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Geschäftssinn

Kurzer Exkurs in Betriebs- und Volkswirtschaft

Ich weiss nicht so recht, wo ich das hier einordnen soll, es würde wohl unter Flamebait fallen. Allerdings ist das Thema nicht direkt meins, und zeigt einige interessante Effekte auf.
Ein wichtiger Punkt der BWL- und VWL-Theorie sind die Preisfindungsmechanismen. Wie entsteht ein Preis auf dem Markt, und welche Faktoren beeinflussen ihn? Markt ist hierbei nicht der Wochenmarkt, sondern die komplette wirtschaftliche Umwelt in der sich Käufer und Verkläufer zusammenfinden. Es geht hierbei auch niocht ums Feilschen und Verhandeln, sondern eher um langfristige Effekte und Theorien. Wenn wenige Leute etwas kaufen, sinkt der Preis, dann sind mehr Leute interessiert, ist so ein vermuteter Mechanismus. Im Endeffekt pendelt der Preis sich auf einem Niveau ein, das den Herstellungskosten (plus ein kleiner Gewinn) entspricht, sagt die sog. 'objektivistische Wertlehre‘, oder auf dem, der dem Nutzen des Käufers entspricht (sog. 'subjektivistische Wertlehre‘). Aber da gibt es natzürlich noch 'zig Effekte, die dem zuwiderlaufen.

So gibt es den Qualitätsvermutungseffekt (‚made in Germany‘), der dazu führt, dass der Käufer einen höheren Nutzen annimmt. Oder den Snobeffekt (nur mit Krokodil / Flügelpferd / dreizackigem Stern / wasauchimmer zeigt das Produkt, dass ich etwas besseres bin), der dazu führt, dass ein Mindestpreis erhalten bleiben muss, weil sonst die Leute, die das Symbol zum Protzen verwenden, nicht mehr interessiert sind, 'weil es dann ja jeder kaufen kann'. Es gibt das Brotparadoxon, dass bei steigenden Preisen der Verbrauch an Brot steigt (weil man sich Luxusnahrungsmittel nicht mehr leisten kann und stattdessen auf Grundnahrungsmittel ausweichen muss). Und … dann gibt es Effekte, die widersetzen sich jedem Verständnis.
Ein Beispiel hierfür ist die iPhone-App Zits & Giggles, ein, sagen wir vorsichtig, Spiel, bei dem man Aknepickel auf dem iPhone ausdrücken soll. Das Spiel wurde in den ersten Monaten für 99 US-Cent verkauft, und fand ein paar Käufer, aber ziemlich wenige. (Vielleicht hat es denselben psychischen Effekt wie das Bubblewrap-Spiel auf dem Computer?) Irgendwann kamen aber dann keine neuen Kunden mehr.
Standard-Marketing empfiehlt, dann zumindest eine Zeitlang den Preis zu senken, um neue Nachfrage zu generieren, aber der Autor, Tommy Refenes, tat genau das Gegenteil: er erhöhte den Preis auf 15 US-Dollar. Das ist, für jeden, der sich nicht mit iPhone-Apps auskennt, ein extrem hoher Preis. Plötzlich kamen neue Kunden, die ersten am Tag der Preiserhöhung. Ich weiss nicht, ich stehe nicht an meiner Tankstelle zu warten, dass der Treibstoff plötzlich 8 Euro kostet, damit ich dann tanken kann.
Es ging weiter. Der Preis wurde auf 50 Dollar erhöht. Vier Kunden kamen. Als Reaktion programmierte Refenes das Angebot so, dass der Preis weiter stieg, so lange Kunden kamen. Und vergaß es erst einmal wieder. Als er nach einiger Zeit (am Valentinstag) wieder nachsah, war der Preis auf $299 gestiegen, und stieg weiter bis auf $350. und das, obwohl eine der beiden Kundenbesprechungen, die auf der Apps-Seite zu finden waren, ausdrücklich davon sprach, dass das Spiel mit einem Dollar (Startpreis) noch zu teuer war.
Ich will hoffen, dass unsere Spielehersteller hieraus nicht eine Lektion übernehmen. Auf Spielepreise umgerechnet würde ein normaler Würfel dann 300 Euro kosten können, oder ein Brettspiel für einen vier- bis fünfstelligen Betrag über die Ladentheke gehen…

Flamebait

Wie vergrault man seine Fans?

