Haggis
Schottland ist ein wildes Land. In den Highlands leben alle möglichen Kreaturen, die Fremden (wozu auch der Sassenach gehört) merkwürdig vorkommen. Besondere Erwähnung verdienen hier natürlich die Riesendudelsackspinne und der Wilde Haggis, zwei Tierarten, die nur in diesen unwegsamen Landen bis in die heutigen Tage überlebt haben.
Aber Haggis sind auch eine Mahlzeit, die aus Schafinnereien hergestellt wird, wie man vielleicht weiß. Verpackt im Magen des Tieres. Aber dies ist kein Kochblog (und soll auch kein solches werden), daher haben wir es hier weder über einen entfernten Wolpertinger-Verwandten, noch über eine Speise über deren Qualität eifrig gestritten wird (und mit unterschiedlichem Ergebnis, je nach Alkoholgehalt der Diskutanten …) sondern über das gleichnamige Kartenspiel. Das Copyright liegt by Lone Oak Games LLC, Herausgeber ist Indie Boards & Cards, und in Deutschland wird das Spiel vertrieben über den Bambus Spieleverlag, wie ein Logo auf der Schachtel andeutet.
In der Schachtel findet man folgende Teile:
- die Spielregel in Englisch, Französisch und Deutsch
- drei Spickzettel-Karten auf Englisch
- das eigentliche Haggis-Deck: 54 Karten (5 Farben jeweils 2-10, plus 3 Buben, 3 Damen und 3 Könige)
Die Karten wirken sehr stabil, mit Leinenstruktur, wie gute Skatkarten. Die 'Farben' der Zahlenkarten sind keltisch/schottisch angehaucht, man kann sie aber auch ohne die Struktur gut unterscheiden: silber, gold, schwarz, rot und orange. Und bei schlechter Beleuchtung unterscheiden sich die Symbole auch deutlich. Bei Bube und König muss man etwas genauer hinschauen, aber auch diese Karten sind gut zu unterscheiden.
Gespielt wird Haggis ausdrücklich nur zu zweit oder zu dritt. Zu zweit wird eine Farbe entfernt, sowie ein Set Bube-Dame-König.
Jeder Spieler erhält einen Satz Bube-Dame-König, die offen vor ihm auf dem Tisch liegen, bis sie verwendet werden. Außerdem erhält jeder Spieler 14 Karten, der Rest (8 Karten bei 2 Spielern, 3 Karten bei 3 Spielern) bildet den 'Haggis‘, ein Päckchen mit Karten, die dem Spieler einen Bonus geben, der als erster alle Karten los wird.
Gespielt wird Haggis in Stichen: der Spieler, der 'an der Reihe ist‘, spielt eine Kartenkombination aus. Das kann ein Set (Karten desselben Wertes, auch Einzelkarten sind möglich) sein, eine Straße (drei oder mehr Karten derselben Farbe mit aufeinanderfolgenden Werten – oder auch entsprechend drei oder mehr Sets, die komplett aus denselben Farben bestehen, mit aufeinanderfolgenden Werten), oder eine 'Bombe'. Letzteres ist eine Kartenkombination, die aus bestimmten Karten besteht (3-5-7-9 in vier verschiedenen Farben, 3-5-7-9 in einer Farbe, eine beliebige Kombination von zwei oder drei Hofkarten).
Beim Erstellen von Sets und Straßen können die Hofkarten auch als Joker verwendet werden, beim Erstellen einer 3-5-7-9-Bombe allerdings nicht. Bei einer Bombe aus Hofkarten kann eine Hofkarte auch nicht jokermäßig verwendet werden, sondern nur im eigenen Wert.
Bedient werden muss der Typ des Anspiels, und es muss überstochen werden. Wenn also eine Straße aus Drillingen gelegt wurde, kann man nur mit einer höheren Straße aus Drillingen übernehmen – oder mit einer Bombe. Eine Bombe kann nur durch eine höhere Bombe geschlagen werden.
Ein Stich endet, wenn alle Mitspieler passen, also einen Stich nicht mehr übernehmen wollen. Die Karten gehen an den Spieler, der den Stich gewonnen hat – es sei denn, er hat mit einer Bombe gewonnen. Im Zweierspiel geht der Stich bei einer Bombe an den Mitspieler, beim Dreierspiel je nach Variante an den Spieler, der die zweithöchste Kombination gelegt hat, oder an den Spieler, den der Stichsieger auswählt.
Wenn der erste Spieler seine Karten los geworden ist, wird kurz unterbrochen, und der Spieler, der fertig wurde, erhält Punkte abhängig davon, wie viele Karten der Spieler, der am weitesten zurückliegt, noch auf der Hand hat (das fünffache der Karten als Punkte). Wenn der zweite Spieler endet, erhält der Spieler, der als erster fertig war, die übrigen Handkarten des letzten Spielers und den Haggis. Anschließend werden die Karten gewertet, wobei nur die ungeraden Karten und die Jokerkarten Punkte bringen. Dann folgt die nächste Runde. Gespielt wird, bis eine bestimmte Punktezahl erreicht wird, die zu Spielbeginn festgelegt wird.
Zuguterletzt kann man noch Punkte gewinnen (oder verlieren), indem man darauf wettet, dass man als erster seine Karten los wird. Das kann man als kleine oder große Wette (15 bzw. 30 Punkte) machen, und entweder man erhält selber die Punkte, oder aber die Mitspieler erhalten die Punkte. Diese Wetten machen einen beträchtlichen Teil der möglichen Punkte aus (das Kartendeck enthält selber nur 50 Punkte), sollten also nicht vernachlässigt werden.
Wer sich das jetzt so weit durchgelesen hat, denkt vielleicht, es sei 'einfach nur' eine Tichu-Variante für zwei oder drei Spieler. Und ja, es spielt sich ähnlich. Aber wer sich mit 'typischer' Tichu-Taktik an einen Haggis-Tisch setzt, wird eine böse Bauchlandung erleben. Durch die allgemeine Verfügbarkeit der Bomben – immerhin hat jeder Spieler mindestens eine – und die leicht abgeänderte Wertung ist Haggis doch ein absolut selbständiges Spiel.
Haggis funktioniert nur zu zweit und zu dritt. Beide Versionen sind sehr gut, aber auch wieder vollkommen unterschiedlich – der Einsatz von Bomben und die Frage, wer die Karten bei einer Bombe erhält verändern das Spiel überraschend stark. Welche Version besser ist? Ich wage es nicht zu sagen: Sie gefallen mit beide sehr gut. Man muss sich vielleicht erst einmal drei, vier Spiele 'einspielen‘, bis man weiß, wie das Spiel funktioniert, dann aber läuft es. Freunde von Stichspielen à la Tichu werden Haggis auch lieben.