Arne Saknussemm, oder wie auch immer. Die Methoden werden ausführlich beschrieben, aber auch die Physik und Metaphysik der eigentlichen Hohlwelt erhält ihren gerechten Anteil.

Im achten Kapitel geht es dann um Freunde und Feinde, wobei die Rollen klar verteilt sind: die Spielercharaktere gehören zu den Guten. Auf der Seite der Bösen trifft man dann die (für die Zeit wohl) üblichen Verdächtigen an. Auch für die intelligenten Bewohner der Hohlwelt schöpft man aus dem (Pulp-)vollen: Stammeskrieger, Piraten, Affen- und Maulwurfsmenschen sind allem Anschein nach keine Seltenheit, wenn man sich in diese Gegenden verirrt.

Im Bestiarium findet man die wohl auch für dieses Szenario unvermeidlichen Überlebenden längst vergangener Zeiten – sprich: Saurier, Riesenaffen, Roch, Säbelzahn und so weiter. Auch die Planzen scheinen nicht sonderlich gastfreundlich zu sein.

Am Ende gibt es noch ein Einführungsabenteuer, in dem man über das Nordpolloch in die Hohwelt gerät. Obwohl kurz und knapp, gibt es einen guten Eindruck, wie ein HEX-Abenteuer aussehen sollte, was Timing und Thema betrifft.

Für jeden, der mehr Hintergrundmaterial sucht, gibt es abschließend noch eine Leseliste zum Thema Pulp.

Alles in allem muss ich sagen, dass das, was ich beim schnellen Durchlesen gefunden habe, sehr ansprechend war, wenn man das Genre mag. Andererseits: welcher Rollenspieler hasst das Genre?

Eigentlich ist ja der 29. Oktober der 'offizielle' Erstverkaufstag, aber ab heute ist das Spiel im Vorabverkauf auf der Spiel erhältlich. Ein Grund mehr, hinzugehen…

Hersteller Uhrwerk

Autoren

Jeff Combos u.a.

Spieler

2-6, RPG

Denken

n/a

Glück

n/a

Geschicklichkeit

n/a

Preis ca.

39,95 € (Buchpreisbindung)