Es gehört mittlerweile zum guten Ton, dass ein Rollenspielverlag ein Forum anbietet, auf dem die Kunden sich über die Produkte unterhalten können. In der Regel gibt es in diesen Foren auch einen sogenannten 'Off Topic‘-Teil, der je nach Forum mehr oder weniger intensiv genutzt wird. Beispiele dafür sind hier bei Nackter Stahl (Frostzone / Arcane Codex), hier im offiiellen Pegasusforum, hier im angeschlossenen Cthulhu-Forum, hier bei Prometheus (Savage Worlds, 1W6, Barbaren, Elyrion, Funky Colts, Ratten …) – sogar im Midgard-Forum findet man einen derartigen Bereich. Die einzige Ausnahme ist das Forum von Feder und Schwert – und in Kürze auch das von Ulisses.

Beinger der schlechten Nachricht war der Forenadmin Ijiro, der gestern, am 18.12., die Nachricht überbrachte, dass 'im Januar' auf eine neue Forenengine umgestiegen werden würde, und im Zuge dieser Maßnahme auch der gesamte Off-Topic-Bereich wegfallen werde. Ziel sei, aus dem Forum ein 'Informationsforum' zu machen.

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Flamebait

Grau ist das neue Schwarz

Es scheint heutzutage 'in' zu sein, Rollenspielwelten 'grau' zu machen. Strahlende Helden – ob Spielercharaktere, oder Nichtspielercharaktere als Vorbilder – werden entweder kräftig eingegraut oder entsorgt, damit 'man nicht schwarz-weiß spielt'. In Extremfällen werden Erfolge der Spielerhelden (‚Held' im literarischen Sinne) durch Aktionen von NPCs, auf die die Helden keinerlei Einfluss haben, regelmäßig zunichte gemacht.

Wenn es dann zu Diskussionen kommt, und jemand meint, er würde doch gerne auch einen wirklich weißen oder auch einen pechschwarzen NSC sehen, wird ihm sofort vorgeworfen, er wolle reines schwarzweiß haben, und so sei die Welt nun einmal nicht. Dass das 'auch' eben impliziert, dass auf der anderen Seite auch verschiedene Grautöne möglich sein dürfen, wird dann gekonnt übergangen.

Leider ist durch den Verlust der ganz hellen und ganz dunklen Töne, also das Zeichnen der Spielwelt in einem Farbspektrum das die ganze Bandbreite zwischen kräftigdunkelmittelgrau und starkdunkelmittelgrau umfasst (und nichts außerhalb zuläßt, will man sich nicht dem Vorwurf aussetzen, zur Schwarzweißfront zu gehören, die kein Grau zulassen will…) die ganze Angelegenheit ziemich undurchsichtig. Ich gebe einfach 'mal ein Beispiel.

Das Bild hier rechts ist, um es einmal vorsichtig auszudrücken, schwer zu erkennen. Genau genommen sieht man sogar nicht alles, was zu sehen sein könnte. Man kann erahnen, dass ein Text zu lesen ist, und das ist es dann auch. Wer scharfe Augen hat, kann noch den Text entziffern, aber ein wirklich aussagekräftiges Bild sieht anders aus. Vor allem: das eigentliche ild enthält Informationen, die hier beim besten Willen nicht mehr zu erkennen sind.

Ich habe für dieses Bild ein anderes genommen, und in der Bildbearbeitung den Kontrast so weit herabgesetzt, dass eben nur noch ein enges Spektrum Grautöne übrig blieb. (Ich habe wirklich nur den Kontrast geändert, alles andere blieb unverändert.)

Wenn man sich ds Originalbild (hier rechts) ansieht, erkennt man sofort, welche "wichtige Information“ verschwunden ist. Dadurch, dass der Kontrast von reinweiß bis pechschwarz geht – aber dennoch graue Zwischentöne möglich sind! – erhält man plötzlich mehr Informationen.

Ähnliches geschieht auch in Rollenspielwelten. Es mag in unserer Welt normal scheinen, dass Steuerhinterzieher nur dann hinter Gitter gehen, wenn sie weniger als einen bestimmten Betrag unterschlagen haben, aber das ist ein Effekt, den man in einer Rollenspielwelt als Autor gut überlegen sollte. Immerhin hat man durch die Wahl des Genres, des Stils undsoweiter eine bestimmte Erwartungshaltung bei den Kunden (Spielern und Lesern) geweckt, die man nicht grundlos enttäuschen sollte. Nichts gegen das gelegentliche bewußte Brechen eines Tropus – wenn das Brechen so alltäglich geworden ist, dass die Spieler überrascht sind, wenn einmal ein Tropus nicht gebrochen wird – wenn das Brechen des Tropus zu einem Stereotyp verkommen ist – wenn die Reaktion der Kunden niht mehr 'Ohje, so ein Sch…' sondern nur noch ein halb-gelangweiltes, halb-resigniertes 'Was haben die denn jetzt schon wieder angestellt?' ist – dann, ja dann ist etwas ganz gehörig in eine Schieflage geraten, gegen die sich die Lage des Finanzmärkte wie ein Rosenbett ausmacht.

Mit der Verwendung eines Genres, mit der Verwendung von Tropen macht man dem Kunden ein implizites Versprechen, dass er sich an bestimmten Richtlinien orientieren kann, um seinen Weg durch die eben nicht reale Welt zu finden. Wenn ich einen Film als Martial-Arts-Comedy ankündige, der aber nach einer halben Stunde furioser Action plötzlich zu einer Liebesschnulze entartet und die Kampfkünste völlig veschwinden, werden die Zuschauer sich (zu Recht) betrogen fühlen, genau wie wenn ich einen Film als Remake von "Und ewig grünt die Heide“ ansetze, aber nach zwanzig Minuten Aliens landen und die Landschaft zerstören. Womit ich weder etwas gegen Liebesschnulzen noch gegen Invasions-Science-Fiction sagen will: es wird in diesen Fällen ganz einfach die Erwartung des Kunden, die durch das implizierte Versprechen aufgebaut wurde, enttäuscht.

Die logische Folge für einen Film: Filme dieses Regisseurs – vielleicht sogar des ganzen Verleihs, oder der Produktionsfirma – werden in Zukunft schlechter laufen, weil die Leute misstrausich sind. wenn ds mehrmals geschieht, kann man die Filme irgendwann ebsser sofort auf Video verscherbeln (für 1 Euro pro Film), weil niemand mehr für diese Filme ins Kino gehen wird, oder sich die Filme zum Normalpreis antun wird. Und die Note bei IMDB wird ziemlich tief liegen. Auch wenn es immer ein paar unverwüstliche Fans gibt, die alles entschuldigen, werden sie schnell durch die enttäuschten Kinogänger überstimmt werden.

Die logische Folge für ein Rollenspiel: Das wird viel langsamer gehen, aber ein ähnlicher Effekt wird einsetzen. Man wird vielleicht ein paar neue Kunden gewinnen, die genau diese gebrochenen Tropen cool oder heiss finden, aber man wird nach einiger Zeit eine ganze Reihe Kunden verlieren, die 'sich nicht länger verarschen lassen' wollen. Da aber die Schmerzgrenze bei den Kunden unterschiedlich liegt, wird man zu Beginn vielleicht gar nicht so merken, was da passiert, sondern erst, wenn es zu spät ist. Und auch hier wird es Kritik geben, aber da – anders als zum Beispiel bei IMDB – in Online-Foren zu betimmten Rollenspielen meist vor allem die Fans des Rollenspiels, das das Thema des Forums ist, zusammenkommen, werden Klagen wesentlich schlechter zu hören sein, und man oftmals erst merken , was los ist, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Wer ein Rollenspiel herstellt, wer als Spielleiter Runden anbietet, der verspricht (implizit) den Spielern, dass sie etwas verändern können. Sogar bei Rollenspielen, die so sehr auf das ultimate Versagen der Spielercharaktere ausgerichtet sind wie bei Cthulhu will man als Spieler die Möglichkeit haben (oder zumindest den Eindruck haben), dass man die Situation zum besseren wenden kann. Wenn den Spielern ihre bereits realisierten Erfolgserlebnisse anschließend an der ausgespielten Szene vorbei (also im Plotverlauf ohne Einwirkungsmöglichkeit der Spieler) zunichte gemacht werden, hat man als Spieler beim ersten Mal vielleicht nur ein leichtes Frustgefühl. Wenn das aber öfter geschieht, dass wird der Spieler irgendwann mit seinem Geldbeutel abstimmen und entweder ganz mit dem Hobby aufhören oder zur Konkurrenz gehen. Und die ist, den Indie-Rollenspielen sei gedankt, ziemlich groß.

Nächstes Mal im Flamebait: wie sich das grau-in-grau auf die Motivation der Helden auswirkt.

Der Oberste-5-Stock

Tja, ist schon eine Weile her, dass das 'Top-5-Stöckchen' durch die Blogs gegangen ist, aber jetzt scheint es neu belebt zu sein. Michael "Simia“ Masberg hat es mir zugeworfen, und ich will 'mal nicht so sein, wenn es auch schwer ist, die 5 Abenteuer herauszusuchen, die mir persönlich am besten gefallen haben. Immerhin ist diese Liste ziemlich beweglich – ein Abenteuer, das heute drin ist, kann ohne weiteres nächste Woche wieder 'rausgefallen sein, weil ich ein anderees im Augenblick wieder besser finde.

Die Herren von Chorhop

Als Spielleiter wie auch als Spieler ist das Abenteuer sicher eines der besten, die ich je gesehen habe. Es bietet – wenn man von der [i]möglichen[/i] aber nicht notwendigen Ploteisenbahn zu Beginn absieht, ein ziemlich freies Spiel, das die nötige Motivation sowohl für Krämer- und Söldner- wie auch für Ritterseelen bietet, eine interessante Herausforderung und ein denkwürdiges Erlebnis.

Funkenflug

Von Paddy "Swafnir“ Fritz, habe ich auf der ersten KingCon bei ihm selbst gespielt. Sicher nicht für jede Gruppe spielbar, aber mir hat es damals sehr viel Spaß gemacht, auch wenn die Gruppe meinen Charakter fast die ganzen Verhandlungen mit den PRAioten hat führen lassen (ein wahrer Eiertanz, denn wir wollten ja nicht, dass bestimmte Dinge bekannt wurden, andererseits wollte ich auch nicht unbedingt gerade einen PRAiosgeweihten anlügen). Schön fand ich vor allem, dass bei diesem Abenteuer die Praiosdiener nicht so stereotyp dargestellt wurden, und man einen gewissen Respekt für sie erwerben konnte – was leider eine Seltenheit ist.

Das Kloster des wahren Glaubens

Ein Abenteuer aus den Pfaden des Lichts. Ist mir vor allem in Erinnerung, weil die Gruppen, die ich hindurch geführt habe, teilweise doch eine ganze Menge über die Götter erfahren haben – und weil so manche Entscheidung schwierig ist: dem Praiosgeweihten die Wahrheit erzählen – was ihm möglicherweise das Herz bricht – oder ihn mildtätig (?) anlügen?

Wenn Kinderaugen staunen

Aus der Anthologie Schwarze Splitter. Hat mir besonders gut gefallen, weil es einmal die Möglichkeiten Orons näher beleuchtete und dabei wegging von den Klischees, aber dennoch sehr stimmig blieb.

Der Strom des Verderbens

Einde der ersten echten Detektivgeschichten als Rollenspielabenteuer, an die ich mich erinnen kann. Zwar spielt man als Spielleiter ein wenig Schaffner bei der Ploteisenbahn, aber die schlimmsten Stellen lassen sich ausbügeln, wenn man seine Spieler kennt.

Sicher mag nicht jeder mit dieser Auswahl übereinstimmen – gerade beim letzten kann ich mir vorstellen, dass der eine oder andere da ganz anmderer Meinung ist.

Aber jetzt nehme ich das Stöckchen und werfe es weiter … an Wusselpompf

Flamebait

Kommentar

Aus gegebenem Anlass, und weil mich mehrere Leute auf der RPC darauf angesprochen haben, werde ich in Zukunft unregelmäßig meinen Senf ungefragt verteilen, zu Themen, die zu diesem Blog passen. Also eher nicht Kommentare zur Finanzpolitik der Indonesischen Regierung oder zu den Hochzeitsriten der Inuit, wenn diese Themen nicht gerade direkten Bezug zu Rollenspielen, Gesellschaftsspielem, Tabletops etc. haben.

Den Auftakt macht ein Ereignis, das am Wochenende die LARP-Welt erschütttert hat. Nicht, weil ich auch LARPer bin (obwohl ich nichts dagegen hätte, wenn ein LARPer LARP-Cons, LARP-Waffen, LARP-Regelwerke, LARP-Kleidung etc. rezensieren würde…), sondern weil die Reaktion auch andre Spielbereiche betrifft. Eine Veranstaltung der Jugendfreizeitstätte Hombruch für Kinder von 7-12 Jahren, die in den Osterferien stattfinden sollte und als 'L.A.R.P.' angekündigt wurde, wurde kurzfristig vom Jugendamt der Stadt Dortmund untersagt – wegen "berechtigten Zweifelkn an der Gewaltfreiheit“. Laut einem Bericht im Westen "soll beim Jugendamt ein Brief eingegangen sein, in dem vor LARP gewarnt wurde. (…) Ein Hinweis auf ein 'You Tube‘-Video mit einer gespielten Wirtshausrauferei soll dem Brief beigelegen haben. Der Clip, der in Hombruch entstanden sein soll, muss im Jugendamt schlimmste Befürchtungen geweckt haben. Jedenfalls wurde erst das Video aus dem Netz genommen, und dann die Ferienaktion aus dem Programm.“

Interessanterweise findet man sogar auf der Website des Jugendamtes selber in der Beschreibung der JFS eine Beschreibung solcher LARPS, in der ausdrücklich auf den kreativen und kooperativen Anteil des LARPs verwiesen wird. Auch wird auf die Internetpräsenz der LARP-Orga Tremonien verlinkt, die durch das Jugendamt 'unterstützt und maßgeblich gefördert' wird. Wenn LARP so gefährlich ist, wieso wird es dann vom Jugendamt überhaupt unterstützt? Und wenn es nicht gefährlich ist, wieso wird dann eine Veranstaltung, die von Fachleuten für 7-12jährige Kinder organisiert wird, verboten? Hier widersprechen die Signale sich entschieden.

Wenn man die Begründung ansieht, müsste man eigentlich erwarten, dass auch Veranstaltungen wie die RPC am letzten Wochenende (wo nicht nur LARPer, sondern auch, oh Schreck, Computerspieler und Pen&Paper-Spieler waren) noch viel gefährlicher sein müssten? Und wie steht es mit Veranstaltungen wie ein Schützenfest, das in manchen Gegenden Deutschlands fast schon automatisch zu einer echten 'zünftigen Wirtshausschlägerei' führt? Obendrein wird dort noch auf einen wehrlosen Holzvogel geschossen – führt das nicht viel mehr zu einer Verrohung der Sitten als das gesellige Miteinander in mittelalterlichen Kostümen? Müssen jetzt die Brauchtumsschützen fürchten, dass donnerstags oder freitags vor dem Schützenfest ihre Veranstaltung plötzlich verboten wird?

Nun, ich glaube, die Sportschützen haben wenig zu befürchten – sie haben eine große Lobby auch unter Industriellen und 'Gutbürgerlichen'. LARPer, Rollenspieler, Computerspieler sind aber noch nicht so weit. Die ältesten unter uns sind mittlerweile in einem Alter, in dem sie eventuell ernst genommen werden können – wer 20 Jahre alt war, als DSA auf den Markt kam, ist mittlerweile mit 45 im 'respektabelen‘ Bereich angekommen. Dennoch haben Rollenspieler aller Couleur immer noch den Ruf von 'Geeks' oder 'Nerds' – und leider scheinen manche sich auch heute noch in diesem Ruf zu sonnen. Dies gilt zum Teil sogar für die 'gesetzten Jahrgänge'. Dies hilft natürlich nicht dabei, dem Hobby in der Gesellschaft zu einer besseren Rezeption zu verhelfen – und da sollte sich so mancher an die eigene Nase fassen.

Und da das Hobby Rollenspiel in der Öffentlichkeit noch immer als 'seltsam' angesehen wird, und die Teilnehmer als 'leicht verrückt‘, fällt es natürlich leicht, alles Übel der Welt auf diese Schultern zu schieben. Es ist ja auch viel einfacher, die Schuld zuzuweisen, wenn man selber nicht zur schuldigen Gruppe gehört.

Wenn man die Presse und die Äußerungen der Politiker hört, dann kann man nur schlußfolgern: jeder einzelne Massenmörder und vor allem jeder Amokläufer war ein Computerspieler und ein Rollenspieler. Jemand, der Metal hört, und der nicht zum Establishment gehört. Jeder einzelne, ausnahmslos. Winnenden, Erfurt, Columbine, Volkhofen… Moment mal, Volkhofen?

In Köln-Volkhofen beging der 42jährige Frührentner Walter Seifert am 11. Juni 1964 einen Amoklauf, bei dem er mit einem selbstgebauten Flammenwerfer und einer Lanze seine ehemalige Schule überfiel. Auch seine Tat war eindeutig dem typischen Amoklauf-Schema zuzurechnen. Dennoch dürfte es Probleme bereiten, mit dem Finger auf die üblichen schwarzen Schafe zu zeigen. Die gab es im Jahre 1964 nämlich noch nicht, Das Schwarze Auge kam ziemlich genau 20 Jahre später erst auf den Deutschen Markt. Metal ist erst Anfang der 70er entstanden. 1964 waren es eher die Beatles und Elvis, die mit ihrer Musik "die Jugend verrückt machten“. Aber Seifert war nicht einmal ein Jugendlicher.

Wenn man die Amokläufer nebeneinander stellt, gibt es einige Gemeinsamkeiten, die niemand als Auslöser annimmt. Sie haben alle Brot gegessen – so weit ich weiss ausnahmslos. Sie haben alle zumindest hin und wieder Kaffe getrunken. Sie wurden alle von der Umwelt schräg angesehen, teilweise sogar gemobbt – oder hatten zumindest das Gefühl. Sie waren alle Menschen. In den allermeisten Fällen richtete sich der Amoklauf gegen ihre Schule.

Ich glaube, die ersten zwei Punkte wird wohl niemand als Auslöser ansehen. Und auch das 'schräg angesehen werden' ist in sich nur ein sehr schwacher Auslöser – wenn das automatisch zu einem Amoklauf führen würde, wäre die Menschheit wohl schon lange ausgestorben. Sollte die Schule der Auslöser sein, wäre die logische Konsequenz (und eine logischere als das unreflektierte Einprügeln auf LARP, das bislang noch nie in Zusammenhang mit Amokläufen gesehen wurde) die Schließung aller Schulen. Aber außer den Schülern würde das wohl niemand wirklich wollen.

Tja, und wenn man wirklich das Computerspiel oder LARP oder Rollenspiel als Auslöser annehmen wollte, müsste doch auch alle paar Tage jemand durchdrehen.

Im Gegenteil, abgesehen von einer größeren Reihe Diebstähle auf der RatCon – die eben nicht von Congängern ausgeübt worden waren -, habe ich selber bislang keine Gewalttätigkeiten auf Cons mitbekommen, weder auf Cons, auf denen ich war, noch was ich ansonsten so gehört hätte. Man vergleiche das mit Fußballmatches – die Geschichte des Heyselstadions ist leider nur in der Größe eine Ausnahme. Dennoch wird niemand behaupten, dass jemand, nur weil er Fussballfan ist, automatisch auch Randalierer oder gar Amokläufer.

Nein, die Rollenspieler, die ich so kennen gelernt habe, mögen nicht alle mit mir einer Meinung sein, aber ich wäre mehr als überrascht, wenn einer von denen zum Amokläufer würde. Dennoch ist dieses Bild in der Öffentlichkeit vorhanden. Wollten wir nicht etwas unternehmen, damit sich das endlich ändert?

Wenn Kindern Aktivitäten, auf die sie sich längere Zeit gefreut haben, weggenommen werden, hat dies einen wesentlich negativeren Einfluss auf sie als jedes Roollenspiel, vor allem wenn diese Änderung so kurzfristig geschieht wie jetzt in Dortmund. Aber Fingerspitzengefühl scheint heutzutage out zu sein. Aber wenn die Vorbilder und Behörden überreagieren, darf man sich nicht wundern, wenn die, die noch soziales Verhalten lernen, hieraus ebenfalls das Überreagieren lernen. Ich habe auch noch mit 20+ aus dem Rollenspiel soziales Verhalten gelernt – 7-12jährige hätten da noch viel mehr von, und lernen auch noch leichter. Eine vergebene Chance – und das ist mehr als schade.